Drinks

Boulevardier 1929

Boulevardier 1929.

Der Boulevardier ist einer unser Lieblingsdrinks. Wir haben zwar bei unseren Recherchen festgestellt, daß es auch einen anderen Cocktail dieses Namens gibt, aber wir haben diesen nicht weiter beachtet. Zufällig hatte uns Marian Gadzewski aus dem hamburger Le Lion diesen später serviert, und wir waren sehr beeindruckt. Es war eine vorzügliche Wahl.

30 ml Dubonnet
30 ml Cap Corse rot
15 ml Park XO Cognac
15 ml House Campari (4 Teile Tuvè Bitter, 1 Teil Campari)
Zubereitung: Gerührt.

Alternativ und von uns aktuell bevorzugt:

30 ml Antica Torino vino chinato
30 ml Hausgemachter Lillet (1 Canellese Musk Bitter : 1,5 Frontignan)
15 ml Chateau de Beaulon VSOP Cognac
15 ml La Canellese Bitter

Zubereitung: 3 Eiswürfel, 20 Sekunden (60 Mal) gerührt.

Boulevardier. Cocktails de Paris, 1929.
Boulevardier. Cocktails de Paris, 1929. [5]

Heute wollen wir das Augenmerk auf einen Cocktail lenken, der sich zwar ebenfalls Boulevardier nennt, sich aber von demjenigen, der gemeinhin als Boulevardier bekannt ist, unterscheidet. Wir nennen ihn zur Abgrenzung Boulevardier 1929, bezugnehmend auf sein Entstehungsjahr. Wie wir im Beitrag über den Boulevardier dargelegt haben, erschien der „originale“ Boulevardier 1927 in Paris in Harry McElhones Buch „Barflies and Cocktails“. Der Boulevardier 1929 erschien im anonym herausgegebenen Buch „Cocktails de Paris“. Glücklicherweise wird uns dort genau angegeben, wer ihn  ersonnen hat. Es war ein gewisser Robert aus dem „Viel“, der damit den Großen Preis bei einer in Paris abgehaltenen Bartender-Meisterschaft am 2. Februar 1929 gewann: „ROBERT DU „VIEL“. Grand Prix au Championnat des Barmen disputé à Paris le 2 février 1929.“

Robert Carme, um 1929.
Robert Carme, um 1929. [6-33]

Mauro Mahjoub hat uns auf eine Publikation aufmerksam gemacht, der im Vorfeld der Meisterschaft über die Teilnehmer informierte. Es heißt dort: »robert carne (aus der Bar Viel). Die Mathematik führt zu allem, vorausgesetzt, man kommt aus ihr heraus, … so lautet eine berühmte Formel. Als Robert Carme das Lycée Saint-Louis verließ, wollte er Ingenieur werden, dann Börsenmakler. Doch plötzlich wurde er auf väterliche Anordnung hin Kellermeister im Ciro’s, wo er die großen Weine kennenlernte. Nach seiner Dienstzeit, die er als Unterleutnant abschließt, findet er mit Vorliebe die Atmosphäre der Bars wieder. Im Chatam unter Albert und im Scribe mit André perfektionierte er seine Fähigkeiten, und die Bar Viel, die ihn nun an sich gebunden hat, wird ihren Ruf gewiss nicht mit ihm verlieren.« [6-33]

La Semaine à Paris. 1. Februar 1929, Seite 33.
La Semaine à Paris. 1. Februar 1929, Seite 33. [6-33]

– »robert carne (du bar Viel). Les mathématiques mènent à tout à la condition d’en sortir, … selon la formule célèbre. Robert Carme, à la sortie du lycée Saint-Louis, voulait devenir ingénieur, puis commis d’agent de change. Mais le voilà brusquement, par décision paternelle, caviste au Ciro’s où il apprend les grands crus. Après son service qu’il termine comme sous-lieutenant, il retrouve avec prédilection l’atmosphère des bars. Au Chatam, sous les ordres d’Albert, au Scribe avec André, il se perfectionne, et ce n’est certes pas avec lui que le bar Viel, qui se l’est maintenant attaché, perdra sa réputation.« [6-33]

Ob Robert Carme zu seinem Boulevardier von Erskinne Gwynnes Boulevardier inspiriert wurde, oder ob er ihn in Unkenntnis desselben ersann, läßt sich nicht feststellen. Doch beide Rezepturen unterscheiden sich hinreichend, so daß der Boulevardier 1929 als eigenständiger Drink betrachtet werden muß. Er erschien noch ein weiteres Mal, 1934 in William T. Boothbys „„Cocktail Bill“ Boothby’s World Drinks“. Danach hört man nichts mehr von ihm, erst wieder bei Harry Schraemli, der ihn 1965 und 1966 publiziert. Kein Wunder, daß wir ihn zunächst übersehen haben.

