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Curaçao, Teil 7 – Pomeranzendestillate und Liköre vor 1720: Vorläufer des Curaçaos

Curaçao - Teil 7. Titelbild.

Die Mazeration und Destillation von Pomeranzenschalen reicht weit in die Vergangenheit zurück. Solche Rezepte müssen als Vorläufer für einen Curaçao angesehen werden. Aufgrund der Einfachheit des Rezeptes kann man sogar postulieren, daß auch diese Rezepte nichts anderes als ein Curaçao seien, auch wenn sie nicht so hießen. Welche Rezepte gab es? Wozu verwendete man ein solches Destillat? Welche Heilwirkungen schrieb man der Pomeranze zu? Damit beschäftigen wir uns in diesem Teil. Abschließend erklären wir Euch, warum ein Pomeranzengeist als Curaçao in der Zubereitung verwendet werden sollte.

15. Jahrhundert

Der „Gart der Gesundheit“ ist eines der ersten deutschsprachigen gedruckten Kräuterbücher. Es wurde 1458 von Peter Schöffer, einem ehemaligen Mitarbeiter von Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg, in Mainz verlegt.  Es zählt zu den wichtigsten spätmittelalterlichen Werken über Heilpflanzen. [45]

Das 327. Kapitel handelt von der Pomeranze. Der Text ist für uns heute nicht immer klar verständlich. Darin heißt es, der Samen lösche den Durst und sei gut für kranke Leute. Die Schale vertreibe „das ſterblich venyn“, helfe also bei Vergiftung, denn im Frühneuhochdeutschen bedeutet „venîn“ Gift. [43-231] [44-cccxxvii] Und wenn schwangere Frauen des Pomeranzenfleisch äßen, vertreibe es die „böse Luft“, was immer man sich darunter vorzustellen hat. [44-cccxxvii]

Gart der Gesundheit. Mainz, 1485, Kapitel 327.
Gart der Gesundheit. Mainz, 1485, Kapitel 327. [44-cccxxvii]

– „Poma citrina citrin epphel Cap. cccxxvii . Pma citrina larine Die meiſter sprechē das diß ſint oͤpphel vnd haben eyn vnderſcheyt mit den granat oͤppheln als du den geleſen haſt das capitel granatū . Vn̄ hie iſt zuͤ mercken als Yſaac ſpricht das diß citrin oͤpphel han vierley an yn . Das erst iſt die ſchal das ander das fleyſch . das dritte das marck . das vierde iſt der ſame . vnd der iglichs hait eyn ſunder natuer an ym . Die ſchal iſt heyß vnd drücken an dem zweyten grad . Das fleyſch hie von iſt kalt vnd fuͤücht an dē erſten grade vnd ſyn kelt iſt men wan ſyn füchtikeyt Das marck iſt zuͤ viel ſubtil vnd hait nit füchtigkeyt . Der ſame iſt ſis erecht vnd von natuer kalt vnd fücht an dem zweyten grade . Dißer ſame hait macht den dorſt zuͤ leſchen vn̄ iſt guͤt krancken luden . Die ſchale mit wyn gedrūckē verdrybt das ſterblich venyn . Das fleyſch zuͤ eßen iſt nit guͤt vnd ſunderlich die kalt magen hant . Das marck hie von ist wenig nutz dē menſchen wan es gar wenig fuͤdet . Paulus ſpricht das die frauwen die ſchwanger ſynt dißes fleyſch vō diſſem apphel geßen verdrybt yn die boͤsen geluft .[44-cccxxvii]

Gart der Gesundheit. Augsburg, 1485, Kapitel 325 #1.
Gart der Gesundheit. Augsburg, 1485, Kapitel 325 #1. [42-cccxxv]

Der „Gart der Gesundheit“ wurde noch im selben Jahr auch von Hans Schönsperger in Augsburg nachgedruckt. Hier allerdings findet man einen abweichenden Text.

Gart der Gesundheit. Augsburg, 1485, Kapitel 325 #2.
Gart der Gesundheit. Augsburg, 1485, Kapitel 325 #2. [42-cccxxv]

– „Poma appfe = cäp . cccxxv = POmū latine  = | Die meiſter ſprechē gemeinlich dz manigerleÿ oͤpffel ſind = eins teils ſeȳ genant poma cetonia = etlich poma citri vō dē wir in diſem = cap = ſagen = etlich poma arācie / etlich poma granata = etlich poma paradiſi = etlich ſeind genant poma ethiopia = etlich poma maciana = | Rabi moyſes ſpricht dz oͤpffel vn̄ ſuuḋlich die zamē vō irē guͤtē geruch ſterckē dz hercz vn̄ dz hirn vn̄ ſein guͤt ptiſies dz iſt dÿe dz abnemen haben vn̄ melancolicis = | Auch ſpricht er dz oͤpffel whegeſſn̄ vngenſunḋ ſind dan̄ all anḋ obs = wān ſÿ bringen boͤſe feüchtūg allen glidern | Galienus in dē = vii buͤch genāt ſimpliciū farmacorū in dē 0 capi 0 milia = jd ē pomaria et ē arbor pomorū 0 beſchreibt vns vn̄ ſpricht dz oͤpffel nit habēn ein natur = wān ei teil ſeȳ ſüß ein teil ſaur = ei teil waͤaſſerig ein teil ſind ſcharpf vnd ir ÿegklich hat ir eigen nature = darnach ſÿ ſind / wān ſein ſÿ ſüß ſo ſein ſÿ wārm vn̄ truckē vō natur = ſein ſÿ ſaur ſo ſein ſÿ  kalt von nutur = | Galienus ſprichtt = das aller ſafft ḋ oͤpffel ir feüchtikeit nit behalten mügen = on allein malacitonia = das ſind kutten oͤpffel = wān man ir ſafft bereÿtt mit honig vn̄ zucker oḋ anḋ ſpecereÿē ſo wert ſÿ deſter lenger | Poma citri haben auch manigerley natur an inē = wān dÿe ryndē außen darā die iſt heyß vn̄ trncken = die kern inwēdig ſein kalt vn̄ trucken = das mitteil in dē apffel heÿß vnd feücht | Die rinden & oͤppfel dÿe man nennt granat oͤppfel whe geſſen stercken das hercze vnd benemen des herczen zittern = | Die kern in ein waſſer gelegt vnd das waſſer darnach in dem mund gehalten vnd ſenfftigklich eyn genūmē benÿmt dÿe ſcherp[?]ūg ḋ keln = vn̄ des magē aufſtoſſen =[42-cccxxv]

16. Jahrhundert

Im Jahr 1500 wurde das „Kleine Destillierbuch“ des Straßburger Wundarztes Hieronymus Brunschwig  veröffentlicht. [41] Darin werden Pomeranzen nicht erwähnt. [40]

Eucharius Rößlin, 1554 in Frankfurt verstorben, war Frankfurter Stadtarzt. [39] Im Jahr 1533 erschien sein Kräuterbuch, worinnen er auf den ›Gart der Gesundheit‹ Bezug nimmt, und da er den Text in moderneres Deutsch fasst, wird dieser so für uns verständlicher.  In seinem Buch wird auch eine Destillation von Pomeranzenblüten erwähnt. Er schreibt, die „Äpfel“ stärkten aufgrund ihres guten Geruchs das Herz und das Hirn und hülfen den Melancholischen. Roh solle man sie nicht essen, da sie ungesund seien. [38-clxv]

Eucharius Rößlin: Kreutterbuch von allem Erdgewächs. 1533, Seite 165.
Eucharius Rößlin: Kreutterbuch von allem Erdgewächs. 1533, Seite 165. [38-clxv]

– „Epffel. Pomum. Pomum Citri, Pomū Granatū. Poma Maciana, Aethiopiae, Paradyſi. Citrinatoͤpffel. Granatoͤppfel. Pomerantzen. DIe oͤpffel / ſunderlich die zahmenn / ſercken vonn ihres guͤeten geruchs wegen / das herz vnnd hirn / ſeindt guͤt denen die das abnemē haben / auch den Melacholiſchen / oͤpffel rohe geſſen / ſeind vngeſunder dann alles ander obs / dann ſie bringen boͤſe feuchtung allen glidern. Die ſuͤßen ſeind warm vnd trucken von natur / Die ſauren kalt. Aller oͤpffel feuchtigkeyt mag nit behalten werden / on alleyn kütten oͤpffel / bereyt mit honig vnnd zucker oder anderen ſpecereien / wert deſter lenger. Citrinoͤpffel haben auch mancherley natur an ihn / die rind außwendig darann iſt heyß vnd drucken. Die kernen innwendig ſeindt kalt vnd drucken / Vnd das mittel in dem apffel iſt heyß vnd feucht. Granatoͤpffel rinden rohe geſſen / stercken das hertz / benemen hertz zittern, Die kern in ein waſſer geleget / vnnd das waſſer darnach im mund ghalten vnd ſenfftiglich ingeſchlicket / benimpt die ſcherpffe der kelen / bnimpt des magens vffſtoſſen. | Fauler oͤpffelwaſſer. Von den geimpfften ſo ſie faul ſind / bren̄ inbalneo Marie. Diß waſſer iſt guͤt fürn kalten / faulenden brand / der vm̄ſich frißt / vnd außfelt / od der wie er iſt / damit gewaſchen / vn̄ mit eim tuͤch darüber gelegt / morgens vn̄ abends. Das waſſer iſt guͤt für ſchwartze blatern für den wolff / peſtilentziſche Apoſtem vnd geſschwer / zum teg iij.mal mit tuͤchern über gelegt. Das waſſer von zahmen oͤppfeln gebran̄t eh ſie faul werdenn / iſt vaſt guͤtt zeſtercken vnd krefftigen / kuͤlt den leib vnd herz / morgens vnd abends getruncken. | Eppfelbluͤtwaſſer. Die bluͤſt von den geimpfften apffelbaumen / ſo die knoͤpff ſich von einander teylen / tuͤcher vnder den baum geſpreyt / vnnd mit ſtecklin an den baum geſchlagen / die bluͤmē in balneo Marie gebrandt. Das waſſer iſt guͤtt für die roͤte vnd vngestalt des angeſichts / morgens vnd abends damitt gewaſchen / etwa iij. oder iiij. wuchen lang diß gethon / hilfft wol.“ [38-clxv]

