Der „Turning World“ ist unser Signature-Drink, der mit seinen Wurzeln bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückreicht. Obwohl erst 2017 entstanden, hätte er genauso gut vor über 150 Jahren in den amerikanischen Bars und Grand Cafés serviert worden sein können. Wir stellen den Drink vor und begeben uns auf eine Spurensuche.
Die Idee zu diesem Drink kam uns erstmals im Februar 2013. Damals lasen wir, daß Ardbeg sehr gut mit Pfirsicharomen harmonieren solle, und in Ermangelung eines Pfirsichlikörs oder -brandes versuchten wir es mit Licor 43. Dies war im Ergebnis nicht allzu schlecht, so dachten wir damals jedenfalls, aber irgendetwas fehlte noch. Zahlreiche Versuche wurden gestartet, nichts schien so recht zu harmonieren, und schließlich stießen wir auf den grünen Chartreuse. Dies war die entscheidende fehlende Zutat, dasjenige, was die ganze Zeit gefehlt hatte. Eine Schlüsselzutat für diesen Drink, ohne die es nicht geht. So war die erste Version geboren. Doch bis zur finalen Version war es noch ein weiter Weg. Wir verloren diesen Drink immer wieder aus den Augen, und es sollte noch bis Februar 2017 dauern, bis wir endgültig zufrieden waren, und uns entschlossen, ihn vorzustellen.
Im Nachhinein müssen wir zugeben, daß die erste Version zu süß und unausgewogen war, das wollen wir hier nicht verschweigen, denn es gehört zur Geschichte des Drinks und spielt auch bei dessen Namensgebung eine Rolle. Obwohl wir nur drei Zutaten verwendeten, waren es doch zu viele.
In diesem Zusammenhang erinnern wir uns immer wieder gerne an einen Vortrag auf dem Bar Convent Berlin. 2013 sprachen Anistatia Miller und Jared Brown in ihrem Beitrag „The Fine Art of Simplicity“ über die Wichtigkeit des Einfachen. Ein Bild ist uns dabei besonders in Erinnerung geblieben. Sie berichteten darüber, daß Audrey Saunders in ihrem Pegu Club von junge Bartendern immer wieder neue Drinks mit vielen Zutaten vorgestellt bekam, und Audreys Kritik diesbezüglich wäre dabei in der Regel, daß der Drink zwar schon recht gut sei, daß man aber darüber nachdenken solle, welche Zutaten man wegnehmen könne, ohne den Charakter des Drinks zu verlieren. Diese Bevorzugung des Einfachen liegt uns sehr, und entspricht auch unserer Grundüberzeugung, daß alle wirklich guten Drinks aus maximal drei Zutaten, optional mit zusätzlichem Bitter, aufgebaut sind.
Wir nahmen ihre Anweisung also auch für uns als Ansporn, die wahre Essenz unseres Drinks zu finden. Es zeigte sich so, wie recht sie mit ihrer Ansicht hat. Chartreuse ist die Schlüsselzutat, und nicht das Pfirsicharoma. Nach Entfernung des letzteren kam erst der wahre Charakter dieses Drinks hervor. Es fehlt nichts, aber es kann auch nichts mehr weggenommen werden. Das klingt so einfach, doch der Weg dorthin war es für uns nicht.
Die Namensgebung
Vor dieser Entwicklungsgeschichte wird klar, welche Rolle der Chartreuse in diesem Drink spielt. Er ist die unverzichtbare Zutat, die dem Whiskey hinzugegeben werden muß. Deshalb ist der Chartreuse auch Ausgangspunkt für die Namensgebung des Turning World. Da Chartreuse von den Kartäusern hergestellt wird, und sich auf der Flasche das Emblem des Kartäuserordens befindet, leitet sich der Name vom Motto der Kartäuser ab: Stat crux dum volvitur orbis – Das Kreuz steht fest, während die Welt sich dreht. Da sich die Welt aber auch dreht, wenn man zu viel von dieser Köstlichkeit trinkt, verstehen wir den Namen durchaus auch doppeldeutig.
Der Turning World im historischen Kontext
Natürlich waren wir nach Fertigstellung der finalen Rezeptur sehr interessiert, ob und wie der Turning World mit der Vergangenheit in Verbindung steht. Es erstaunte uns, daß die Kombination aus Whiskey mit Chartreuse so noch nirgendwo publiziert wurde. Der Turning World ist von diesem Standpunkt aus betrachtet also etwas wirklich neues.
