In diesem Teil beschäftigen wir uns mit den Rezepten für Curaçao. Welche wurden von Pierre Duplais im Jahr 1855 veröffentlicht und wie wurde Curaçao anderen Autoren zufolge hergestellt?
Bei der Beschreibung der Curaçao-Rezepte verfahren wir nun etwas anders als gewohnt, denn wir weichen von der chronologischen Sortierung ab. Wir beginnen stattdessen mit den Angaben von Pierre Duplais aus dem Jahr 1855. Nachdem wir uns ein Bild davon verschafft haben, wie seiner Meinung nach ein Curaçao herzustellen sei, blicken wir zurück in die Vergangenheit und stellen uns die Frage, wie man diese Spirituose zuvor herstellte und wie weit seine Wurzeln reichen.
1855 Pierre Duplais
Pierre Duplais schrieb ein wichtiges und bedeutendes Buch über die Destillation und die Zubereitungen von Likören. Es erschien im Jahr 1855 unter dem Titel „Lehrbuch über Liköre und die Destillation von Spirituosen; oder, Der moderne Likörist und Destillateur“: „Traité des liqueurs, et de la distillation des alcools; ou, Le liquoriste et le distillateur modernes“. Pierre Duplais macht in seinem Destillierbuch umfangreiche Angaben zur Herstellung von Curaçao, von denen er zahlreiche Varianten kennt. Was weiß er uns zu berichten?
Färbung
Auf die verschiedenen Stoffe, die Pierre Duplais zur Färbung der Liköre verwendet, es sind dies rot, gelb, karamell und blau, [1-201][1-202][1-203][1-204][1-205][1-206][1-207] gehen wir nicht näher ein, denn für diesen Beitrag sollen die bereits gemachten Aussagen zur Färbung genügen. Speziell für Curaçao jedoch macht er diese Angaben: Die Färbung für einen ›Curaçao demi-fin‹ gewinnt er aus Brasil- und Pernambukholz und beschreibt detailliert die Herstellung derselben. [1-207] Für die Färbung des ›Curaçao surfin‹ verwendet er nur Pernambukholz. Er schreibt, man solle Kaliumkarbonat einsetzen, da dadurch die Farbe besser aus dem Holz gelöst werde. Da die Färbung dadurch aber zu einem violetten Rot werde, solle man zusätzlich Weinstein hinzugeben, um sie ins Dunkelrote zu korrigieren. [1-207][1-208] Auch Blauholz könne zum Färben eines Curaçaos verwendet werden, wenn auch diese Substanz bei den Likörmachern wenig bekannt sei. [1-208]
Angaben zum Alkoholgehalt
Pierre Duplais schreibt nicht von vol% sondern benennt den Alkoholgehalt mit Grad (°). Es gab früher verschiedene Grad-Einheiten:
Das Grad Stoppani, benannt nach dem deutschen Instrumentenbauer Franz Nikolaus Stoppani und seinem Bruder, wurde vor allem in Deutschland für die Bestimmung des Alkoholgehalts genutzt. [2][4]
Das Grad Tralles, benannt nach dem deutschen Physiker Johann Georg Tralles, wurde vor allem in Deutschland für die Bestimmung des Alkoholgehalts genutzt. [2][5]
Das Grad Sikes, benannt nach dem britischen Erfinder Bartholomew Sikes, wurde in Großbritannien bis 1980 für die Bestimmung des Alkoholgehalts genutzt. [2][6]
Das Grad Gay-Lussac, benannt nach dem französischen Physiker Joseph Louis Gay-Lussac, wurde vor allem in Frankreich für die Bestimmung des Alkoholgehalts genutzt. [2][7]
Das Grad Gay-Lussac wird dasjenige sein, das von Pierre Duplais verwendet wurde. Es entspricht den heute üblichen Volumenprozenten mit einer zu vernachlässigen Ungenauigkeit. [7]
Dieses vorausgeschickt, können wir uns nun den Rezepten des Pierre Duplais zuwenden.
Vorstufen
Bei der Produktion eines Curaçaos setzt Pierre Duplais Vorprodukte ein. Dies sind die folgenden:
Esprit de curaçao ordinaire:
7,5 kg gewöhnliche Pomeranzenschalen,
2,5 kg getrocknete Orangenschalen,
60 l Alkohol zu 85°,
destilliert und rektifiziert, ergibt 50 l. [1-228]
8 bis 10 Tage ziehen lassen, abseihen und filtern. [1-232]
Darüber hinaus setzt er eine „essence de Portugal“ ein, worunter er das Öl von Orangen versteht; [1-441] „essence de girofle“, was Nelkenöl sein dürfte; [1-122] „essence de curaçao destilée“, worunter man wohl Bitterorangenöl verstehen muß, und zwar keinesfalls von echten Curaçao-Orangen, sondern von Pomeranzen aus Italien, Portugal oder Frankreich; [1-132] und „esprit d’oranges“, ein Orangendestillat. [1-227]
Wenden wir uns nun den Curaçao-Rezepturen seines Buches zu. Wir wollen sie jedoch nicht detailliert zitieren. Wir begnügen uns damit, sie zusammenfassend darzustellen. Pierre Duplais typisiert die Liköre wie folgt:
Liqueures ordinaire
Die „gewöhnlichen Liköre“, denn das bedeutet „liqueures ordinaire“, bestehen aus
gefärbt mit couleur de curaçao demi-fin und, wenn die Färbung zu rot ist, ein paar Tropfen Weinsäure, um den Likör wieder bernsteinfarben machen. Wenn nötig, ein wenig Karamell hinzugeben, um dem Farbton mehr Körper zu verleihen. [1-269]
es fehlt im Rezept wohl noch die notwendige Menge an Zucker.
Liqueures fines
„Feine Liköre“bestehen aus gleicher Menge Alkohol und Zucker, den Curaçao ausgenommen. Einige Produzenten variieren die Zuckermenge. Sie enthalten je nach Verkaufspreis 370 g/l, Pierre Duplais schlägt jedoch 437,5 g vor: [1-273]
gefärbt mit 4 l couleur pour curaçao surfin. Mit ein paar Tropfen Weinsäure bringt man die Färbung wieder auf Bernstein. Falls für die Färbung Blauholz verwendet wird, gibt man 4 l Alkohol zu 85° hinzu. [1-274]
es fehlt im Rezept wohl noch die notwendige Menge an Zucker.