Unter einem „balneum Mariae“, das im Text erwähnt wird,  versteht man übrigens ein Wasserbad. [37]

In Eucharius Rößlins Kräuterbuch aus dem Jahr 1550 steht, daß sowohl Pomeranzen, als auch Limonen (vulgo: Zitronen) und süße Orangen gegen allerlei helfen. Die Schalen machen einen guten Atem und helfen gegen die böse Luft der schwangeren Frauen – was immer man sich darunter vorstellen mag. Sie vertreiben auch Ungeziefer und vermeiden, daß Kleidung von diesen angefressen wird. Durch ihren Geruch helfen sie gegen böse Luft und vertreiben so die Pestilenz. Sie helfen bei allen Gebrechen des Magens, und treiben den Schleim aus den Därmen. Sie sind auch für die Leber gut. Das Fruchtmark heilt entzündete Glieder und als Salbe zubereitet auch die Räude und alle heißen Geschwulste. Eingesalzen stärken die Früchte das Herz und alle inneren Glieder. Aus dem Saft macht man einen sauren Sirup, der das Herz stärkt und Gift vertreibt und auch gut gegen böse Luft und Pestilenz-Fieber ist: [7-cxxvii] [7-cxxviii]

Eucharius Rößlin: Kreuterbuch. 1550, cxxvii.
Eucharius Rößlin: Kreuterbuch. 1550, cxxvii. [7-cxxvii]

– „Citrinatoͤpffel. Pomerantzen. … DEr Citrinatenbaum tregt durchs jar über frücht / ſeind lang / runtzlecht / goldfarb / ſtarckes geruchs / kernlin wie byrn / welche in wein getruncken / ſeind guͤt für gifft / vnd treiben den ſtuͤlgang. Krafft vnd Wirkung. Den mund gewaͤſchen mit der bruͤ darinn die kern geſotten / oder mit jrm ſafft / macht einn guͤten athem. Citrinat werden gebraucht wider boͤse lüft der schwangern frawen. Zun kleydern gelegt / verhuͤtens vorn ſchaben und motten. Die rind geſotten mit waſſer / vnd den mund damit gewaͤſchen / macht ein̄ wolriechenden mund.“ [7-cxxvii]

Eucharius Rößlin: Kreuterbuch. 1550, cxxviii.
Eucharius Rößlin: Kreuterbuch. 1550, cxxviii.

 

– „Dise rinden gelegt zu tuͤchern / nemen keinn ſchaden vonn Schaben oder andern würmen. Der geruch von diſer rinde benimpt den boͤsen lufft / daruon die peſtilentz entſtehen mag. Die rinden Citri ſeind für allen gebreſten des magens guͤt. Treibt auch allen ſchleim auß den daͤrmen. Seind faſt guͤt dem magen vnd leber / das puluer daruon getruncken mit wein. Das marck von diſer frucht heylet die entzündte glider. Trücknet vn̄ heylt die raud. Für diſes magſt du nemen ein ſalb / Vnguentum citrinum genannt / auß der Apotecken. Diß Vnguent geſtrichen / wo die haut am leib abgegangen were / als von gehn / arbeyten / oder jucken / das heylt diſe ſalb. Vnd dienet ſonderlich für alle heyſſe geſchwulſt gleich der weiſſen ſalbe. Mit Vnguento citrino geſchmiert vnderm angeſicht / benimpt die außſetzigkeyt. Eingeſultzte Citrinatoͤppfel geſſen / ſterckts hertz vnd alle innerliche glider. Vom ſafft wirt ein Sirup gemacht in der Apotecken / iſt ſauerlecht / welcher genützt / das herz ſterckt / vnd vertreibtſ gifft darvon / iſt guͤt wider boͤsen lufft vnd peſtilentziſche feber. Zumercken / was von den Citrinaten oder gelben runden oͤpffeln geschribn̄ / soll auch von den ſauren und ſuͤſſen Pomerantzen / vnnd friſchen vngeſaltznen Limonen verſtanden werden / dann ſie ſeind alle einer art.[7-cxxviii]

Antonius Mizaldus: Artztgarten. 1577, Seite 289-291.
Antonius Mizaldus: Artztgarten. 1577, Seite 289-291. [9-289] [9-290] [9-291]

Der Franzose Antonio Mizauld verstarb 1578 in Paris. Er war Astrologe und Mediziner. [35] Im Jahr 1577 erschien in Basel eines seiner Bücher, ins Deutsche übersetzt, mit dem Titel „Arztgarten“. Darin berichtet er über die süßen und sauren Pomeranzen und Limonen als Arznei: Die Pomeranzen wärmen und sind deshalb sehr gut, um den Durst von an „Kaltenweh“ Erkrankten zu löschen. Limonensirup hilft bei Gallenproblemen, gegen Pestilenz und vertreibt „giftige Sucht“. Das Destillat von Limonen macht das Angesicht schön, glättet runzlige Haut, vertreibt Flechten und Makel am ganzen Leib und hilft auch mit anderen Sirupen vermischt gegen Fieber. [9-289] [9-290] [9-291]

– „Pomerantzen vnd Limonien ſampt ihren arzneyen. Aurantia arbor & Limonia. Das zehende Beth. DEr pomerantzen ſind dreyerley geſchlecht / ſuͤſſe / ſawre / vnd bitzelechtige / welche zum theil ſuͤß / zum theil ſawer. Die ſuͤssen haben ein krafft zu waͤrmen. Der andern ſafft keltet / mehr oder weniger / nach geſtalt des ſchmacks / welcher ſuͤſſer oder ſawrer. Es ſind deßhalben die ſawren ſehr gut für den durſt der krancken / welche mit einem kaltenweh beladen ſein. Die rind von allen pomerantzē iſt warm vnnd hitzig / welches der ſchmack bezeuget: denn derſelb iſt herb vnnd bitter. Wo man deßhalbē den ſafft bei einē liecht außtrucket / ſo wirt er leicht angezuͤndet / vnd gibt ſein krafft dem wein am leichteſten von wegen ſeiner duͤnnen ſubſtanz / in ein glaß auch von weitem her geſpritzet. Die limonien ſind ſaͤwer alß die citronen vnd pomerantzen alle ſampt / denn ihr ſafft iſt kelter vnd trockner. Man macht ein ſyrup auß den limonien / mit welchem die ſcharffe gall wirt gelindert / item die peſtilentz vnd gifftig ſucht vertrieben. Das diſtilliert waſſer von limonien iſt gut das angeſicht zu ferben und ſchoͤn zu machē / macht glatt die haut / ſo zuuor runzelechtig geweſen / vertreibt die flechten vnnd mackel in gantzem leib / ob ſie gleich auß dem auſſatz herkommen weren. Mit andern ſyrupen vermiſcht (ſo ſonſten auch gleiche gebrechen vertreibn̄) iſt gut für das geſchwinde und anfallende feber. Solches hab ich offtmals probiret.[9-289] [9-290] [9-291]

Caspar Janszoon Coolhaes: Van seeckere seer costelijcke wateren. 1588, Seite 22-23.
Caspar Janszoon Coolhaes: Van seeckere seer costelijcke wateren. 1588, Seite 22-23. [19-22] [19-23]

Der Destillateur Caspar Janszoon Coolhaes veröffentlichte im Jahr 1588 in Amsterdam sein einflußreiches Buch „Van seeckere seer costelijcke wateren diemen met recht soude mogen noemen“. Er wurde in Köln im Jahr 1536 geboren und wurde 1574 im niederländischen Leiden zum Professor ernannt. Für ihn war (aus Trauben destillierter) Weinbrand höherwertiger als ein Branntwein aus Getreide, und er beklagt sich in seinem Buch darüber, daß Getreidebrand als gleichweertig angesehen werde. Sein Buch ist somit der erste schriftliche Beleg dafür, daß Getreidebrand gegenüber Weinbrand bevorzugt wurde; aufgrund seiner Aussage wissen wir, daß spätestens in den 1580er Jahren in den Niederlanden Getreidebrand wichtiger als Weinbrand war. [20-194] Getreidebrand kam bereits im 15. Jahrhundert auf und wurde erstmals im Jahr 1507 in einem Text aus Nordhausen erwähnt. [20-312]

In seinem Buch beschreibt Caspar Janszoon Coolhaes auf Seite 22 das „Aqua Anrantiæ: Appel van Aranien ſchillen Water“, das „Orangenschalenwasser“ [19-22] [19-23] Das ist der älteste Beleg, den wir finden konnten, für mazerierte und destillierte Orangenschalen. Es folgt eine Auflistung der Anwendungsgebiete, den deutschsprachigen Aufzeichnungen der Zeit ähnlich, weshalb wir hier auf ein Zitieren des niederländischen Textes verzichten.