Doch der Turning World atmet den Geist des 19. Jahrhunderts und könnte auch um 1850 entstanden sein. Im Zuge unserer Recherchen über den Whiskey Cocktail und den Old-Fashioned Cocktail sind wir auf einen Zeitungsartikel der New York Tribune gestoßen, der auch im New Ulm Weekly Review am 31. Dezember 1884 [2] abgedruckt wurde. Es geht in diesem Artikel um die geänderten Trinkgewohnheiten. In der dargebotenen Erzählung nippt ein junger Kerl an einem eleganten Chartreuse, ein alter Mann hingegen hält seinen vierfingerhoch eingeschenkten Rye-Whiskey fest umklammert. Es wird festgestellt, daß die jüngeren Leute in Grand Cafés gingen, wie beispielsweise in das berühmte Hoffman House in New York, denn sie hätten viel freie Zeit. Die Älteren hingegen arbeiteten härter und hätten weniger Zeit für ihr Getränk. Der ältere Gesprächspartner bringt es auf den Punkt:
„We drank in those days, I can assure you. We dip not sip … We didn’t waste any time about it, either. Just stood up to the bar and drank our liquor down like men. Sometimes we downed it, and sometimes it downed us. … You young fellows have changed all that, and I’ll tell you frankly that I think the change is for the better. We old fellows sneer and sniff about it, may be, but the change that has come over the drink habits of New York has left us not so thoroughly American perhaps, but at any rate healthier and more respectable.”
Er sagt: „Wir haben in jenen Tagen getrunken, das kann ich Dir versichern. Wir nippten nicht … Wir verschwendeten auch keine Zeit damit. Wir standen nur an der Bar und tranken unseren Alkohol auf ex wie Männer. Manchmal bezwangen wir ihn, manchmal bezwang er uns. … Ihr jungen Burschen habt all das verändert, und ich sage euch ehrlich, daß dies eine Änderung hin zum Besseren ist. Wir alten Kerle spotten und rümpfen unsere Nase darüber, vielleicht, und die Veränderungen in den Trinkgewohnheiten in New York hat uns vielleicht nicht so durch und durch amerikanisch zurückgelassen, aber auf jeden Fall gesünder und ehrbarer.“
Die beiden Männer beenden ihre Unterhaltung damit, daß der Ältere offenbar das bestellt, was ein angemessener Kompromiß zu sein scheint: einen Old-Fashioned Cocktail. Wir werden noch detailliert in einem eigenen Beitrag auf die Entwicklung des Whiskey Cocktails hin zum Old-Fashioned Cocktail eingehen, doch soviel sei in diesem Zusammenhang gesagt: Ursprünglich war ein Cocktail (und damit der Whiskey Cocktail) dazu gedacht gewesen, schnell getrunken zu werden, weshalb man ihn ohne Eis servierte. Später jedoch entwickelte er sich zu einem Getränk, für das man sich Zeit nahm und das man in kleinen Schlücken genoß. Um ein Erwärmen zu vermeiden, fügte man ein großes Stück Eis hinzu, und der Old-Fashioned Cocktail entstand. [3-19] Diese Veränderung der Trinkgewohnheiten fand bereits vor 1867 statt, denn in diesem Jahr berichtet John Oxenford, ein für zwei Monate nach New York geschickter Reporter der „Liverpool Daily Post“, darüber. [3-19]
Der im Artikel von den Jüngeren bevorzugte Chartreuse war bereits mindestens seit den 1850er Jahren in den USA verfügbar, wir haben dazu Belege in amerikanischen Zeitungen gefunden. [5][6] Es zeigt sich also, daß der bei Bartendern auch heute beliebte Chartreuse-Shot keine neumodische Erfindung ist, sondern bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückreicht. Offensichtlich trank man Chartreuse nicht nur pur, sondern in späteren Zeiten auch mit etwas Bitter angereichert. Diese Mischung findet man in den historischen Rezeptbüchern als „Sam Ward“. verzeichnet. Der „Sam Ward“ spiegelt also die Vorliebe der damaligen Zeit für Chartreuse wider. Gedruckt erscheint die Rezeptur erstmals 1884 bei George Winter. Bei ihm entspricht der Drink aber nicht dem, was – wenn man sämtliche veröffentlichte Rezepturen anschaut – diesen Drink ausmacht, denn er verwendet zusätzlich Curaçao, und das ist eine seltene Ausnahme. Interessanter für uns ist an dieser Stelle daher die von Charlie Paul wiedergegebene Rezeptur aus dem Jahr 1887:
Sam Ward. Charlie Paul, 1887.