Liqueures surfines
„Extrafeine Liköre“ werden in drei Typen unterteilt: französische (françaises), ausländische (étrangères) und von den Inseln (des îles). [1-280] Die Insel-Liköre werden wie folgt beschrieben: „Die Liköre der Inseln haben seit mehr als einem Jahrhundert einen außerordentlichen Ruf erworben, der auf die Sanftheit des Duftes, die Weichheit des Geschmacks und die Samtigkeit zurückzuführen ist, die sie auszeichnen. … Die meisten Inselliköre, die aus Martinique, Guadeloupe oder Barbados stammen, werden mit Aromaten aus den Pflanzen dieser Länder zubereitet … . Die Liköre der Inseln werden auf die gleiche Weise zubereitet wie die französischen Surfines-Liköre: die Proportionen von Alkohol und Zucker sind unveränderlich, nämlich: 40 Liter rektifizierter aromatischer Geist und 56 Kilo Zucker.“ [1-303][1-304]
– „Les liqueurs des îles, depuis plus d’un siècle, ont acquis une renommée extraordinaire due à la suavité de parfum, à la finesse de goût et au velouté qui les distinguent. … La plupart des liqueurs des îles, qui viennent de la Martinique, de la Guadeloupe ou des Barbades, sont préparées avec des aromates tirés des végétaux de ces pays … . Les liqueurs des iles se préparent de la même manière que les liqueurs surfines françaises: les proportions d’alcool et de sucre sont invariables, savoir: 40 litres d’esprit parfumé rectifié, et 56 kilos de sucre.“ [1-303][1-304]
Ein solcher Likör besteht im allgemeinen aus 562,5 g Zucker pro Liter (22° auf der Sirupskala). Manche Liköristen süßen nur bis 500 g (20° auf der Sirupskala). [1-280]
Ein Curaçao dieses Typs besteht aus
5 kg Schalen von curaçao de Hollande
Schale von 80 frischen Orangen
54 l Alkohol zu 85°
Wasser
Daraus ergeben sich destilliert und rektifiziert 36 l. Diesem fügt man hinzu:
56 kg Zucker, in 22 kg Wasser gelöst,
gefärbt wird mit 4 l couleur alcoolique, 30 cl infusion d’curaçao; diese beiden werden mit Wasser auf 100 l aufgefüllt. Der Curaçao sollte bernsteinfarben sein, dies wird durch die Zugabe von Weinsäure erreicht. Falls eine Färbung aus Blauholz verwendet wird, gibt man 4 l Alkohol zu 85° hinzu. [1-289]
Pierre Duplais schreibt: „Oft erscheint Curaçao, obwohl er durch ein kleines Glas betrachtet klar ist, von oben betrachtet trübe; dieser Effekt, bedingt durch ein Übermaß an Farbe, wird von manchen Menschen gewünscht. Der curaçao surfin wird manchmal mit Wasser eingenommen: Er wird durch die Zugabe von Wasser rosa. Die Verwandlung der Farbe überrascht und bezaubert das Publikum, das es fälschlicherweise für einen Qualitätsbeweis hält. Die infusion de curaçao wird verwendet, um dem Likör eine leichte Orangenbitterkeit zu verleihen; die angegebene Menge kann je nach Stärke der Infusion oder nach den Wünschen des Herstellers erhöht oder verringert werden.“ Wenn man auf eine Färbung verzichtet, erhält man weißen Curaço. [1-289][1-290]
– „Souvent le curaçao, quoique très-limpide lorsqu’on le regarde à travers un petit verre, parait trouble en le regardant en dessus; cet effet, dû à un excès de couleur, est demandé par quelques personnes. Le curaçao surfin se prend quelquefois avec de l’eau: il devient rose par l’addition de cette dernière. La transformation de couleur étonne et charme le public, qui la regarde bien à tort comme une preuve de qualité. L’infusion de curaçao s’emploie pour donner à la liqueur une légère amertume d’orange; la quantité indiquée peut être augmentée ou diminuée suivant la force de cette infusion ou le gré du fabricant. … Le curaçao blanc se prépare de la même manière, en remplaçant seulement la couleur alcoolique par une même quantité d’esprit 3/6.“ [1-289][1-290]
Bei ausländischen Likören, so Pierre Dublais, seien die Proportionen der Zutaten nicht festgelegt. [1-311] Ein ausländischer „Curaçao de Hollande“ besteht für ihn aus
8 kg Schalen von curaçao de Hollande,
Schale von 80 frischen Orangen,
54 l Alkohol zu 85°,
Weiter zubereitet wie für liqueures surfin beschrieben. Zu den 36 l Destillat fügt man hinzu:
Für Pierre Duplais ist Curaçao also allgemein gesprochen ein Likör, der aus destillierten Orangen- und Pomeranzenschalen, Zucker, Alkohol und Wasser besteht. Er gibt alternativ die Möglichkeit an, diesen nur mit zuvor gewonnenen Ölen zuzubereiten, und verwendet nur dann Nelkenöl als zusätzliches Gewürz.
Curaçao-Rezepte vor 1855
Nachdem wir nun also herausgearbeitet haben, was für Pierre Duplais ein Curaçao-Likör ist, und er uns darüber aufgeklärt hat, daß Curaçao am Anfang des 18. Jahrhunderts in Amsterdam entstand, sollten wir uns die Frage stellen, wie die vor ihm erschienenen Rezepte für Curaçao aussahen. Wir haben zwar allgemeine Hinweise gefunden, daß man für solch einen Likör Curaçao-Orangenschalen verwendet, wie wir gezeigt haben sind dies Pomeranzenschalen, die in der Regel nicht von Curaçao stammten, aber über die übrigen Zutaten schweigt man sich aus. Allerdings wird dies vermutlich nicht geschehen sein, weil etwas auszulassen wäre, sondern weil diese Schalen neben Alkohol, Wasser und Zucker die einzige Zutat war. Dies ließen bereits die Rezepte von Pierre Duplais vermuten, und auch das einzige ältere Rezept, das wir finden konnten, spricht davon.
1817 erscheint ein Rezept für Curaçao: „Curaçao. (No. 474.) Man gieße eine halbe Pinte kochendes Wasser auf drei Unzen fein geschnittene, getrocknete und in einem Marmormörser zerstoßene Sevilla-Orangenschale; verschließe es: wenn es kalt ist, füge man einen Quart Brandy hinzu; lasse es vierzehn Tage ziehen: dekantiere es klar, und füge eine viertel Pinte geklärten Zucker hinzu; um diesen zuzubereiten, siehe das nächste Rezept. Beobachtung. — Dies ist die beste Art, diesen besten aller Liköre herzustellen, der nicht nur ein angenehmes Getränk ist, sondern ein wesentlicher Freund des Magens.“ [8-#474]
– „Curaçao. (No. 474.) Pour half a pint of boiling water on three ounces of fine thin cut Seville orange-peel that has been dried and pounded in a marble mortar; stop it [cl]ose: when it is cold, add to it a quart of brandy; let it steep fourteen days: decant it clear, and add to it a quarter pint of clarified sugar; to prepare which, see the next receipt. Obs . — This is the best way of making this best of liqueurs, which is not merely an agreeable cordial, but an essential friend to the stomach.“ [8-#474]
Bei diesem Rezept stellt sich die Frage, welche Basisspirituose gemeint war. Als Brandy bezeichnet man im Englischen sowohl Cognac und Weinbrand als auch Branntwein im Allgemeinen. Im Englischen scheint es jedoch anders als im Deutschen nicht den Sprachgebrauch zu geben, als Branntwein alle durch Destillation hergestellten Spirituosen zu bezeichnen, [9] sondern nur die aus Weintrauben oder einer anderen Frucht hergestellten, also Weinbrand und Obstbrand. [10] Meinte man hier also einen Weinbrand? Pierre Duplais jedenfalls scheint diesen nicht verwendet zu haben.