Jacobus Theodorus Tabernaemontanus: Neuw vnd volkommenlich Kreuterbuch. 1591, Seite 660.
Jacobus Theodorus Tabernaemontanus: Neuw vnd volkommenlich Kreuterbuch. 1591, Seite 660. [36-660]

Jacobus Theodorus Tabernaemontanus hieß eigentlich Jakob Dietrich und stammte aus Bergzabern. Er verstarb 1590 in Heidelberg und war nicht nur  Arzt und Apotheker, sondern auch Professor für Medizin und Botanik. [34] Sein Kräuterbuch aus dem Jahr 1591 beschreibt den Pomeranzenbaum und gibt an, daß dieser in Welschland – gemeint ist damit Italien und Frankreich [33] – wüchse, aber auch in Deutschland gezogen würde, wenn auch mit großer Mühe, viel Arbeit und Fleiß, weshalb damit hohe Kosten verbunden wären.

– „Das XIIII. Capitel. Von Pomerantzen. Pomerantzen. Malus aurantia. DIe Pomerantzen ſeyn auch auß dem Geſchlecht der Citrinataͤpffel / dann ſie ſich mit der Geſtalt vnnd der Krafft den Citrinaten vergleichen / außgenommen daß ſie runder ſeyn / vnd ſo ſie zeittig worden / gewinnen ſie ein ſchöne goldrote Farb: Der Pomerantzenbaum iſt fuͤr vnnd fuͤr gruͤn / traͤgt auch vber das gantze Jahr ſeine Frucht wie der Citronenbaum. Seine Bletter ſeyn dick / glat / ſpitzig vnd wolriechendt / vergleichen ſich dem Lorbeernlaub. Die Bluͤet iſt weiß vnd wolriechendt. Die Rinde an den Pomerantzen iſt dick vnnd eines bittern Geſchmacks. Sie haben aber nicht einerley Geſchmack / dann etliche ſeyn suͤß / etliche ſauwr / Sie wachſen in Welſchlandt vnnd Franckreich / werden auch in Deutſchlandt mit groſſer Muͤhe / Arbeit / Fleiß vnnd groſſem Vnkoſten aufferzogen.[36-660]

Jacobus Theodorus Tabernaemontanus: Neuw vnd volkommenlich Kreuterbuch. 1591, Seite 661.
Jacobus Theodorus Tabernaemontanus: Neuw vnd volkommenlich Kreuterbuch. 1591, Seite 661. [36-661]

In diesem Buch lesen wir auch, daß ein Pomeranzenblütendestillat schweißfördernd wirke und daß man es wegen seines guten Geruchs in Italien für viele Dinge gebrauche, in Spanien gebe es man gebärenden Frauen. Auch sei es gut, um das Herz zu stärken.

– „Von Pomerantzenbluͤtwaſſer. Matthiolus vermeldet daß man auß der Pomerantzenbluͤet gar ein lieblich wolriechend Waſſer brenne / welches eine ſonderliche gute Krafft habe den Schweiß mit Gewalt zu fuͤrdern. So meldet auch D. Camerarius daß es von wegen ſeines guten Geruchs zu vielen Sachen in Italia gebraucht werde / vnnd in Spanien gebe man es den ſchwangeren Weibern in ein wenig Poleyenwaſſer / wenn sie hart geberen. Wirdt auch fuͤr ein gute Hertzſtaͤrckung gebrauchet.[36-661]

Der Italiener Pietro Andrea Mattiolo verstarb 1577 in Trient. Er war Arzt, Medizinschriftsteller, Botaniker und Leibarzt des Kaisers. [32] Im Jahr 1590 erschien in Frankfurt am Main die deutsche Übersetzung seines Kräuterbuchs, erweitert um Abbildungen und weiteren Arzneien durch Joachim Camerarius. Dieser war Stadtarzt in Nürnberg, Botaniker und Naturforscher. [31]

Dieses Kräuterbuch aus dem Jahr 1590 beschreibt, daß süße Pomeranzen bei „Krankheiten der Brust und Seiten“ und bei „hitzigen Krankheiten“ helfen, das Herz stärken und den Schlaf fördern. [46-80r]

Pietro Andrea Mattiolo: Kreutterbuch. 1590, Seite 80r.
Pietro Andrea Mattiolo: Kreutterbuch. 1590, Seite 80r. [46-80r]

– „Natur / Krafft / vnd Wirckung. … Der Pomerantzen. Die ſuͤſſen Pomerantzen mag man ſicherlich geben in den Kranckheitē der Bruſt vnd Seiten. * Der Safft auß den ſuͤſſen Pomerantzen außgedruckt vnd ein gut truͤncklin davon gegeben / fuͤrdert den Schlaff / fuͤrnemlich mit Veielſaft eingeben / in Pleuricide vnd dergleichen hitzigen Kranckheiten. * Zu den hitzigen / jnnerlichen Fiebern ſindt die ſauren / vn̄ Weinſauren bequemer / dann sie leſchen den Durſt / vnnd vnnatuͤrliche Hitz / laſſen nicht faulen / ſtercken das Hertz / vnd fuͤrdern den Harn.[46-80r]

Saure Pomeranzen helfen bei „Bauchwürmern“. Destillierte Pomeranzenblüten wirken schweißtreibend und werden insbesondere in Italien verwendet, denn es ist „für viele Sachen nützlich zu gebrauchen von wegen seines guten Geruchs“. In Spanien gibt man es Schwangeren bei einer schweren Geburt. Aber auch das Öl der Schalen wird verwendet, und daraus bereitet man einen köstlichen Cordial zu, der „in vielen Krankheiten nützlich zu gebrauchen“ ist. Der Autor empfiehlt, daß Pomeranzen nicht nur in dei Apotheken gehören, sondern auch in jede Küche. [46-80v]

Pietro Andrea Mattiolo Kreutterbuch. 1590, Seite 80v.
Pietro Andrea Mattiolo Kreutterbuch. 1590, Seite 80v. [46-80v]

– „Wider die Bauchwuͤrme: Nimb ſawre Pomerantzen / ſchneid ſie mitten entzwey / begeuß ſie mit bitterem Mandeloͤl / und brate ſie. Alſo gebraten lege ſie auff den Nabel / oder druck den Safft darauß / gib den zu trincken / es hilfft. Auß der Pomerantzenbluͤt brennet man ein Waſſer / daſ getruncken / treibet den Schweiß gewaltig. * Das deſtillirte Waſſer / auß Pomerantzenbluͤt / wirt ſonderlich fleiſſig in Italia zu Neapoli vnd Luca, da man es Nampham vnd Angelicam nennet / gemacht. Es iſt in vielen Sachen nuͤtzlich zu gebrauchen / von wegen ſeines guten Geruchs. In Hiſpania gibt man es den ſchwangern Weibern / wann ſie hart geberen / ſonderlich mit ein wenig Polley Waſſer vermiſchet. Aber viel kraͤfftiger ist darzu das Oel auß den Schelffen gemacht / welchs auch ſonst ein koͤſtlich Cordiale, vnd in vielen Kranckheiten nuͤtzlich vnnd gut zugebrauchen / erfunden iſt worden. * Die fleiſſigen Apothecker pflegen die Schalen von den Pomerantzen mit Zucker einzumachen / vnd iſt ja ein gesunde Speiſe zu allen kalten Gebreſten deß Magens. Limonien vnd Pomerantzen gehoͤren nicht allein in die Apothecken / ſondern auch in die Kuͤchen.[46-80v]

Im Jahr 1597 erschienen in Frankfurt am Main das „Neue vollkommene Distillierbuch“. Der Titel nennt uns den Autoren leider nicht namentlich, schreibt aber, das Buch sei zuerst von Hieronimus Braunschweigk verfaßt worden, dann von Walther Hermann Ryff erweitert und nun von einem Liebhaber der Destillierkunst durchgesehen, korrigiert, und um vielen Abbildungen erweitert worden. Wir wissen also nicht, wer der Autor dieser Ausgabe ist. Vielleicht ist es ein Werk, daß vom Herausgeber wegen der großen Nachfrage veranlaßt wurde, und an dem viele Co-Autoren mitgearbeitet haben. So jedenfalls könnte man die Vorrede interpretieren.