Fill a tumbler with chipped ice; put in three or four drops of Angostura bitters, a good liqueurglass of green chartreuse; shake well, and strain off.
Über den Sam Ward müßte man einen eigenen Beitrag schreiben, an dieser Stelle wollen wir jedoch nicht unerwähnt lassen, daß er wohl – zumindest in den veröffentlichten Rezepturen, die alle aus späteren Zeiten stammen – mit gelbem Chartreuse zubereitet wurde. Das mag vor 1887 anders gewesen sein, und auch Charlie Winter schreibt nur von „Chartreuse“, was eher auf den Standard, grünen Chartreuse, hinweist. Zumindest muß dies ein sehr beliebter Drink gewesen sein, denn es lassen sich viele gedruckte Rezepte finden.
Vor diesem historischen Hintergrund kann man den Turning World nun mit der Vergangenheit in Verbindung setzen. Wie wir beschrieben haben, bewegen wir uns dabei im Umfeld der Entwicklung des Whiskey Cocktails zum Old-Fashioned Cocktail, der Vorliebe für Chartreuse und damit verbunden des Sam Wards.
Betrachten wir uns zum besseren Verständnis den Whiskey Cocktail, so wie Jerry Thomas in 1862 zubereitete:
Whiskey Cocktail. Jerry Thomas, 1862.
(Use small bar glass) 3 or 4 dashes of gum syrup. 2 do. bitters (Bogart’s). 1 wine-glass of whiskey, and a piece of lemon peel. Fill one-third full of fine ice; shake and straln in a fancy red wine-glass.
Wie wir gelesen haben, wurde von den Jüngeren gerne ein Glas Chartreuse getrunken, und man einigte sich in dem Zeitungsartikel von 1887 darauf, daß ein Old-Fashioned Cocktail ein generationenübergreifender Kompromiß sei. Auch der Turning World – hätte es ihn damals schon gegeben – hätte ein solcher Kompromiß sein können. Er übernimmt vom Whiskey Cocktail die Basisspirituose (das wäre zugegebenermaßen als importierter Scotch allerdings kein Standardwhiskey gewesen), verzichtet auf die Zitronenzeste, und ersetzt die Boker’s Bitters (denn diese sind in Jerry Thomas‘ Rezeptur gemeint) durch die Bitterkräuter des Chartreuse, der außerdem als Zuckerquelle dient. Charmanterweise benötigt der Turning World keine Kühlung durch einen Eiswürfel, im Gegenteil, dieser schadet und verwässert zu sehr. Stattdessen verändert sich der Drink durch Erwärmung, und lädt so dazu ein, mit ihm einen längere Zeit zu verweilen. Für uns ist der Turning World also fast noch geeigneter als ein Old-Fashioned Cocktail, um als generationenüberwindende Brücke zwischen alten und neuen Trinkgewohnheiten, zwischen Whiskey Cocktail und Chartreuse zu fungieren. Damit spiegelt der Turning World den Geist der 1850er bis 1880er Jahre wieder und hätte auch zur damaligen Zeit entstanden und beliebt sein können.
Interessanterweise haben wir einen Drink gefunden, der dem Turning World ähnlich ist. er wird 1957 von Lawrence Brochman publiziert und heißt dort S&C Cocktail, in Anlehnung an einen B&B, denn er verwendet Scotch und gelben Chartreuse zu gleichen Teilen.
Robert Simonson: The old-fashioned: the story of the world’s first classic cocktail, with recipes and lore. ISBN 978-1-60774-535-8. New York, Ten Speed Press, 2014. Angegeben wird zusätzlich im Quellenvermerk die Seite im Buch, beispielsweise bedeutet [3-19]: Seite 19.
1957 Lawrence Blochman: Here’s How. Seite 36. S & C Cocktail.
1 part Scotch 1 part yellow Chartreuse Stir with ice, strain into a cocktail glass. If you reverse the initials — C & S — and pour the same ingredients half and half into a liqueur glass, in the manner of a B & B, you have an after-dinner cordial reminiscent of Drambuie.