Die Verwendung von Curaçao-Schalen vor 1855
Wenn nun Curaçao ein Likör war, der nur mit den bitteren Schalen von Pomeranzen – und später bei Pierre Duplais zusätzlich mit Schalen der süßen Orangen – hergestellt wurde, und dies allgemein bekannt war, so braucht man natürlich keine konkreten Rezepte als zusätzlichen Beleg finden.
Wir hatten uns zuvor damit beschäftigt, welche Orangenschalen als Curaçao-Schalen verkauft wurden, wann eine Spirituose namens Curaçao erstmals erwähnt wurde, wie gefärbt wurde und schließlich welche konkreten Rezepte es bis 1855 gab. Werden wir nun also etwas allgemeiner und schauen, was sonst noch über den Einsatz der Curaçao-Orangen zwischen 1720 – unsere älteste Erwähnung von Curaçao-Orangen – und 1855 – dem Erscheinen von Pierre Duplais‘ Buch – zu finden ist.
Erinnern wir uns also zunächst noch einmal an den ältesten Beleg aus dem Jahr 1720. Dort stand geschrieben: „CURAÇAOS oder CURASSOUWSE-Äpfel, Orangenäpfel von Curaςao. Branntwein auf Schalen von Curacao-Äpfeln oder auf Orangenschalen. Eau de vie auf Curassau-Orangenschalen. CURASSOUWS-VAARDER [CURAÇAO-FAHRER] Schiff oder Kapitän, die nach Curaçao fahren.“ [3-173] Weiter hinten im Werk wurde angegeben: „Branntwein auf Orangenschalen, auf Schalen von Curaçao-Äpfeln von eau de vie, in welches man die Schale der Orange von Curaçao eingeweicht hat.“ [3-689]
Dieser Definition zufolge mazerierte man also bereits 1720 Curaçao-Orangenschalen in Branntwein. Leider wird nicht klar ersichtlich, welche Art von Branntwein gemeint ist. Ist es ein Korn-Brand oder ein Wein-Brand? Heute bezeichnet man als Branntwein allgemein alle durch Destillation hergestellten Spirituosen. Die ursprüngliche Bedeutung, „gebrannter Wein“ wird meist als Weinbrand bezeichnet. [9] Allerdings könnte uns der zugehörige Lexikoneintrag zum Branntwein helfen. Das Lexikon definiert nämlich, Brandewyn sei ein Destillat aus Wein: „BRANDEWYN, m. Uittreksel, geest van de uitgebrande wyn. De l’eau de vie.f. Du Brandevin. m.“ [3-141] Ein Korn-Brenner ist jemand, der einen eau de vie de grain destilliert: „BRANDER, KOORNBRANDER. Een die een Brandery op heeft. Un distillateur d’eau de vie de grain.“ [3-141] Bedeutet das nun, daß für den Curaçao ein Weinbrand verwendet wurde, gar faßgereift wie beispielsweise Cognac oder Armagnac? Man darf vermuten, daß es ein Weinbrand war, denn das Lexikon spricht im Zusammenhang mit dem Curaçao eindeutig von „Brandewyn“, nicht von „eau de vie de grain“.
In den Niederlanden wurde bereits Mitte des 13. Jahrhunderts aus Wein ein Weinbrand destilliert. Den dafür benötigten Wein importierten sie. Später brachten sie ihre Destillierapparate in die Cognac-Region, damit dort vor Ort Weinbrand für den Export in die Niederlande produziert werden konnte. [11-184][29-169]
Zur Destillation von Getreide läßt sich sagen, daß deutsche Destillateure bereits 1507 damit begonnen hatten, Getreide zu destillieren; dies wurde in einigen Städten bereits 1530 verboten. Bis 1588 waren auch die holländischen Destillateure dazu übergegangen, ihren Genever nicht mehr aus französischem Wein, sondern aus Gerste und Roggen zu destillieren. [11-764]
Über die Mazerierung der Schalen berichtet auch ein weiterer Fund aus dem Jahr 1841. P.-H. Lepage schreibt: „Vor einiger Zeit mußte ich eine sehr konzentrierte Tinktur aus Bitterorangenschalen (curaçao de Hollande) herstellen: etwa sechs Wochen nachdem die Tinktur filtriert worden war, bemerkte ich eine beträchtliche Ablagerung von kleinen, hügeligen, fast weißen Kristallen an den Wänden der Flasche, die sie enthielt.“ [12-583]
– „Ayant eu besoin, il y a quelque temps, de préparer une teinture trés concentrée d’écorces d’oranges amàres (curaçao de Hollande): six semaines environ après que la teinture fut filtrée, je remarquai sur les parois du flacon qui la renfermait, un dépôt assez considérable de petits cristaux mamelonnés et presque blanc.“ [12-583]
Leider ist dieser Text nicht eindeutig. Wir hatten bereits dargelegt, daß man unter Curaçao und auch unter Curaçao de Hollande sowohl Schalen als auch Likör verstehen kann, weshalb es hier nicht ganz klar ist, ob mit dieser Bezeichnung die Bitterorangenschalen oder die Tinktur gemeint war. Wir vermuten jedoch, daß für einen Curaçao-Likör ursprünglich nicht unbedingt eine Destillation erforderlich war, sondern daß einfaches Mazerieren ausreichte; die Destillation dient gewissermaßen nur der „Verfeinerung“ des Produkts. Dafür spricht auch das bei Jerry Thomas im Jahr 1862 im Anhang gegebene Rezept für Curaçao de Hollande. [13-143] Dort wird nur mazeriert, nicht destilliert.
Curaçao-Rezepte nach 1855
Pierre Duplais gibt im Jahr 1855 viele Varianten für einen Curaçao an. Das ist nicht ungewöhnlich, denn im Jahr 1864 berichtet ein englisches Buch darüber, daß es zahlreiche Varianten des Curaçaos gäbe: „CURAÇOA hat seinen Namen von der Orangenschale, die in seiner Herstellung verwendet wird und die von der Insel Curaçoa in Südamerika stammt. Man sagt, es gäbe fünfzig Sorten und Qualitäten dieses Likörs. Der beste wird in Holland hergestellt.“ [14-276]
– „CURAÇOA Takes its name from the orange peel which is used in its composition, and which is obtained from the island of Curaçoa in South America. It is said there are fifty sorts and qualities of this Liqueur. The best is manufactured in Holland.“ [14-276]
Was besagen nun die Curaçao-Rezepte, die nach 1855 publiziert worden sind? Unterscheiden sie sich wesentlich von den Angaben, die Pierre Duplais gemacht hat?