Dieses Buch berichtet über die Destillation von Pomeranzen-, Zitronatzitronen- und Zitronen-Blüten, allerdings mit dem Hinweis, daß diese Blüten kaum erhältlich seien, weshalb das Blüten-Destillat importiert werde. Dann wir berichtet, daß man die Rinden von Pomeranzen, Zitronatzitronen oder Zitronen nimmt, und mit einem kleinen scharfen Messer nur das Gelbe abschneidet, damit man nichts von dem Weißen verwendet. Diese Rinden mazeriert man etliche Tage in einem verschlossenen Glas im Saft der Früchte, wenn das Destillat kälter werden soll,  oder mit kräftigem Wein, wenn es hitziger, oder Maluasier, wenn es noch hitziger oder mit rektifiziertem Branntwein, wenn es am allerhitzigsten werden soll, und destilliert dann. Dieses Destillat ist dann nicht so kräftig oder lieblich wie mit den Blüten hergestellt, ist im in Kraft und Tugend jedoch fast gleich. Davon mag man ein oder zwei Löffel zu gegebener Zeit zu sich nehmen oder auch in seinen täglichen Trank geben, es äußerlich oder innerlich anwenden, auch mit Zucker vermischt.

Walther Hermann Ryff: New Vollkommen Distillierbuch. 1597, Seite 54 (links).
Walther Hermann Ryff: New Vollkommen Distillierbuch. 1597, Seite 54 (links). [10-54 links]

– „Pomerantzen / Citrinaten / vnd Limonen bluͤt Waſſer. WIewol die bluͤt diſer koſtbarlichen oͤpffel / bey vns / kelte vnnd reuhe halben deß Luffts / frembd vnd nit zubekommen / daß man ſie Diſtilliern moͤchte / ſo hab ich doch ſolchs Waſſer / nit allein deß lieblichen geruchs halben / in welchem es alle einfache Waſſer vbertrifft / ſonder auch der vielfeltigen nutzbarkeit halben / hie melden woͤllen / dan̄ ſolches auff gemeine weiſe gediſtilliert / auch zu vns gebracht wirt / Oder damit du ſolches edlen vnd faſt koſtbarlichen Waſſers nit mangleſt / ſo thu im alſo wie hernach folget: Nimb die Rinden von obgemeldten oͤppfeln / als von Pomerantzen / Citrinaten / oder Limonen / ſchneide mit einem ſcharpffen Meſſerlin allein das gelb herab / daß du von dem weiſſen / welches gar ohn allen geruch iſt / nichts hinweg nemeſt / Solche gelben Rinden eins Apffels inſonderheit oder etliche zuſammen vermiſcht / ſolt du wol in ihrem eignen Safft / ſo du das Waſſer wilt zu kelte geneigt haben / oder in gutem kräfftigen wolriechenden Wein / welche etwas hitziger / oder in Maluaſier / ſo noch hitziger / oder in rectificirtem gebranten Wein / ſo am aller hitzigſten / erbeitzen / vndn etlich tag putreficiern oder digeriern laſſen / doch ſolt du ſolches zusatzes nicht mehr daruͤber gieſſen / denn daß es bloß ein wenig erfeuchtet werde / vnnd man ſolche feuchte kaum spuͤre / laß in einem wol verſtopften Glaß alſo biß zu der zeit der diſtillierung / ſtehn / daß es gar nit verriechen / noch einig Lūfftlin darvon außriechen moͤge / dann ſo ziehe es ſaͤnfftiglich ab / ſo hast du vber die maß ein nuͤtzlich heilſam wolriechend Waſſer / welches / ob es gleich am geruch nicht alſo kraͤfftig oder lieblich als das ſo von den Blumen gediſtillieret wirdt / iſt es ihm doch in der krafft vnd tugent faſt gleich / darvon magſtu auff ein Loͤffel voll oder zwen zu gelegner zeit eingeben / vnnd auch deinen taͤglichen tranck damit vermiſchen / auch euſſerlich vnnd innerlich deß Leibs brauchen / wie folgends gehoͤrt / mit Zucker vermiſcht / oder fuͤr ſich ſelbs eingetruncken.[10-54 links] [10-54 rechts]

Dies ist eindeutig schon eine Beschreibung eines Curaçao-Likörs: Pomeranzenschalen werden mazeriert, destilliert und bei Bedarf wird noch Zucker hinzugegeben. Und man verwendet noch – wie ursprünglich üblich – Weinbrand. Man stellte also einen Curaçao unter anderem Namen schon spätestens im Jahr 1597 her.

Da wir über die positive Wirkung der Pomeranzen zuvor bereits berichtet haben, soll nun auch noch über die Anwendung des Destillats berichtet werden, denn das Buch gibt ausführlich Auskunft. Die innere Anwendung hilft bei Vergiftung, stärkt Herz, Haupt und Hirn, erquickt den Geist bei Ohnmacht und Schwachheit, entfernt melancholische Verunreinigungen, Kummer und Traurigkeit und sorgt so dafür, daß der Mensch leichtgesinnt, fröhlich und mutig wird. Es hilft Schwangeren, vertreibt ihnen die böse Luft, kräftigt deren Magen und erquickt den Fötus. Es hilft auch dabei, einen abgestorbenen Fötus abzutreiben. Auch ist es gut für Magen und Leber und stärkt die Verdauung. Für die Augen ist es von Nutzen und bringt ein schielendes Gesicht in die natürliche Gestalt zurück. [10-54 rechts]

Walther Hermann Ryff: New Vollkommen Distillierbuch. 1597, Seite 54 (rechts).
Walther Hermann Ryff: New Vollkommen Distillierbuch. 1597, Seite 54 (rechts). [10-54 rechts]

– „Pomerantzen / Citrinaten / vnd Limonenwasser innerhalb in Leib zubrauchen. VOr allen gediſtillierten Waſſern hat diß die krafft vnnd tugent / daß es allem Gifft krefftigen widerstandt thut / vnnd das Herz gewaltiglich darvor beſchirmet / es ſey von eingenommenem Gifft / Peſtilentziſcher vergifftigung / oder ſchaͤdlicher Thier / Gewuͤrm / vnd Ungezifers vergifftigung. Dan̄ das Hertz wirt von dieſem Waſſer / deßgleichen auch das Haupt vnd Hirn / vber die maß wol geſterckt vnd bekrefftiget / vnd die leblichen Geiſter erquickt in aller onmacht vnnd ſchwacheit / es erleutert auch das Gebluͤt von aller Melancholiſchen vnreinigkeit / darvon der Menſch leichtſinnig / froͤlich / vnd mutig wirt / dann es vertreibet allen Melancholiſchen kummer / vnmuth vnd trawrigkeit / von vnbewußter urſach / wirt dieser vnd obgemelter vrsach / in zeit vergifftes Luffts / vnnd Peſtilentziſchen sterblaͤuffen / vber die maß nuͤtzlich gebraucht. So man auch morgens nuͤchtern ein Loͤffel voll dieſes Waſſers / von Blumen oder Rinden der Pomerantzen / Citrinaten / oder Limonen / gediſtilliert / einnimbt / gibts dem Mund vber die maß ein ſuͤſſen lieblichen vnnd faſt guten geruch / vnd behaͤlt den Menſchen / deſſelbigen tags frey vor aller Peſtilentziſcher vergifftung / daß er nit leichtlich inficieret werden mag. So auch einer deß morgens von ſolchem Waſſer getruncken / iſt er folgendes tags ſicher vor Gifft / es ſey von vergiffter Speiß oder gifftiger Thier / Gewuͤrm vnnd Vngezifer biſſz. Diß Wasser hat auch ein ſonderliche eigenſchafft / daß es den ſchwangern Weibern / ſo mit boͤſem vnnatuͤrlichem luft angefochten werden / als zu vnmenſchlicher Speiß vnnd dergleichen / vertreibt es jhnen ſolchen boͤſen luft / bekrefftigt jhnen den Magen / ſaͤubert vnd erquickt die Frucht in Mutter leib. Dann diß Waſſer / wie auch oggemelt / alle trawrigkeit vnd vnmuth hinweg nimbt / von wegen ſeiner krefftigen tugent / das Hertz zustercken vnnd bekrefftigen. Diß Waſſer dienet auch dem Magen vn̄ der Leber inſonderheit / bringt ſie widerumb zurecht / wo die zuſehr erkaltet / oder mit ſchaͤdlicher vberfluͤſſiger feuchten erfuͤllet / sterckt vnnd hilfft der daͤwung / vnnd treibet hinweg ſolche ſchaͤdliche feuchte / die ſich im Magen verſamblet hat. Hat ein ſonderliche treibende krafft / die gebuͤrliche reinigung der Weiber zu fuͤrdern / vnnd die todte Geburt außzutreiben, Das Waſſer ſo von den Blumen oḋ der Rinden in ihrem eignen ſauren Safft erhitziget / dienet den Augen / ſol auch ein ſonderliche krafft haben / das ſchilend Geſicht widerumb in die rechte natuͤrliche geſtalt zubringen / vnd die dicken groben Fell vnd flecken hinweg zutreiben / mit  zimlicher eyterung der hitz deß Augſchwerens / vnnd hinweg nemen der vngeſtalten roͤte.[10-54 rechts] [10-55 links]

Äußerlich angewendet stärkt es Herz und Hirn aufgrund seines lieblichen Geruchs, hilft aber auch bei Ohnmacht und Schwachheit. Es schützt vor einer Infizierung durch pestilenzische Luft, stärkt die Verdauung, vertreibt Bandwürmer und ist nützlich bei der Behandlung von Bissen durch giftiges Getier.