Im Originalrezept wird als Quinquina ein Raphaël verwendet. Es gibt ihn – zumindest heute – in rot und weiß. Er wird auf der Basis von Wein hergestellt, und er enthält unter anderem Chinin, Bitterorangen, Vanille, Kakaobohnen und Vanille. [1] Wir folgen Marians Empfehlung und haben uns alternativ für den Cap Corse Grande Reserve Quinquina Rouge von L. N. Mattei entschieden. Auch er enthält Kakao und Chinin [4] und funktioniert in diesem Drink. Darüber hinaus haben wir allerdings den Campari gegen unseren House-Campari ausgetauscht, der hier im Gegensatz zum modernen Campari wundervoll funktioniert. Warum dieser Austausch sinnvoll ist, haben wir in unserem Beitrag über den Boulevardier bereits ausführlich dargestellt, und das dort gesagte soll hier nicht wiederholt werden.

Anzeige der Bar Viel . Cocktails de Paris, 1929.
Anzeige der Bar Viel . Cocktails de Paris, 1929. [5]

Robert, der Erfinder des Cocktails, hat in der „Bar Viel“ des „Hotel de Paris“ gearbeitet. Dieses Hotel war im Boulevard de la Madeleine Nr. 8 ansässig. Heute kann man dort in Appartements nächtigen, in der „Resicence Madeleine Opera.“ Das heute dort stehende Gebäude soll 1930 oder in den 1930er Jahren erbaut worden sein. [2] [3] Ob das stimmt, können wir nicht nachprüfen. Die Angaben stammen nicht von einer offizieller Stelle. So sind Zweifel durchaus angebracht, denn beispielsweise für unser Haus kursieren auch die unterschiedlichsten, oft erheblich abweichenden Angaben. Vielleicht wurde das Hotel de Paris dort schon zu einem früheren Zeitpunkt eröffnet – dann entstand der Drink in der Bar dieses Gebäudes – , oder das Hotel wurde abgerissen und neu errichtet. Dann wäre der Cocktail im Vorgängerbau entstanden. Unsere Tendenz geht hingegen dahin, daß das Gebäude schon Ende der 1920er Jahre stand. So sieht es heute aus: https://goo.gl/maps/okxDnVB8xBrKhgUo8

Quellen
  1. https://fr.wikipedia.org/wiki/Saint-Rapha%C3%ABl_(ap%C3%A9ritif): Saint-Raphaël (apéritif).
  2. https://www.booking.com/hotel/fr/apartment-rue-godot-de-mauroy.html: Apartment Madeleine.
  3. https://selfcatering.travel/8-boulevard-de-la-madeleine: 8 Boulevard de la Madeleine in Paris/9, Île-de-France.
  4. http://www.perola.eu/index.php/produkte/14-produkte/114-l-n-mattei-cap-corse-grande-reserve-quinquina: L.N. MATTEI Cap Corse Grande Reserve Quinquina.
  5. Anonymus: Cocktails de Paris préséntes par RIP. Paris. Editions Demangel, ohne Jahr.
  6. https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k54158098/f35.image.r=%22robert%20carme%22 La Semaine à Paris: Paris-guide… : tout ce qui se voit, tout ce qui s’entend à Paris. 1. Februar 1929
Boulevardier 1929.
Boulevardier 1929.

Historische Rezepte

1929 Anonymus: Cocktails de Paris. Boulevardier.

1/3 Dubonnet
1/3 Raphaël
1/6 Campari
1/6 Courvoisier « the Brandy of Napoléon »
ROBERT DU „VIEL“.
Grand Prix au Championnat des Barmen disputé à
Paris le 2 février 1929.

1934 William T. Boothby: „Cocktail Bill“ Boothby’s World Drinks. Seite 32. Boulevardier.

Dubonnet . . . . . . . 1/3 jigger           Raphael . . . . . . . 1/3 jigger
Campari  . . . . . . . .  1/6 jigger          Cognac  . . . . . . . 1/6 jigger
Shake well with ice, strain into chilled cocktail glass and serve.

1965 Harry Schraemli:  Manuel du bar. Seite 365. Boulevardier (cocktail).

1/6 Campari, 1/6 cognac, 1/3 Dubonnet, 1/3 Raphaël. Agiter.

1966 Harry Schraemli: Le roi du bar. Seite 48. Boulevardier Cocktail.

Shaker. 1/6 Campari, 1/6 cognac, 1/3 Du-
bonnet, 1/3 St. Raphaël.

explicit capitulum
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über

Hallo, ich bin Armin, und in meiner Freizeit als Blogger, freier Journalist und Bildungstrinker möchte ich die Barkultur fördern. Mein Schwerpunkt liegt auf der Recherche zur Geschichte der Mischgetränke. Falls ich einmal eine Dir bekannte Quelle nicht berücksichtigt habe, und Du der Meinung bist, diese müsse berücksichtigt werden, freue ich mich schon darauf, diese von Dir zu erfahren, um etwas Neues zu lernen.