Man kann feststellen, daß zusätzliche Gewürze ins Spiel kommen. Einem amerikanischen Buch zufolge, 1863 erschienen, kann man Curaçao auch ohne Destillation herstellen und mit Zimt, Nelke und Muskat würzen: „Curaçao d’Hollande. (20 Gallonen.) 2 Pfund Curaçoa Orangenschalen, 1/2 [Pfund] Ceylon-Zimt. Lasse sie in Wasser einweichen; koche sie 5 Minuten lang mit dem Saft von 32 Orangen und 14 Gallonen weißem, einfachem Sirup; füge dann 6 Gallonen Alkohol, 95 Prozent, hinzu; seihe ab, filtere; färbe dunkelgelb mit Zuckerfarbe. (Siehe Seite 59.) Dieses Rezept ergibt einen herrlichen Curaçao.“ [15-194] „Curaçao. (40 Gallonen.) 2 oz. Essenz von Bitterorangen, 2 [Unzen Essenz von] Neroli, 1/4 [Unzen Essenz von] Zimt, 3 Drachmen Muskatblüte, in Alkohol eingelegt. Löse die obigen Essenzen in 1 Gallone Alkohol, 95 Prozent, auf und gib sie in ein sauberes Fass. 13 Gallonen Alkohol, 85 Prozent, 26 Gallonen Zuckersirup, 30 Grad, Baume, und füge hinzu: 1 Gallone parfümierten Alkohol, wie oben. – 40 Liter. Färbe mit Safran oder Kurkuma. (Siehe „Färben von Weinen“.)“ [15-194]
– „Curaçao d’Hollande. (20 gallons.) 2 lbs. of Curaçoa orange peel, 1/2 [lbs. of] Ceylon cinnamon. Let them soak in water; boil them for 5 minutes with the juice of 32 oranges and 14 gallons of white plain syrup; then add 6 gallons of alcohol, 95 per cent; strain, filter; color dark yellow with sugar coloring. (See page 59.) This recipe will make a splendid curaçao.“ [15-194] „Curaçao. (40 gallons.) 2 oz. essence of bitter oranges, 2 [oz. essence of] neroly, 1/4 [oz. essence of] cinnamon, 3 drachms mace, infused in alcohol. Dissolve the above essences in one gal. alcohol, 95 per cent, then put in a clean barrel. 13 gals, alcohol, 85 per cent, 26 [gals.] sugar syrup, 30 degrees, Baume, and add: 1 [gals.] perfumed spirit, as above. – 40 gals. Color with saffron or turmeric. (See „Coloring for Wines.“)“ [15-194]
Wir zitieren nun nicht mehr aus den anderen Büchern, die ein Rezept für einen Curaçao beinhalten, da sich daraus an dieser Stelle kein Mehrwert ergibt. Wer mag, kann darin selber nachschlagen. Was vielleicht erwähnenswert sein mag, haben wir in der Aufzählung hinzugefügt:
1863 im Buch „French wine and liquor manufacturer“ („Französischer Wein- und Spirituosenhersteller“) von John Rack. [15-194][15-195]
Im 1866 erschienenen Buch „Manuel du distillateur amateur à l’usage des personnes à la campagne“ („Handbuch des Amateurbrenners zum Gebrauch für Personen auf dem Land“) von Léon André-Pontier. [16-15][16-29]
Im 1868 erschienenen Buch „Nouveau manuel complet du distillateur liquoriste“ („Neues vollständiges Handbuch des Destillateurs und Likörherstellers“) von M. F. Malpeyre. [17-259][17-260][17-260][17-261][17-312][17-313]
Im 1868 erschienenen Buch „Compendium de pharmacie pratique.“ („Kompendium der praktischen Pharmazie. “) von M. Deschamps. [18-425]
Im 1868 erschienenen Buch „Nouveau manuel complet du distillateur liquoriste“ („Neues umfassendes Handbuch des Likörbrenners“) von Lebeaud und Julia de Fontenelle. [19-312][19-313][19-314]
Im 1869 erschienenen Buch „Cooling Cups and Dainty Drinks“ („Kühlende Becher und delikate Getränke“) von William Terrington. [20-68][20-69]
Im 1875 erschienenen Buch August Gaber: „Die Liqueur-Fabrikation“ von August Gaber. Hier wird teilweise Vanille-Tinktur hinzugegeben. [28-258][28-259]
Im 1877 erschienenen Buch „Grande encyclopédie illustrée d’économie domestique“ („Große illustrierte Enzyklopädie der Hauswirtschaft “) von Jules Trousset. [21-1581]
Im 1877 erschienenen Buch „Le cuisinier des cuisiniers“ („Der Koch der Köche“). [22-535]
Im 1886 erschienenen Buch „Les cent mille recettes de la bonne cuisinière bourgeoise a la ville et a la campagne“ („Die hunderttausend Rezepte der guten bürgerlichen Köchin in Stadt und Land“) von Sophie Wattel. [24-567][24-568]
Im 1898 erschienenen Buch „The beverages we drink. Being a popular treatise on the various kinds of drinks in common use.“ („Die Getränke, die wir trinken. Eine populäre Abhandlung über die verschiedenen Arten von Getränken im allgemeinen Gebrauch.“) von N. Edwards. [25-188]
Im 1899 erschienenen Buch „The Flowing Bowl“ („Die fließende Schale“) von Edward Spencer. [26-193]
Im 1921 erschienenen Buch „Il Liquorista – Duemila ricette e procedimenti pratici per la composizione e fabricazione dei liquori.“ („Der Likörist – Zweitausend Rezepte und praktische Verfahren für die Zusammensetzung und Herstellung von Likören.“) von A. Castoldi. [27-246][27-427][27-465][27-466][27-518][27-532][27-690] – Hier verwendet man auch Milch als Zutat, Himbeerwasser, Rosenöl, Zedernöl, Ysop, Angelicawurzeln, Kaiserwurzwurzeln, Tonkabohnen.
Die Rezepte unterscheiden sich wenig von Pierre Duplais‘ Angaben. Curaçao kann destilliert werden oder auch nicht. Was manchmal hinzukommt, sind verschiedene würzende und aromatisierende Ingredienzien.
Fazit
Fassen wir noch einmal unsere Erkenntnisse aus der Analyse von Pierre Duplais‘ Buch aus dem Jahr 1855 zusammen. Für ihn ist Curaçao ein Likör, der aus destillierten Orangen- und Pomeranzenschalen, Zucker, Alkohol und Wasser besteht. Er gibt alternativ die Möglichkeit an, diesen nur mit zuvor gewonnenen Ölen zuzubereiten, und verwendet nur dann Nelkenöl als zusätzliches Gewürz.