Walther Hermann Ryff: New Vollkommen Distillierbuch. 1597, Seite 55 (links).
Walther Hermann Ryff: New Vollkommen Distillierbuch. 1597, Seite 55 (links). [10-55 links]

– „Pomerantzen / Citrinaten / vnd Limonenbluͤt oder Rindenwaſſer auſſerhalb zubrauchen. WIewol das obgemelt Waſſer von wegen ſeiner vielfaͤltigen tugent / manigfaltiger weiſe / innerhalb vnd auſſerhalb in Leib gebraucht werden mag / ſo hat es doch ſonderliche krafft vnd tugent / deß anmuͤtigen lieblichen geruchs halben / das Hertz vnd Hirn wunderbarlich zuſtercken vnd bekräfftigen / in allen obgemelten gebrechen / als nemlich wider alles vergifft / deßgleichen in onmacht vnnd ſchwachheit / dann ſolches Waſſer von den erfarnen aͤrtzten inſonderheit gebrauchet wirt in alle Epithemata oder Hertzbehungen / ſo man in Peſtilentziſchen Febern vnd andern gebrechen / auſſerhalb mit Leinin oder Seidin tuͤchlin oder Badſchwammen vberlegt. So iſt auch der geruch krefftig vnd gut / den Menſchen vor aller inficierung / vergifftes / ſchaͤdlichs / Peſtilentziſches Luffts / zuverſchonen vnd bewaren. Auff den Magen gelegt / erwermet es denſelben / vnnd ſtercket die daͤwung / treibt auch denjungen Kindern die Wuͤrm auß / vnnd iſt ein sehr krefftige nuͤtzliche Artzney fuͤr aller gifftiger Wuͤrm vnd vngezifer biß / als Schlangen / Scorpion /vnd ander Thier / den ſchaden demit gewaſchen / vnd mit genetzten tuͤchlin vbergelegt.[10-54 rechts] [10-55 links]

Walther Hermann Ryff: New Vollkommen Distillierbuch. 1597, Seite 179 (rechts).
Walther Hermann Ryff: New Vollkommen Distillierbuch. 1597, Seite 179 (rechts). [10-179 rechts]

An anderer Stelle beschreibt das Buch die Vorzüge des Aqua vitae, dessen Vorzüge darin liegen, den ganzen Leib zu kräftigen und erquicken, insbesondere das Hirn, das Herz und alle Glieder der Eingeweide und des ganzen Leibes. Es werden verschiedene Drogen genannt, die man bei der Herstellung verwenden kann, darunter auch Zitronatäpfel sammt Pomeranzen und Limonen. [10-179 rechts]

– „Damit wir aber hierinn nit zu weit außſchweiffen / woͤllen wir wieder zu den ſtucken tretten / welche ſolchem Aqua vitae zu eim zuſatz gegeben werden / innerhalb in Leib zubrauchen. Vnd erſtlich welche den gantzen Leib bekrefftigen vnd erquicken / als nemlich das hirn / hertz vnd alle glieder deß eingeweyds vnd gantzen Leibs / vnd seynd diß solche stuck: … Citrinaten oͤpffeln / sampt den Pomerantzen vnd Limonen …[10-179 rechts]

Fazit

Spätestens im 16. Jahrhundert stellte man bereits Curaçao her, auch wenn man das Ergebnis anders bezeichnete. Im Jahr 1588 wird in einem Buch aus Amsterdam beschrieben, wie man Orangenschalen destillieren solle. Ein Buch aus Frankfurt, erschienen im Jahr 1597, beschreibt ebenfalls, wie Pomeranzenschalen in Wein oder Branntwein mazeriert und anschließend destilliert werden. Man empfiehlt den Trank innerlich und äußerlich anzuwenden, auch mit Zucker vermischt. Es wurde also bereits in jenen Jahren ein gesüßter › Curaçao‹ hergestellt.

17. Jahrhundert

Bei der Quellensuche haben wir für das 17. Jahrhundert den Fokus weniger auf deutschsprachige Quellen gerichtet. Wir haben sie ausführlich für das 16. Jahrhundert aufgeführt und haben dort sogar Rezepturen gefunden, die der eines Curaçaos entsprechen. Aus jener Zeit haben wir keine englischen oder niederländischen Publikationen gefunden. Das ändert sich jedoch im 17. Jahrhundert.

Niederlande

Wenden wir uns zunächst den niederländischen Quellen zu.

1686 wird in einem niederländischen Buch geschrieben: „Ein angenehmes Orangenwasser, zum Riechen. Man nehme Orangenblüten, so viel man will, füge einige Stücke Orangenschale hinzu, gieße darüber so viel Maiglöckchenwasser, daß es bedeckt wird, destilliere dies sanft im Wasserbad, so daß man ein sehr lieblich riechendes Wasser hat.[14-30] [14-31]

Simon Witgeest: Het natuurlyk tover-boek (Aanhangsel). 1686, Seite 30-31.
Simon Witgeest: Het natuurlyk tover-boek (Aanhangsel). 1686, Seite 30-31. [14-30] [14-31]

– „LXXXI. Een aangenaam Oranje water, om te ruyken. Neemt Oranje-bloesem, soo veel gy begeert, doet daar eenige stukjes Oranje-schillen by, giet hier over soo veel water van lelytjes van den Dale, dat het bedoken legge, distilleert dan dit sagjes in ‚t water-bad, soo hebt gy een seer liefelijk riekend water.[14-30] [14-31]

Der 1683 verstorbene niederländische Botaniker Abraham Munting [30] beschrieb in seinem Buch – uns liegt die Ausgabe aus dem Jahr 1696 vor – auch Zitrusfrüchte. Er publiziert dabei Rezepte, die aus anderen Werken stammen. Diese Rezepte bringen jedoch oftmals keine neue Erkenntnis. Man destilliert Früchte, Saft, Kerne und Blüten und benennt, wozu es nützlich ist. Wir verzichten hier darauf, sie alle zu zitieren. [6-13] [6-14] [6-15] Interessant ist ein Rezept, demzufolge man Zitronenschalen in  französischen Branntwein gibt – gemeint ist hier wohl ein Weinbrand – und dann nach den Regeln der Kunst destilliert.

Abraham Munting: Naauwkeurige beschryving der aardgewassen. 1696, Seite 14 #1.
Abraham Munting: Naauwkeurige beschryving der aardgewassen. 1696, Seite 14. [6-14]

– „Daarenboven, wil iemand gedurig een goode Maag hebben, die neeme ieder, of om den tweeden morgen, een leepel twee of drie van’t fedistileert Water, ‚t welk op de volgende wijze werd gemaakt: Neem drie of vier Kannen Rhijnsche, of goede Fransche Brandewijn: doe daar in de Schellen van vijftig varssche Citroenen: Distilleer dit zagtjens na de konst. Met dit Water zomtijds ‚t Aangezicht gewasschen, maakt ook en zuyver Vel: Verdrijft de Zomer-sproetelen: Neemd wech alle Vlekken en Puysten: en is goed teegens al de voorgenoemde ongeleegentheeden.[6-14]

Ein anderes Rezept verweist ebenfalls auf Brandtwein:

Abraham Munting: Naauwkeurige beschryving der aardgewassen. 1696, Seite 15.
Abraham Munting: Naauwkeurige beschryving der aardgewassen. 1696, Seite 15. [6-15]

– „In Brandewijn, ob de voorheenen verhaalde wijze, gedistilleert, en daar von ’s morgens een weynig gedronken, versterkt, en brengd weer te regt een quade Maag: Maakt een vrolijk Hert: Bewaard den Mensch voor alle booze, pestilentiale lucht: Verdrijft alle Zomer-sproetelen en vlekken des Aangezichts.[6-15]

Wie schon bei dem von uns gefundenen Rezept von 1597 verwendet man auch hier Weinbrand.

Wichtig ist auch ein Rezept, demzufolge aus den ganzen und durchgeschnittenen Früchten ein Wasser destilliert wird, daß dann mit etwas Zucker vermischt wird. Dies ist praktisch ein Curaçao-Likör.