1957 Lawrence Blochman: Here’s How. Seite 99. C & S.
Something in the manner of a B & B, only the ingredi- ents are Chartreuse (yellow) and Scotch.
Der „Turning World“ ist unser Signature-Drink, der mit seinen Wurzeln bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückreicht. Obwohl erst 2017 entstanden, hätte er genauso gut vor über 150 Jahren in den amerikanischen Bars und Grand Cafés serviert worden sein können. Wir stellen den Drink vor und begeben uns auf eine Spurensuche.
45 ml Ardbeg 10 Jahre
30 ml Chartreuse verte
Zubereitung: 3 Eiswürfel, 25 Sekunden (75 Mal) gerührt.
Die Entwicklungsgeschichte
Die Idee zu diesem Drink kam uns erstmals im Februar 2013. Damals lasen wir, daß Ardbeg sehr gut mit Pfirsicharomen harmonieren solle, und in Ermangelung eines Pfirsichlikörs oder -brandes versuchten wir es mit Licor 43. Dies war im Ergebnis nicht allzu schlecht, so dachten wir damals jedenfalls, aber irgendetwas fehlte noch. Zahlreiche Versuche wurden gestartet, nichts schien so recht zu harmonieren, und schließlich stießen wir auf den grünen Chartreuse. Dies war die entscheidende fehlende Zutat, dasjenige, was die ganze Zeit gefehlt hatte. Eine Schlüsselzutat für diesen Drink, ohne die es nicht geht. So war die erste Version geboren. Doch bis zur finalen Version war es noch ein weiter Weg. Wir verloren diesen Drink immer wieder aus den Augen, und es sollte noch bis Februar 2017 dauern, bis wir endgültig zufrieden waren, und uns entschlossen, ihn vorzustellen.
Im Nachhinein müssen wir zugeben, daß die erste Version zu süß und unausgewogen war, das wollen wir hier nicht verschweigen, denn es gehört zur Geschichte des Drinks und spielt auch bei dessen Namensgebung eine Rolle. Obwohl wir nur drei Zutaten verwendeten, waren es doch zu viele.
In diesem Zusammenhang erinnern wir uns immer wieder gerne an einen Vortrag auf dem Bar Convent Berlin. 2013 sprachen Anistatia Miller und Jared Brown in ihrem Beitrag „The Fine Art of Simplicity“ über die Wichtigkeit des Einfachen. Ein Bild ist uns dabei besonders in Erinnerung geblieben. Sie berichteten darüber, daß Audrey Saunders in ihrem Pegu Club von junge Bartendern immer wieder neue Drinks mit vielen Zutaten vorgestellt bekam, und Audreys Kritik diesbezüglich wäre dabei in der Regel, daß der Drink zwar schon recht gut sei, daß man aber darüber nachdenken solle, welche Zutaten man wegnehmen könne, ohne den Charakter des Drinks zu verlieren. Diese Bevorzugung des Einfachen liegt uns sehr, und entspricht auch unserer Grundüberzeugung, daß alle wirklich guten Drinks aus maximal drei Zutaten, optional mit zusätzlichem Bitter, aufgebaut sind.
Wir nahmen ihre Anweisung also auch für uns als Ansporn, die wahre Essenz unseres Drinks zu finden. Es zeigte sich so, wie recht sie mit ihrer Ansicht hat. Chartreuse ist die Schlüsselzutat, und nicht das Pfirsicharoma. Nach Entfernung des letzteren kam erst der wahre Charakter dieses Drinks hervor. Es fehlt nichts, aber es kann auch nichts mehr weggenommen werden. Das klingt so einfach, doch der Weg dorthin war es für uns nicht.
Die Namensgebung
Vor dieser Entwicklungsgeschichte wird klar, welche Rolle der Chartreuse in diesem Drink spielt. Er ist die unverzichtbare Zutat, die dem Whiskey hinzugegeben werden muß. Deshalb ist der Chartreuse auch Ausgangspunkt für die Namensgebung des Turning World. Da Chartreuse von den Kartäusern hergestellt wird, und sich auf der Flasche das Emblem des Kartäuserordens befindet, leitet sich der Name vom Motto der Kartäuser ab: Stat crux dum volvitur orbis – Das Kreuz steht fest, während die Welt sich dreht. Da sich die Welt aber auch dreht, wenn man zu viel von dieser Köstlichkeit trinkt, verstehen wir den Namen durchaus auch doppeldeutig.