In den Jahren zuvor – Anfang des 19. Jahrhunderts – haben wir keine Quellen gefunden, denen zufolge zusätzliche Gewürze hinzugefügt wurden. Für einen Curaçao reichte es, die Pomeranzenschalen zu mazerieren. Eine Destillation war nicht erforderlich.
Auch die nach 1855 erschienenen Rezepte zeigen keine wesentlichen Abweichungen. Curaçao wird durch Mazeration von Pomeranzenschalen hergestellt, Zucker und Wasser wird zugegeben. Gewürze sind nicht zwingend; wenn jedoch Gewürze hinzugegeben werden, so ist dies nicht mehr nur die Nelke; es werden auch andere würzende und aromatisierende Zutaten genannt.
Die überlieferten Rezepte sind jüngeren Datums, denn wir haben Rezepte für einen „Curacao“ genannten Likör erstmalig in Schriften aus dem 19. Jahrhundert gefunden. Gleichwohl stellte man schon in den Jahrhunderten zuvor etwas Ähnliches her, nur nannte man es nicht „Curacao“. Mit diesen älteren Rezepten beschäftigen wir uns im nächsten Teil dieser Serie.
Quellen
https://archive.org/details/traitdesliqueur00duplgoog P. Duplais: Traité des liqueurs et de la distillation des alcools ou le liquoriste & le distillateur modernes contenant les procédés les plus nouveaux pour la fabrication des liqueurs françaises et étrangères; fruits à l’eau-de-vie et au sucre; sirops, conserves, eaux, èsprits parfumées, vermouts et vins de liqueur; ainsi que la description complète des operations necessaires pour la distillation de tous les alcools. Tome premier. Versailes & Paris, 1855.
https://archive.org/details/b21533908/page/n363/mode/2up Anonymus: Apicius redivivus; or, the cook’s oracle: wherein especially the art of composing soups, sauces, and flavouring essences is made so clear and easy, by the quantity of each article being accurately stated by weight and measure, that every one may soon learn to dress a dinner, as well as the most experienced cook; being six hundred receipts, the result of actual experiments instituted in the kitchen of a physician, for the purpose of composing a culinary code for the rational epicure, and augmenting the alimentary enjoyment of private families; combining economy with elegance; and saving expense to housekeepers, and trouble to servants. London, 1817.
Jerry Thomas: How to Mix Drinks, Or, The Bon-vivant’s Companion, Containing Clear and Reliable Directions for Mixing All the Beverages Used in the United States, Together with the Most Popular British, French, German, Italian, Russian, and Spanish Recipes, Embracing Punches, Juleps, Cobblers, Etc., Etc., Etc., in Endless Variety. To Which is Appended a Manual For The Manufacture of Cordials, Liquors, Fancy Syrups, Etc., Etc., After the Most Approved Methods Now Used in the Destillation of Liquors and Beverages, Designed For the Special Use of Manufacturers and Dealers in Wines and Spirits, Grocers, Tavern-Keepers, and Private Families, the Same Being Adapted to the Tteade of The United States and Canadas. The Whole Containing Over 600 Valuable Recipes by Christian Schultz. New York, Dick & Fitzgerald, 1862.
https://archive.org/details/frenchwineliquor00unse/page/194/mode/2up?q=cura%C3%A7ao John Rack: French wine and liquor manufacturer. A practical guide and receipt book for the liquor merchant, being a clear and comprehensive treatise on the manufacture and imitation of brandy, rum, gin and whiskey: with practical observations and rules for the manufacture and management of all kinds of wine, by mixing, boiling, and fermentation, as practiced in Europe… New York, 1863.
https://archive.org/details/grandeencyclopedieillustreedeconomiedomestiqueetruralev1/page/n799/mode/2up?q=curacao M. Jules Trousset: Grande encyclopédie illustrée d’économie domestique et rurale grande cuisine, cuisine bourgeoise, petite cuisine des ménages, cuisines étrangères, patisserie, office, confiserie, art d’accommoder les restes, dissection, savoir-vivre, falsifications, hygiène, médecine usuelle, pharmacie domestique, art vétérinaire, herboristerie, économie rurale … phsique et chemie appliquées, connaissances usuelles, ameublement, etc. Contenant enfin toutes les connaissance indispensables de la vie practique à la ville et à la campagne et d’une application journalière. Paris [1877]
In diesem Teil beschäftigen wir uns mit den Rezepten für Curaçao. Welche wurden von Pierre Duplais im Jahr 1855 veröffentlicht und wie wurde Curaçao anderen Autoren zufolge hergestellt?
Bei der Beschreibung der Curaçao-Rezepte verfahren wir nun etwas anders als gewohnt, denn wir weichen von der chronologischen Sortierung ab. Wir beginnen stattdessen mit den Angaben von Pierre Duplais aus dem Jahr 1855. Nachdem wir uns ein Bild davon verschafft haben, wie seiner Meinung nach ein Curaçao herzustellen sei, blicken wir zurück in die Vergangenheit und stellen uns die Frage, wie man diese Spirituose zuvor herstellte und wie weit seine Wurzeln reichen.
1855 Pierre Duplais
Pierre Duplais schrieb ein wichtiges und bedeutendes Buch über die Destillation und die Zubereitungen von Likören. Es erschien im Jahr 1855 unter dem Titel „Lehrbuch über Liköre und die Destillation von Spirituosen; oder, Der moderne Likörist und Destillateur“: „Traité des liqueurs, et de la distillation des alcools; ou, Le liquoriste et le distillateur modernes“. Pierre Duplais macht in seinem Destillierbuch umfangreiche Angaben zur Herstellung von Curaçao, von denen er zahlreiche Varianten kennt. Was weiß er uns zu berichten?
Färbung
Auf die verschiedenen Stoffe, die Pierre Duplais zur Färbung der Liköre verwendet, es sind dies rot, gelb, karamell und blau, [1-201] [1-202] [1-203] [1-204] [1-205] [1-206] [1-207] gehen wir nicht näher ein, denn für diesen Beitrag sollen die bereits gemachten Aussagen zur Färbung genügen. Speziell für Curaçao jedoch macht er diese Angaben: Die Färbung für einen ›Curaçao demi-fin‹ gewinnt er aus Brasil- und Pernambukholz und beschreibt detailliert die Herstellung derselben. [1-207] Für die Färbung des ›Curaçao surfin‹ verwendet er nur Pernambukholz. Er schreibt, man solle Kaliumkarbonat einsetzen, da dadurch die Farbe besser aus dem Holz gelöst werde. Da die Färbung dadurch aber zu einem violetten Rot werde, solle man zusätzlich Weinstein hinzugeben, um sie ins Dunkelrote zu korrigieren. [1-207] [1-208] Auch Blauholz könne zum Färben eines Curaçaos verwendet werden, wenn auch diese Substanz bei den Likörmachern wenig bekannt sei. [1-208]
Angaben zum Alkoholgehalt
Pierre Duplais schreibt nicht von vol% sondern benennt den Alkoholgehalt mit Grad (°). Es gab früher verschiedene Grad-Einheiten:
Das Grad Gay-Lussac wird dasjenige sein, das von Pierre Duplais verwendet wurde. Es entspricht den heute üblichen Volumenprozenten mit einer zu vernachlässigen Ungenauigkeit. [7]
Dieses vorausgeschickt, können wir uns nun den Rezepten des Pierre Duplais zuwenden.