Abraham Munting: Naauwkeurige beschryving der aardgewassen. 1696, Seite 14 #2.
Abraham Munting: Naauwkeurige beschryving der aardgewassen. 1696, Seite 14. [6-14]

– „Uyt de Vruchten, ‚t zij geheel of doorgesneeden, werd en Water gedistilliert, ‚t welk, vermengd met een weynig Zuyker, zeer dienstig is in hittige Koortzen, en om de Maag te sterken: Want alle galachtige en flijmerige Vochten drijft het wech, zoo uyt de Maag als uyt de Darmen.[6-14]

Man kann statt Zucker aber auch einen Zitronensirup hinzugeben:

Abraham Munting: Naauwkeurige beschryving der aardgewassen. 1696, Seite 14 #3.
Abraham Munting: Naauwkeurige beschryving der aardgewassen. 1696, Seite 14. [6-14]

– „‚t Zaad, of de Korlen, droog en verkoelend in den tweeden Graad, werkt niet alleen krachtiger teegens alle Vergif, als de Schel, of’t Zap, maar verdrijfd ook de onnatuurlijke Luften der Vrouwen : Is zeer dienstig, om de Wormen te doden en uyt te jagen : ‚t Zelve doet ook ‚t Water, gedistilleert uyt ‚t Zap, vermengd met Syroop van Citroenen, en daar van, ‚t zij Kinderen, ‚t zij oude Perfoonen , die Wormen hebben, te drinken gegeeven : Verquikt ook ‚t Hert : Lescht de dorst : Verwekt eetens-lust , en in de Vrouwen de Maandstonden : maar veroorzaakt ook wel een Misval, inzonderheyd wanneer ‚t te veel van een bevruchte Vrouw gebruykt, of gegeeten werd.[6-14]

Was ebenfalls festgestellt werden muß: es ist ein niederländisches Buch, und es werden allerlei Autoren zitiert. Interessanterweise werden keine Curaçao-Orangen erwähnt, und auch kein gleichnamiger Likör! Das spricht dafür, daß man diesen Begriff im Jahr 1683 noch nicht kannte.

Frankreich

Im Jahr 1659 wird in einem französischen Buch die Herstellung von Orangenwasser beschrieben. Dies ist jedoch nichts anderes als eine Limonade: [29-132]

Anonymus: Le maistre d'hostel. 1659, Seite 132.
Anonymus: Le maistre d’hostel. 1659, Seite 132. [29-132]

– „Eau d’orange. Elle se fait de mesme que celle de cystron.“ [29-132] „Eau de cytron. Prenez vn cytron, coupez en la peau par zestes, mettez  les dās vne éguiere auec vne pinte d’eau & vn quarteron de fucre: battez les bien d’vn vaisseau à l’autre, & lors qu’elle aura pris le goust de cytron, passez- la comme les autres.[29-132]

Im Jahr 1694 steht in einem französischen Medizinbuch: „Um Orangenwasser herzustellen. Man nehme ein halbes Viertel großer Orangen und sechs Zitronen, entferne die dünne Schale, hacke sie in Stücke und entferne die dicke weiße Schale, die man wegwirft. Man füge eine halbe Unze Gewürznelken und eine Unze Zimt hinzu und lasse das Ganze drei Tage lang in einem Viertel Weißwein einweichen. Dann wirft man alles in die Destillierglocke, um es zu destillieren, zusammen mit einer Pinte weißen Honigs und einer Pinte Rosenwasser, die man gut miteinander vermischt.[28-72]

Nicolas Lemery: Nouveau recueil des plus beaux secrets de medecine. 1694, Seite 72.
Nicolas Lemery: Nouveau recueil des plus beaux secrets de medecine. 1694, Seite 72. [28-72]

– „Pour faire l’Eau d’Orange. IL faut prendre demi-quarteron de grosses Oranges & six Citrons, en ôtet la menue pelure de dessus, & la hacher par morceaux, puis ôter la grosse pelure blanche, que l’on jettera: on y joindra demi-once de clous de girofle, & une once de canelle; puis l’on mettra tremper le tout dans une quarte de vin blanc, l’espace de trois jours. Après on jettera tout dans la cloche pour distiller, avec une pinte de miel blanc, & une pinte d’eau Rose qu’on mêlera bien ensemble.[28-72]

England

Ein englisches Rezeptbuch aus dem Jahr 1662 gibt an, wie man Orangenwasser herstellt: „Um Orangenwasser zu machen. Man nehme einen Krug von dem besten Malligo-Sack, und lege so viele Schalen von Orangen hinein, als hineinpassen, schneide das Weiße sauber ab, und lasse sie vierundzwanzig Stunden ziehen; man stille sie in einem gläsernen Destillierapparat, und lasse das Wasser in den Sammelbehälter auf feinen Kandiszucker laufen; man kann es auch in einem gewöhnlichen Destillierapparat destillieren.[27-206]

Anonymus: A Queen's Delight. 1662, Seite 206.
Anonymus: A Queen’s Delight. 1662, Seite 206. [27-206]

–  „To make Orange Water. Take a pottle of the best Malligo sack, and put in as many of the peels of Oranges as will go in, cut the white clean off, let them steep twenty four hours; still them in a gl[as?]s still, and let the water run into the Receiver upon fine Sugarcandy; you may still it in an ordinary still.[27-206]

„The London Distiller“, ein Buch von John French aus dem Jahr 1667, schreibt: „KAPITEL IX. Von Limonen, oder Orangenwasser. Die größere Menge. Man nehme starken Branntwein, so viel als nötig, getrocknete Limonen- oder Orangenschalen 30 Unzen, Annissamen von den besten 16 Unzen; zerdrücke die Schalen und Kerne; destilliere sie zu starkem Branntwein nach der Kunst, süße mit weißem Zucker 5 Pfund. Die geringere Menge. Man nehme starken Branntwein 1 Gallone, getrocknete Limonen- oder Orangenschalen 3 Unzen, Annissamen von den besten 1 Unze 5 Dram, zerdrücke die Schalen und Kerne; destilliere sie zu starkem Branntwein nach der Kunst; süße mit weißem Zucker 8 Unzen. Limonenwasser stärkt und belebt die schwachen Geister, aromatisiert den Magen, und ist ein großartiges Cordial. Es öffnet auch Verstopfungen, löst die Blähungen im Magen, ist wie ein heilender Balsam für alle inneren Teile und ist ein großes Stärkungsmittel für die Natur des Menschen.[26-9]

John French: The art of distillation. 1667, Seite 9.
John French: The art of distillation. 1667, Seite 9. [26-9]

– „CHAP. IX. Of Limen, or Orange Water. The greater quantity. Take Strong Proof-spirit what sufficeth, Limon or Orange pils dry 30 ounces, Anniseeds of the best 16 ounces; bruise the pils and seeds; distil them into strong Proof-spirt according to Art, dulcifie with white Sugar 5 pound. The lesser quantity. Take strong Proof-spirit 1 gallon, Limon or Orange pils dry 3 ounces, Anniseeds of the best 1 ounce 5 drams, bruise the pils and seeds; distil them into strong Proof-spirit according to Art; dulcifie with white Sugar 8 ounces. Limon water strengtheneth and reviveth the feeble spirits aromatizeth the stomach, and is a great Cordial. It also openeth obstructions, exceedingly breaketh wind in the stomach, is as an healing Balsam to all the inward parts, and is a great restorative to mans Nature.[26-9]

Ein anderes englisches Buch, von Kenelm Digby aus dem Jahr 1668, schreibt: „Ein ausgezeichneter Orangen-Wasser oder -Branntwein. Man lege die dünnen Stücke oder Späne der Schale von zweihundert Orangen in einen Brennbehälter, das so groß ist, daß sie es nicht mehr als zu einem Drittel ausfüllen. Man gieße darauf sechs Quarts guten Aquavitae; man lasse sie mit einem Blindkopf, der drei oder vier Tage lang fest verschlossen ist, aufschließen; dann tausche man diesen Kopf gegen einen mit einem Limbeck aus, und destilliere in Balneo [im Wasserbad]. Man behalte die ersten zwei Quarts für sich; denn sie werden ausgezeichnet gut sein. Dann wechsle den Empfänger, und das Öl wird sich mit dem Rest des Likörs vermischen; gegen Ende wird es zu schwach sein, sowohl von der Orange als von dem Weinbrand. Mische einen Liter ausgezeichneten Sirup von Gartennelken[?]-Blüten mit den ersten beiden Quarts; und es wird ein ausgezeichnetes Cordialwasser sein. Man kann es mit Ambra aromatisieren, und dann wird es denen, die Ambra lieben, viel besser schmecken. [21] [25-276] [25-277]

Kenelm Digby: Choice and experimented receipts. 1668, Seite 276-277.
Kenelm Digby: Choice and experimented receipts. 1668, Seite 276-277. [25-276] [25-277]

– „An Excellent Orange-water or Spirit. Put the thin parings or chips of the rind of two hundred Oranges into a Cucurbite, so large that they fill it not above a third part full. Pour upon them six quarts of good Aquavitae; let them digest with a Blind-head close stopped during three or four days; then change that head for one with a Limbeck, and distil in Balneo. Keep the first two quarts by themselves; for they will be excellent good. Then change your Receiver, and the Oyl will come over with the rest of the liquor; towards the last, it will be too weak, both of the Orange and of the Spirit of Wine. Mingle one quart of excellent Syrup of Clove-Gilly-flowers, with the two first quarts; and it will be an excellent Cordial water. You may Aromatise it with Ambergris; and then it will be much better to those that love Amber.[25-276] [25-277]

Fazit

Auch im 17. Jahrhundert finden sich Rezepte, die an Curaçao-Liköre erinnern, beispielsweise in Büchern aus den Niederlanden, Frankreich und England. Es fällt auf, dass in diesem Jahrhundert der Begriff ›Curaçao‹ noch nicht verwendet wird. Stattdessen verwendet man die Bezeichnung Orangen-Wasser (Eau d’Orange, Orange Water). Man mazeriert Orangenschalen in Wein oder Branntwein, destilliert und fügt Zucker oder Honig hinzu. Gewürze wie beispielsweise Nelke, Zimt, Gartennelke, Anis-Samen, Ambra, Rosenwasser werden ebenfalls als Zutat verwendet.