Der Turning World im historischen Kontext
Natürlich waren wir nach Fertigstellung der finalen Rezeptur sehr interessiert, ob und wie der Turning World mit der Vergangenheit in Verbindung steht. Es erstaunte uns, daß die Kombination aus Whiskey mit Chartreuse so noch nirgendwo publiziert wurde. Der Turning World ist von diesem Standpunkt aus betrachtet also etwas wirklich neues.
Doch der Turning World atmet den Geist des 19. Jahrhunderts und könnte auch um 1850 entstanden sein. Im Zuge unserer Recherchen über den Whiskey Cocktail und den Old-Fashioned Cocktail sind wir auf einen Zeitungsartikel der New York Tribune gestoßen, der auch im New Ulm Weekly Review am 31. Dezember 1884 [2] abgedruckt wurde. Es geht in diesem Artikel um die geänderten Trinkgewohnheiten. In der dargebotenen Erzählung nippt ein junger Kerl an einem eleganten Chartreuse, ein alter Mann hingegen hält seinen vierfingerhoch eingeschenkten Rye-Whiskey fest umklammert. Es wird festgestellt, daß die jüngeren Leute in Grand Cafés gingen, wie beispielsweise in das berühmte Hoffman House in New York, denn sie hätten viel freie Zeit. Die Älteren hingegen arbeiteten härter und hätten weniger Zeit für ihr Getränk. Der ältere Gesprächspartner bringt es auf den Punkt:
„We drank in those days, I can assure you. We dip not sip … We didn’t waste any time about it, either. Just stood up to the bar and drank our liquor down like men. Sometimes we downed it, and sometimes it downed us. … You young fellows have changed all that, and I’ll tell you frankly that I think the change is for the better. We old fellows sneer and sniff about it, may be, but the change that has come over the drink habits of New York has left us not so thoroughly American perhaps, but at any rate healthier and more respectable.”
Er sagt: „Wir haben in jenen Tagen getrunken, das kann ich Dir versichern. Wir nippten nicht … Wir verschwendeten auch keine Zeit damit. Wir standen nur an der Bar und tranken unseren Alkohol auf ex wie Männer. Manchmal bezwangen wir ihn, manchmal bezwang er uns. … Ihr jungen Burschen habt all das verändert, und ich sage euch ehrlich, daß dies eine Änderung hin zum Besseren ist. Wir alten Kerle spotten und rümpfen unsere Nase darüber, vielleicht, und die Veränderungen in den Trinkgewohnheiten in New York hat uns vielleicht nicht so durch und durch amerikanisch zurückgelassen, aber auf jeden Fall gesünder und ehrbarer.“
Die beiden Männer beenden ihre Unterhaltung damit, daß der Ältere offenbar das bestellt, was ein angemessener Kompromiß zu sein scheint: einen Old-Fashioned Cocktail. Wir werden noch detailliert in einem eigenen Beitrag auf die Entwicklung des Whiskey Cocktails hin zum Old-Fashioned Cocktail eingehen, doch soviel sei in diesem Zusammenhang gesagt: Ursprünglich war ein Cocktail (und damit der Whiskey Cocktail) dazu gedacht gewesen, schnell getrunken zu werden, weshalb man ihn ohne Eis servierte. Später jedoch entwickelte er sich zu einem Getränk, für das man sich Zeit nahm und das man in kleinen Schlücken genoß. Um ein Erwärmen zu vermeiden, fügte man ein großes Stück Eis hinzu, und der Old-Fashioned Cocktail entstand. [3-19] Diese Veränderung der Trinkgewohnheiten fand bereits vor 1867 statt, denn in diesem Jahr berichtet John Oxenford, ein für zwei Monate nach New York geschickter Reporter der „Liverpool Daily Post“, darüber. [3-19]
Der im Artikel von den Jüngeren bevorzugte Chartreuse war bereits mindestens seit den 1850er Jahren in den USA verfügbar, wir haben dazu Belege in amerikanischen Zeitungen gefunden. [5] [6] Es zeigt sich also, daß der bei Bartendern auch heute beliebte Chartreuse-Shot keine neumodische Erfindung ist, sondern bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückreicht. Offensichtlich trank man Chartreuse nicht nur pur, sondern in späteren Zeiten auch mit etwas Bitter angereichert. Diese Mischung findet man in den historischen Rezeptbüchern als „Sam Ward“. verzeichnet. Der „Sam Ward“ spiegelt also die Vorliebe der damaligen Zeit für Chartreuse wider. Gedruckt erscheint die Rezeptur erstmals 1884 bei George Winter. Bei ihm entspricht der Drink aber nicht dem, was – wenn man sämtliche veröffentlichte Rezepturen anschaut – diesen Drink ausmacht, denn er verwendet zusätzlich Curaçao, und das ist eine seltene Ausnahme. Interessanter für uns ist an dieser Stelle daher die von Charlie Paul wiedergegebene Rezeptur aus dem Jahr 1887:
Sam Ward. Charlie Paul, 1887.