Vorstufen
Bei der Produktion eines Curaçaos setzt Pierre Duplais Vorprodukte ein. Dies sind die folgenden:
Esprit de curaçao ordinaire:
Esprit de curaçao de Hollande:
Infusion de curaçao:
Darüber hinaus setzt er eine „essence de Portugal“ ein, worunter er das Öl von Orangen versteht; [1-441] „essence de girofle“, was Nelkenöl sein dürfte; [1-122] „essence de curaçao destilée“, worunter man wohl Bitterorangenöl verstehen muß, und zwar keinesfalls von echten Curaçao-Orangen, sondern von Pomeranzen aus Italien, Portugal oder Frankreich; [1-132] und „esprit d’oranges“, ein Orangendestillat. [1-227]
Wenden wir uns nun den Curaçao-Rezepturen seines Buches zu. Wir wollen sie jedoch nicht detailliert zitieren. Wir begnügen uns damit, sie zusammenfassend darzustellen. Pierre Duplais typisiert die Liköre wie folgt:
Liqueures ordinaire
Die „gewöhnlichen Liköre“, denn das bedeutet „liqueures ordinaire“, bestehen aus
Dementsprechend besteht ein Curaçao dieses Typs aus
oder alternativ aus
Liqueures doubles
„Doppel-Liköre“ bestehen aus
Ein Curaçao dieses Typs besteht aus
Liqueurs demi-fines
„Halbfeine Liköre“ bestehen aus
Ein Curaçao dieses Typs besteht aus
oder alternativ aus
Liqueures fines
„Feine Liköre“bestehen aus gleicher Menge Alkohol und Zucker, den Curaçao ausgenommen. Einige Produzenten variieren die Zuckermenge. Sie enthalten je nach Verkaufspreis 370 g/l, Pierre Duplais schlägt jedoch 437,5 g vor: [1-273]
Ein Curaçao dieses Typs besteht aus
oder alternativ aus
Liqueures surfines
„Extrafeine Liköre“ werden in drei Typen unterteilt: französische (françaises), ausländische (étrangères) und von den Inseln (des îles). [1-280] Die Insel-Liköre werden wie folgt beschrieben: „Die Liköre der Inseln haben seit mehr als einem Jahrhundert einen außerordentlichen Ruf erworben, der auf die Sanftheit des Duftes, die Weichheit des Geschmacks und die Samtigkeit zurückzuführen ist, die sie auszeichnen. … Die meisten Inselliköre, die aus Martinique, Guadeloupe oder Barbados stammen, werden mit Aromaten aus den Pflanzen dieser Länder zubereitet … . Die Liköre der Inseln werden auf die gleiche Weise zubereitet wie die französischen Surfines-Liköre: die Proportionen von Alkohol und Zucker sind unveränderlich, nämlich: 40 Liter rektifizierter aromatischer Geist und 56 Kilo Zucker.“ [1-303] [1-304]
– „Les liqueurs des îles, depuis plus d’un siècle, ont acquis une renommée extraordinaire due à la suavité de parfum, à la finesse de goût et au velouté qui les distinguent. … La plupart des liqueurs des îles, qui viennent de la Martinique, de la Guadeloupe ou des Barbades, sont préparées avec des aromates tirés des végétaux de ces pays … . Les liqueurs des iles se préparent de la même manière que les liqueurs surfines françaises: les proportions d’alcool et de sucre sont invariables, savoir: 40 litres d’esprit parfumé rectifié, et 56 kilos de sucre.“ [1-303] [1-304]
Ein solcher Likör besteht im allgemeinen aus 562,5 g Zucker pro Liter (22° auf der Sirupskala). Manche Liköristen süßen nur bis 500 g (20° auf der Sirupskala). [1-280]
Ein Curaçao dieses Typs besteht aus
Pierre Duplais schreibt: „Oft erscheint Curaçao, obwohl er durch ein kleines Glas betrachtet klar ist, von oben betrachtet trübe; dieser Effekt, bedingt durch ein Übermaß an Farbe, wird von manchen Menschen gewünscht. Der curaçao surfin wird manchmal mit Wasser eingenommen: Er wird durch die Zugabe von Wasser rosa. Die Verwandlung der Farbe überrascht und bezaubert das Publikum, das es fälschlicherweise für einen Qualitätsbeweis hält. Die infusion de curaçao wird verwendet, um dem Likör eine leichte Orangenbitterkeit zu verleihen; die angegebene Menge kann je nach Stärke der Infusion oder nach den Wünschen des Herstellers erhöht oder verringert werden.“ Wenn man auf eine Färbung verzichtet, erhält man weißen Curaço. [1-289] [1-290]
– „Souvent le curaçao, quoique très-limpide lorsqu’on le regarde à travers un petit verre, parait trouble en le regardant en dessus; cet effet, dû à un excès de couleur, est demandé par quelques personnes. Le curaçao surfin se prend quelquefois avec de l’eau: il devient rose par l’addition de cette dernière. La transformation de couleur étonne et charme le public, qui la regarde bien à tort comme une preuve de qualité. L’infusion de curaçao s’emploie pour donner à la liqueur une légère amertume d’orange; la quantité indiquée peut être augmentée ou diminuée suivant la force de cette infusion ou le gré du fabricant. … Le curaçao blanc se prépare de la même manière, en remplaçant seulement la couleur alcoolique par une même quantité d’esprit 3/6.“ [1-289] [1-290]
Bei ausländischen Likören, so Pierre Dublais, seien die Proportionen der Zutaten nicht festgelegt. [1-311] Ein ausländischer „Curaçao de Hollande“ besteht für ihn aus
Zusammenfassung
Für Pierre Duplais ist Curaçao also allgemein gesprochen ein Likör, der aus destillierten Orangen- und Pomeranzenschalen, Zucker, Alkohol und Wasser besteht. Er gibt alternativ die Möglichkeit an, diesen nur mit zuvor gewonnenen Ölen zuzubereiten, und verwendet nur dann Nelkenöl als zusätzliches Gewürz.