18. Jahrhundert

Ein paar interessante Funde aus dem 18. Jahrhundert seien hier ebenfalls zitiert

Deutschland

Johann Georg Krünitz: Oeconomische Encyclopädie. 1774, Seite 127-128.
Johann Georg Krünitz: Oeconomische Encyclopädie. 1774, Seite 127-128. [11-127] [11-128]

In seiner Oekonomischen Encyklopädie beschreibt Johan Georg Krünitz im 1774 erschienenen Band Drei unter dem Stichwort Aurantium auch über destillierte Pomeranzen, und zwar: „Pomeranzen= Aquavit, Pomeranzen= oder Orange- Wasser, Lat. Aqua, oder Aqua vitae Aurantiorum, s. Corticum aurantiorum, Fr. Eau d‘ Orange, kann auf gar verschiedene Art gemacht werden. Als z. E. man nimmt 4 Pfund Pomeranzenschalen, beizet solche etliche Tage in 5 Kannen Branntwein; gießet hernach noch 7 Kannen Branntwein darzu, und ziehet solchen in einer Abzieh=Blase ab. Nach diesem nimmt man 2 Pfund geläuterten und in Wasser zerlaßenen Zucker, auf 1 Kanne abgezogenen Branntwein 1/2 Nößel Wasser gerechnet, und mischet es unter einander. Man leget auch wohl etwas Sandelholz mit in den Branntwein, und filtriret es also durch Löschpapier. Also kann man auch mit mehrern andern Sachen verfahren, als: mit Zimmet, Citronenschalen, Kümmel, Anis, Cardamomen, Wachholder, u. d. gl. daß man die Species erst in guten Branntwein einweichet, alsdenn aber mehr zugießet und ihn überziehet. Hierbei aber ist zu merken, daß man auch nach Beschaffenheit der Specierum den Aquavit färben mus, welches ihm sodenn mehr Ansehen macht, als z. E. mit rothem Sandel roth, mit gelbem Sandel gelb, oder auch mit Coccionellen roth, desgleichen mit Safran gelb, mit Lackmus auf violett, mit Bärenklau, Krausemünze und Creuzbeeren grün, u. s. w. Es werden diese Sachen nur hinein gehangen oder ganz darein gelegt. Hierbei ist auch zu merken, daß man sowohl den Pomeranzen= als auch andere Aquavite mit Zuckerwasser absüßen, und dieses Zuckerwasser vorher also bereitet werden mus: Als auf 1 Kanne Wasser wird 1/2 Pf. Zucker genommen, und solches mit einander aufgesotten; hernach läßt man solches erkalten, und alsdenn wird davon so viel unter den abgezogenen Spiritus gethan, als er vertragen kann. Denn allzu stark ist er ohne Zuckerwasser nicht zu trinken; wenn man hingegen allzu viel Zuckerwasser darunter thut, so wird er davon nicht nur trübe, sondern auch zu schwach. Auf eine andere Art kann auch der Pomeranzen=Aquavit also bereitet werden. Man nimmt trockene Pomeranzenschalen, aber nur das Aeussere davon, etwa 1/2 Pf. und 1 Nößel Spiritum Vini, thut solches zusammen in eine gläserne Flasche, setzet es 14 Tage lang auf den warmen Ofen in Asche oder Sand, rüttelt es alle Tage um, seihet es alsdenn ab, süßet es mit Zuckerwasser ab, und filtriret es durch Löschpapier. Siehe auch Pomeranzen=Branntwein.[1] [11-127] [11-128]

Johann Georg Krünitz: Oeconomische Encyclopädie. 1774, Seite 129.
Johann Georg Krünitz: Oeconomische Encyclopädie. 1774, Seite 129. [11-129]

Zum Pomeranzen-Branntwein schreibt er: „Pomeranzen=Branntwein. Man schneidet die Pomeranzenschalen, nachdem das Weiße subtil herausgenommen worden, in länglichte schmale Stücke, wie Kraut, wirft sie in eine gläserne Flasche, gießet starken Branntwein darauf, und setzet es an die Sonne. So oft man Schalen hat, kann man sie darzu thun, damit er kräftig und stark bleibe.[1] [11-129]

Niederlande

Amsterdamse Courant, 4. Mai 1724.
Amsterdamse Courant, 4. Mai 1724. [18]

Im Amsterdamse Courant wird am 4. Mai 1724 „Oranje Water“ in Flaschen angeboten, das bei „Dirk Klattenburg op de Blaeuwburkwal“ zu bekommen ist. [18]

Amsterdamse Courant, 4. Januar 1725.
Amsterdamse Courant, 4. Januar 1725. [17]

Am 4. Januar 1725 werden im Amsterdamse Courant Orangen- und Limonenschalen angeboten, und auch „Oranje Water“, [17] ebenso am 9. Januar. [16]

Amsterdamse Courant, 4. August 1736.
Amsterdamse Courant, 4. August 1736. [13]

Auch am 2. August 1736 wird im Amsteramde Courant „Oranje Water“ angeboten, [15] ebenso am 9. August. [13]

Im Jahr 1743 wird im „Huishoudelyk woordboek“, einem Haushaltswörterbuch von M. Noel Chomel definiert: „Orangen-Wasser. Man nehme Orangen- und Zitronenschalen, beide frisch, je eine halbe Tasse; Nelken, fünf oder sechs Unzen; Lavendelblüten, frisch gepflückt, sechs Unzen. Man lässt es vier oder fünf Tage auf sechs Pfund Rozen-Wasser stehen und destilliert es dann.[2]

– „Oranje-water. Neemt Oranje en Citroen-schil, beide versch, een halve once van elks; Kruidnagelen, vyf of zes oncen; Lavendel-bloessem, versch geplukt, zes oncen. Laat het zamen vier of vyf dagen op zes pond Roozen-water staan; vervolgens distilleert het.[2]

Rotterdamse Courant, 1. September 1772.
Rotterdamse Courant, 1. September 1772. [5]

Am 1. September 1772 wird im Rotterdamse Courant bekannt gegebn, daß Johan Hendrik Adolph Doetsch „allerbest Oranje Water, dat zeer goed by een glas Wyn en voor de gezondheit is“ – „allerbestes Orangenwasser, das sehr gut zu einem Glas Wein und für die Gesundheit ist“ – erhätltich ist. [5]

Amsterdamse Courant, 5. August 1786.
Amsterdamse Courant, 5. August 1786. [3]

Am 5. August 1786 werden im Amsterdams Courant „18 Flessen Oranje-Water“, also „18 Flaschen Orangenwasser“ zum Verkauf angeboten.[3]

1795 wird geschrieben: „GEIST AUS ORANGENSCHALEN. Nimm geschredderte Orangeschalen, zwei Pfund. Gewöhnlichen Branntwein, vier Pfund. Laß es zwei Tage ziehen und destilliere es. Auf dieselbe Weise bereitet man den GEIST VON ZITRONENSCHALEN zu.[12-75]

Anonymus: De nieuwe Amsterdamsche apothek. 1795, Seite 75.
Anonymus: De nieuwe Amsterdamsche apothek. 1795, Seite 75. [12-75]

– „GEEST VAN ORANJE-SCHILLEN. Neem versche Oranje-schillen, twee pond, Gemeenen Brandewyn, vier pond. Trek het twee dagen, en haal het over. Op dezelfde wyze bereidt men GEEST VAN CITROEN-SCHILLEN.[12-75]

England

„The compleat distiller“, ein englisches Buch aus dem Jahr 1705, in der 2. Auflage erschienen, schreibt:

W.Y-Worth: The compleat distiller. 1705, Seite 74-75.
W.Y-Worth: The compleat distiller. 1705, Seite 74-75. [24-74] [24-75]

„Aqua Limoniarum aut Aurantiorum, Limon, or, Orange Water. Composition the greater. Distiller. Take of good Proof Spirits sixteen gallons, Limon or Orange Pills dry, three pound, Aniseeds the best one pound, nine ounces, five drachms, bruise the Pills and Seeds, and then distill into fine Spirit, and dulcifie with white Sugar eight pound. [Addition] Caraway seeds six ounces, four drachms, Aniseeds, Limon Pills dry, ana. one pound and a half, five drachms, grains six, white Sugar four pound: In the like manner and quantity you may make your Composition with Orange Pills dry. Composition the lesser. Take of good Proof Spirit three gallons, Limon or Orange pills dry, nine ounces, Aniseeds the best four ounces, eight drachms; bruise the pills and seeds, and then distill into fine Spirit, Secundum Artem , dulcifie with white Sugar one pound and a half. [Addition] Carawaysees one ounce, three drachms, grains fifteen; Aniseeds, Limon pills dry, ana. four ounces, seven drachms, white Sugar twelve ounces: In the like manner, and quantity you may make your Composition with Orange pills dry.[24-74] [24-75]

Im Jahr 1707 wurde geschrieben: „Orangenwasser wird auf die folgende Weise hergestellt: Man nehme die gelbe Schale von einem halben Hundert der besten frischen und gut gefärbten Orangen, lasse sie vier oder fünf Tage in drei Quarts Sack und zwei Quarts Nantes-Brandy ziehen; man gebe ein Pfund Hutzucker dazu, um es zu süßen.[23-317]

J. Pechey: The compleat herbal of physical plants. 1707, Seite 317.
J. Pechey: The compleat herbal of physical plants. 1707, Seite 317. [23-317]

– „Orange water is made in the following manner: Take of the yellow Peel of half an Hundred of the best fresh and well-colour’d Oranges, infuse them four or five Days in three Quarts of Sack and two Quarts of Nants-Brandy; put a Pound of Loaf-Sugar into it to sweeten it.[23-317]

Dies ist ein Beispiel für ein Rezept, in dem nicht destilliert wird, sondern die Schale nur mazeriert wird, hier in einer Mischung aus Sherry und Branntwein.