Curaçao-Rezepte vor 1855
Nachdem wir nun also herausgearbeitet haben, was für Pierre Duplais ein Curaçao-Likör ist, und er uns darüber aufgeklärt hat, daß Curaçao am Anfang des 18. Jahrhunderts in Amsterdam entstand, sollten wir uns die Frage stellen, wie die vor ihm erschienenen Rezepte für Curaçao aussahen. Wir haben zwar allgemeine Hinweise gefunden, daß man für solch einen Likör Curaçao-Orangenschalen verwendet, wie wir gezeigt haben sind dies Pomeranzenschalen, die in der Regel nicht von Curaçao stammten, aber über die übrigen Zutaten schweigt man sich aus. Allerdings wird dies vermutlich nicht geschehen sein, weil etwas auszulassen wäre, sondern weil diese Schalen neben Alkohol, Wasser und Zucker die einzige Zutat war. Dies ließen bereits die Rezepte von Pierre Duplais vermuten, und auch das einzige ältere Rezept, das wir finden konnten, spricht davon.
1817 erscheint ein Rezept für Curaçao: „Curaçao. (No. 474.) Man gieße eine halbe Pinte kochendes Wasser auf drei Unzen fein geschnittene, getrocknete und in einem Marmormörser zerstoßene Sevilla-Orangenschale; verschließe es: wenn es kalt ist, füge man einen Quart Brandy hinzu; lasse es vierzehn Tage ziehen: dekantiere es klar, und füge eine viertel Pinte geklärten Zucker hinzu; um diesen zuzubereiten, siehe das nächste Rezept. Beobachtung. — Dies ist die beste Art, diesen besten aller Liköre herzustellen, der nicht nur ein angenehmes Getränk ist, sondern ein wesentlicher Freund des Magens.“ [8-#474]
– „Curaçao. (No. 474.) Pour half a pint of boiling water on three ounces of fine thin cut Seville orange-peel that has been dried and pounded in a marble mortar; stop it [cl]ose: when it is cold, add to it a quart of brandy; let it steep fourteen days: decant it clear, and add to it a quarter pint of clarified sugar; to prepare which, see the next receipt. Obs . — This is the best way of making this best of liqueurs, which is not merely an agreeable cordial, but an essential friend to the stomach.“ [8-#474]
Bei diesem Rezept stellt sich die Frage, welche Basisspirituose gemeint war. Als Brandy bezeichnet man im Englischen sowohl Cognac und Weinbrand als auch Branntwein im Allgemeinen. Im Englischen scheint es jedoch anders als im Deutschen nicht den Sprachgebrauch zu geben, als Branntwein alle durch Destillation hergestellten Spirituosen zu bezeichnen, [9] sondern nur die aus Weintrauben oder einer anderen Frucht hergestellten, also Weinbrand und Obstbrand. [10] Meinte man hier also einen Weinbrand? Pierre Duplais jedenfalls scheint diesen nicht verwendet zu haben.
Die Verwendung von Curaçao-Schalen vor 1855
Wenn nun Curaçao ein Likör war, der nur mit den bitteren Schalen von Pomeranzen – und später bei Pierre Duplais zusätzlich mit Schalen der süßen Orangen – hergestellt wurde, und dies allgemein bekannt war, so braucht man natürlich keine konkreten Rezepte als zusätzlichen Beleg finden.
Wir hatten uns zuvor damit beschäftigt, welche Orangenschalen als Curaçao-Schalen verkauft wurden, wann eine Spirituose namens Curaçao erstmals erwähnt wurde, wie gefärbt wurde und schließlich welche konkreten Rezepte es bis 1855 gab. Werden wir nun also etwas allgemeiner und schauen, was sonst noch über den Einsatz der Curaçao-Orangen zwischen 1720 – unsere älteste Erwähnung von Curaçao-Orangen – und 1855 – dem Erscheinen von Pierre Duplais‘ Buch – zu finden ist.
Erinnern wir uns also zunächst noch einmal an den ältesten Beleg aus dem Jahr 1720. Dort stand geschrieben: „CURAÇAOS oder CURASSOUWSE-Äpfel, Orangenäpfel von Curaςao. Branntwein auf Schalen von Curacao-Äpfeln oder auf Orangenschalen. Eau de vie auf Curassau-Orangenschalen. CURASSOUWS-VAARDER [CURAÇAO-FAHRER] Schiff oder Kapitän, die nach Curaçao fahren.“ [3-173] Weiter hinten im Werk wurde angegeben: „Branntwein auf Orangenschalen, auf Schalen von Curaçao-Äpfeln von eau de vie, in welches man die Schale der Orange von Curaçao eingeweicht hat.“ [3-689]
Dieser Definition zufolge mazerierte man also bereits 1720 Curaçao-Orangenschalen in Branntwein. Leider wird nicht klar ersichtlich, welche Art von Branntwein gemeint ist. Ist es ein Korn-Brand oder ein Wein-Brand? Heute bezeichnet man als Branntwein allgemein alle durch Destillation hergestellten Spirituosen. Die ursprüngliche Bedeutung, „gebrannter Wein“ wird meist als Weinbrand bezeichnet. [9] Allerdings könnte uns der zugehörige Lexikoneintrag zum Branntwein helfen. Das Lexikon definiert nämlich, Brandewyn sei ein Destillat aus Wein: „BRANDEWYN, m. Uittreksel, geest van de uitgebrande wyn. De l’eau de vie.f. Du Brandevin. m.“ [3-141] Ein Korn-Brenner ist jemand, der einen eau de vie de grain destilliert: „BRANDER, KOORNBRANDER. Een die een Brandery op heeft. Un distillateur d’eau de vie de grain.“ [3-141] Bedeutet das nun, daß für den Curaçao ein Weinbrand verwendet wurde, gar faßgereift wie beispielsweise Cognac oder Armagnac? Man darf vermuten, daß es ein Weinbrand war, denn das Lexikon spricht im Zusammenhang mit dem Curaçao eindeutig von „Brandewyn“, nicht von „eau de vie de grain“.
In den Niederlanden wurde bereits Mitte des 13. Jahrhunderts aus Wein ein Weinbrand destilliert. Den dafür benötigten Wein importierten sie. Später brachten sie ihre Destillierapparate in die Cognac-Region, damit dort vor Ort Weinbrand für den Export in die Niederlande produziert werden konnte. [11-184] [29-169]
Zur Destillation von Getreide läßt sich sagen, daß deutsche Destillateure bereits 1507 damit begonnen hatten, Getreide zu destillieren; dies wurde in einigen Städten bereits 1530 verboten. Bis 1588 waren auch die holländischen Destillateure dazu übergegangen, ihren Genever nicht mehr aus französischem Wein, sondern aus Gerste und Roggen zu destillieren. [11-764]
Über die Mazerierung der Schalen berichtet auch ein weiterer Fund aus dem Jahr 1841. P.-H. Lepage schreibt: „Vor einiger Zeit mußte ich eine sehr konzentrierte Tinktur aus Bitterorangenschalen (curaçao de Hollande) herstellen: etwa sechs Wochen nachdem die Tinktur filtriert worden war, bemerkte ich eine beträchtliche Ablagerung von kleinen, hügeligen, fast weißen Kristallen an den Wänden der Flasche, die sie enthielt.“ [12-583]
– „Ayant eu besoin, il y a quelque temps, de préparer une teinture trés concentrée d’écorces d’oranges amàres (curaçao de Hollande): six semaines environ après que la teinture fut filtrée, je remarquai sur les parois du flacon qui la renfermait, un dépôt assez considérable de petits cristaux mamelonnés et presque blanc.“ [12-583]
Leider ist dieser Text nicht eindeutig. Wir hatten bereits dargelegt, daß man unter Curaçao und auch unter Curaçao de Hollande sowohl Schalen als auch Likör verstehen kann, weshalb es hier nicht ganz klar ist, ob mit dieser Bezeichnung die Bitterorangenschalen oder die Tinktur gemeint war. Wir vermuten jedoch, daß für einen Curaçao-Likör ursprünglich nicht unbedingt eine Destillation erforderlich war, sondern daß einfaches Mazerieren ausreichte; die Destillation dient gewissermaßen nur der „Verfeinerung“ des Produkts. Dafür spricht auch das bei Jerry Thomas im Jahr 1862 im Anhang gegebene Rezept für Curaçao de Hollande. [13-143] Dort wird nur mazeriert, nicht destilliert.