Mary Kettilby schreibt im Jahr 1714: „Ein Cordial Orangen-Wasser. Nimm drei Quarts guten Branntwein, und die Rinde von anderthalb Dutzend Orangen, schneide sie sehr dünn, daß nichts von dem Weißen hineingeht, lass sie drei Tage und Nächte dicht verschlossen in dem Branntwein ziehen; dann nimm fünf Pinten gutes Wasser, und anderthalb Pfund doppelt raffinierten Zucker; Koche diesen Sirup eine halbe Stunde und schäume ihn ab, wenn er aufsteigt; dann seihe ihn durch einen Gewebebeutel ab und lasse ihn stehen, bis er kalt ist; dann mische ihn mit dem Branntwein, der zuerst von den Schalen abgegossen und abgesetzt werden muss: Zum Gebrauch aufbewahren.[22-117] [22-118]

Mary Kettilby: A collection of above three hundred receipts in cookery, physick and surgery. 1714, Seite 117-118.
Mary Kettilby: A collection of above three hundred receipts in cookery, physick and surgery. 1714, Seite 117-118. [22-117] [22-118]

– „A Cordial Orange-Water. TAKE three quarts of good Brandy, and the Rinds of a dozen and a half of Oranges, pare them very thin, that none of the White go in, let them steep in the Brandy three Days and Nights close stopt; then take five pints of Fair-Water, and a pound and a half of double-refin’d Sugar; Boil this Syrop half an Hour, and scum it as any rises; then strain it through a Jelly-bag, and let it stand ’till cold; then mix it with the Brandy, which must be first pour’d from the Peels, and settled: Keep it for Use.[22-117] [22-118]

Ein englisches Buch aus dem Jahr 1725 beschreibt, wie man Orangenwasser zubereitet. „Zitronen- oder Orangenwasser.  20 Gallonen rektifizierte Spirituosen … 6 Pfund Zitronen- oder Orangenschalen getrocknet … 7 Pfund Zucker … Anleitung für Orangen-Wasser, &c. Zitronenwasser ist nicht annähernd so gefragt wie Orangenwasser, noch ist es so angenehm oder dankbar für den Gaumen wie Orange: sie sind nicht viel bekannt, oder in dem Land verwendet: aber der angenehme Geschmack oder das Aroma davon, wird es viel bevorzugter als den doppelten oder einfachen Anis machen. Nelke, Angelika, oder solche Waren: Ich meine die Orange, besonders die doppelte Orange, die viel teurer verkauft wird als andere derartige Waren; nur um beim Käufer die Meinung zu erwecken, daß sie eine reichere und wertvollere Ware sei: und um so mehr, um ihren Ruf aufrechtzuerhalten, wie auch die Verlockung eines größeren Gewinns dadurch. Die Häute oder Schalen müssen alle von den Sevil- und keine von den China-Orangen sein; und sie müssen sehr trocken gehalten werden, oder sie werden feucht und faulig, und nicht brauchbar sein. Wenn Ihr grüne Orangenschalen kauft oder beschafft, sollt Ihr sie in einer trockenen Kammer sehr dünn ausbreiten und oft wenden, und sie nicht zum Gebrauch bereitstellen, bis sie sehr gut getrocknet sind.[4-28] [4-29]

G. Smith: A Compleat Body of Distilling. 1725, Seite 28-29.
G. Smith: A Compleat Body of Distilling. 1725, Seite 28-29. [4-28] [4-29]

– „Lemon or Orange-water. 20 gallons of rectify’d Spirits … 6 pounds of Lemon or Orange-peels dry’d … 7 pounds of Sugar … Directions for Orange-water, &c. Lemon-water is not near so much in request as Orange-water, nor indeed is it so pleasant or grateful to the palate as Orange: they are not much known, or used in the country: but the agreeable relish, or flavour thereof, will make it much preferable to the double or single Anniseed. Clove, Angelica, or such like goods: I mean Orange, especially double Orange, which is sold much dearer than other such like goods; purely to get an opinion in the buyer, that it is a more rich and valuable Commodity: and the more to keep up its reputation, as well as the temptation of a greater profit thereby. The skins or peels muft be all of the Sevil, and none of the China Oranges; and muft be kept very dry, or they will grow damp and putre- fy’d, and not fit to be used. If you buy or procure green Orange-peel, you muft spread it very thin in a dry chamber, and turn it oft, and not put it by for use, ’till exceedingly well dry’d.“ [4-28] [4-29]

Ein weiteres englisches Rezept erscheint 1746 und lautet: „AQUA CORTICUM AURANTIORUM SPIRITUOSA, Das GEISTIGE WASSER der ORANGENSCHALEN. Man nehme von der äußeren gelben Schale frischer Sevilla-Orangen ein halbes Pfund, von Spiritus eine Gallone, von Wasser so viel, dass es nicht verbrennt. Destilliere eine Gallone ab.[8-244]

H. Pemberton: The dispensatory of the Royal College of Physicians, London. 1746, Seite 244.
H. Pemberton: The dispensatory of the Royal College of Physicians, London. 1746, Seite 244. [8-244]

– „AQUA CORTICUM AURANTIORUM SPIRITUOSA, The SPIRITUOUS WATER of ORANGE-PEEL. Take of the outer yellow rind of fresh Seville oranges half a pound, of proof spirit a gallon, of water as much, as is sufficient to avoid burning. Distill off a gallon.[8-244]

Fazit

1774 beschreibt Georg Krünitz detailreich die Pomeranze und die daraus gewonnenen Produkte. Er schreibt: »Pomeranzen= Aquavit, Pomeranzen= oder Orange- Wasser, Lat. Aqua, oder Aqua vitae Aurantiorum, s. Corticum aurantiorum, Fr. Eau d‘ Orange, kann auf gar verschiedene Art gemacht werden.« Interessanterweise kennt auch er die Bezeichnung Curaçao noch nicht. Dies ist ein Hinweis darauf, dass der Begriff erst später in Verwendung kam. Er beschreibt verschiedene Rezepte. Das Grundrezept ist immer gleich. Pomeranzenschale wird in Branntwein mazeriert. Dann kann man optional destillieren oder die Schale einfach nur abseihen und Zucker hinzugeben. Optional kann man auch verschiedene Gewürze verwenden.

In den Niederlanden finden sich Zeitungsanzeigen für Orangenwasser (Oranje Water) und Rezepturen, die den von uns genannten aus dem 17. Jahrhundert ähneln. Auch in England wird nach wie vor Orangenwasser (Aqua Aurantiorum) hergestellt.

Es finden sich also zahlreiche Rezepte, die einem mazerierten oder destillierten, gesüßten oder ungesüßten, gewürzten oder ungewürzten Curaçao späterer Zeiten entsprechen. Wir sehen also, dass der Curaçao, der um 1800 auftaucht, nichts Neuartiges ist. Lediglich der Name scheint wirklich neu zu sein.

Schlußfolgerung

Nun, am Ende dieser Serie, wollen wir Euch natürlich eine Empfehlung an die Hand geben. Wir haben festgestellt, daß ein Curaçao ursprünglich und auch noch im 19. Jahrhundert hergestellt wurde, indem man Pomeranzenschale mazerierte, dann optional destillierte und optional Zucker hinzugab. Der Curaçao wurde zwar auch – aber nicht immer – gefärbt, was aber keine Auswirkung auf den Geschmack hat. Ursprünglich wurden eher keine Gewürze verwendet, das scheint erst in jüngeren Rezepturen Mode geworden zu sein. Dieses zugrunde gelegt wird klar, welches Produkt man in alten Rezepten – und warum auch nicht in modernen – einsetzen sollte, wenn ein Curaçao verlangt wird: Ein Pomeranzengeist. Gegebenenfalls muß man die Rezeptur leicht anpassen und noch etwas Zuckersirup hinzufügen. Wir haben damit begonnen, es so zu halten und sind mit dem Ergebnis mehr als zufrieden.

Quellen
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Hallo, ich bin Armin, und in meiner Freizeit als Blogger, freier Journalist und Bildungstrinker möchte ich die Barkultur fördern. Mein Schwerpunkt liegt auf der Recherche zur Geschichte der Mischgetränke. Falls ich einmal eine Dir bekannte Quelle nicht berücksichtigt habe, und Du der Meinung bist, diese müsse berücksichtigt werden, freue ich mich schon darauf, diese von Dir zu erfahren, um etwas Neues zu lernen.