Curaçao-Rezepte nach 1855
Pierre Duplais gibt im Jahr 1855 viele Varianten für einen Curaçao an. Das ist nicht ungewöhnlich, denn im Jahr 1864 berichtet ein englisches Buch darüber, daß es zahlreiche Varianten des Curaçaos gäbe: „CURAÇOA hat seinen Namen von der Orangenschale, die in seiner Herstellung verwendet wird und die von der Insel Curaçoa in Südamerika stammt. Man sagt, es gäbe fünfzig Sorten und Qualitäten dieses Likörs. Der beste wird in Holland hergestellt.“ [14-276]
– „CURAÇOA Takes its name from the orange peel which is used in its composition, and which is obtained from the island of Curaçoa in South America. It is said there are fifty sorts and qualities of this Liqueur. The best is manufactured in Holland.“ [14-276]
Was besagen nun die Curaçao-Rezepte, die nach 1855 publiziert worden sind? Unterscheiden sie sich wesentlich von den Angaben, die Pierre Duplais gemacht hat?
Man kann feststellen, daß zusätzliche Gewürze ins Spiel kommen. Einem amerikanischen Buch zufolge, 1863 erschienen, kann man Curaçao auch ohne Destillation herstellen und mit Zimt, Nelke und Muskat würzen: „Curaçao d’Hollande. (20 Gallonen.) 2 Pfund Curaçoa Orangenschalen, 1/2 [Pfund] Ceylon-Zimt. Lasse sie in Wasser einweichen; koche sie 5 Minuten lang mit dem Saft von 32 Orangen und 14 Gallonen weißem, einfachem Sirup; füge dann 6 Gallonen Alkohol, 95 Prozent, hinzu; seihe ab, filtere; färbe dunkelgelb mit Zuckerfarbe. (Siehe Seite 59.) Dieses Rezept ergibt einen herrlichen Curaçao.“ [15-194] „Curaçao. (40 Gallonen.) 2 oz. Essenz von Bitterorangen, 2 [Unzen Essenz von] Neroli, 1/4 [Unzen Essenz von] Zimt, 3 Drachmen Muskatblüte, in Alkohol eingelegt. Löse die obigen Essenzen in 1 Gallone Alkohol, 95 Prozent, auf und gib sie in ein sauberes Fass. 13 Gallonen Alkohol, 85 Prozent, 26 Gallonen Zuckersirup, 30 Grad, Baume, und füge hinzu: 1 Gallone parfümierten Alkohol, wie oben. – 40 Liter. Färbe mit Safran oder Kurkuma. (Siehe „Färben von Weinen“.)“ [15-194]
– „Curaçao d’Hollande. (20 gallons.) 2 lbs. of Curaçoa orange peel, 1/2 [lbs. of] Ceylon cinnamon. Let them soak in water; boil them for 5 minutes with the juice of 32 oranges and 14 gallons of white plain syrup; then add 6 gallons of alcohol, 95 per cent; strain, filter; color dark yellow with sugar coloring. (See page 59.) This recipe will make a splendid curaçao.“ [15-194] „Curaçao. (40 gallons.) 2 oz. essence of bitter oranges, 2 [oz. essence of] neroly, 1/4 [oz. essence of] cinnamon, 3 drachms mace, infused in alcohol. Dissolve the above essences in one gal. alcohol, 95 per cent, then put in a clean barrel. 13 gals, alcohol, 85 per cent, 26 [gals.] sugar syrup, 30 degrees, Baume, and add: 1 [gals.] perfumed spirit, as above. – 40 gals. Color with saffron or turmeric. (See „Coloring for Wines.“)“ [15-194]
Wir zitieren nun nicht mehr aus den anderen Büchern, die ein Rezept für einen Curaçao beinhalten, da sich daraus an dieser Stelle kein Mehrwert ergibt. Wer mag, kann darin selber nachschlagen. Was vielleicht erwähnenswert sein mag, haben wir in der Aufzählung hinzugefügt:
Die Rezepte unterscheiden sich wenig von Pierre Duplais‘ Angaben. Curaçao kann destilliert werden oder auch nicht. Was manchmal hinzukommt, sind verschiedene würzende und aromatisierende Ingredienzien.
Fazit
Fassen wir noch einmal unsere Erkenntnisse aus der Analyse von Pierre Duplais‘ Buch aus dem Jahr 1855 zusammen. Für ihn ist Curaçao ein Likör, der aus destillierten Orangen- und Pomeranzenschalen, Zucker, Alkohol und Wasser besteht. Er gibt alternativ die Möglichkeit an, diesen nur mit zuvor gewonnenen Ölen zuzubereiten, und verwendet nur dann Nelkenöl als zusätzliches Gewürz.
In den Jahren zuvor – Anfang des 19. Jahrhunderts – haben wir keine Quellen gefunden, denen zufolge zusätzliche Gewürze hinzugefügt wurden. Für einen Curaçao reichte es, die Pomeranzenschalen zu mazerieren. Eine Destillation war nicht erforderlich.
Auch die nach 1855 erschienenen Rezepte zeigen keine wesentlichen Abweichungen. Curaçao wird durch Mazeration von Pomeranzenschalen hergestellt, Zucker und Wasser wird zugegeben. Gewürze sind nicht zwingend; wenn jedoch Gewürze hinzugegeben werden, so ist dies nicht mehr nur die Nelke; es werden auch andere würzende und aromatisierende Zutaten genannt.
Die überlieferten Rezepte sind jüngeren Datums, denn wir haben Rezepte für einen „Curacao“ genannten Likör erstmalig in Schriften aus dem 19. Jahrhundert gefunden. Gleichwohl stellte man schon in den Jahrhunderten zuvor etwas Ähnliches her, nur nannte man es nicht „Curacao“. Mit diesen älteren Rezepten beschäftigen wir uns im nächsten Teil dieser Serie.
Quellen
explicit capitulum
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