Fill a tumbler with chipped ice; put in three or
four drops of Angostura bitters, a good liqueurglass
of green chartreuse; shake well, and strain
off.
Über den Sam Ward müßte man einen eigenen Beitrag schreiben, an dieser Stelle wollen wir jedoch nicht unerwähnt lassen, daß er wohl – zumindest in den veröffentlichten Rezepturen, die alle aus späteren Zeiten stammen – mit gelbem Chartreuse zubereitet wurde. Das mag vor 1887 anders gewesen sein, und auch Charlie Winter schreibt nur von „Chartreuse“, was eher auf den Standard, grünen Chartreuse, hinweist. Zumindest muß dies ein sehr beliebter Drink gewesen sein, denn es lassen sich viele gedruckte Rezepte finden.
Vor diesem historischen Hintergrund kann man den Turning World nun mit der Vergangenheit in Verbindung setzen. Wie wir beschrieben haben, bewegen wir uns dabei im Umfeld der Entwicklung des Whiskey Cocktails zum Old-Fashioned Cocktail, der Vorliebe für Chartreuse und damit verbunden des Sam Wards.
Betrachten wir uns zum besseren Verständnis den Whiskey Cocktail, so wie Jerry Thomas in 1862 zubereitete:
Whiskey Cocktail. Jerry Thomas, 1862.
(Use small bar glass)
3 or 4 dashes of gum syrup.
2 do. bitters (Bogart’s).
1 wine-glass of whiskey, and a piece of lemon peel.
Fill one-third full of fine ice; shake and straln in a fancy
red wine-glass.
Wie wir gelesen haben, wurde von den Jüngeren gerne ein Glas Chartreuse getrunken, und man einigte sich in dem Zeitungsartikel von 1887 darauf, daß ein Old-Fashioned Cocktail ein generationenübergreifender Kompromiß sei. Auch der Turning World – hätte es ihn damals schon gegeben – hätte ein solcher Kompromiß sein können. Er übernimmt vom Whiskey Cocktail die Basisspirituose (das wäre zugegebenermaßen als importierter Scotch allerdings kein Standardwhiskey gewesen), verzichtet auf die Zitronenzeste, und ersetzt die Boker’s Bitters (denn diese sind in Jerry Thomas‘ Rezeptur gemeint) durch die Bitterkräuter des Chartreuse, der außerdem als Zuckerquelle dient. Charmanterweise benötigt der Turning World keine Kühlung durch einen Eiswürfel, im Gegenteil, dieser schadet und verwässert zu sehr. Stattdessen verändert sich der Drink durch Erwärmung, und lädt so dazu ein, mit ihm einen längere Zeit zu verweilen. Für uns ist der Turning World also fast noch geeigneter als ein Old-Fashioned Cocktail, um als generationenüberwindende Brücke zwischen alten und neuen Trinkgewohnheiten, zwischen Whiskey Cocktail und Chartreuse zu fungieren. Damit spiegelt der Turning World den Geist der 1850er bis 1880er Jahre wieder und hätte auch zur damaligen Zeit entstanden und beliebt sein können.
Interessanterweise haben wir einen Drink gefunden, der dem Turning World ähnlich ist. er wird 1957 von Lawrence Brochman publiziert und heißt dort S&C Cocktail, in Anlehnung an einen B&B, denn er verwendet Scotch und gelben Chartreuse zu gleichen Teilen.
Quellen:
Historische Rezepte
1957 Lawrence Blochman: Here’s How. Seite 36. S & C Cocktail.
1 part Scotch 1 part yellow Chartreuse
Stir with ice, strain into a cocktail glass. If you reverse
the initials — C & S — and pour the same ingredients
half and half into a liqueur glass, in the manner of a
B & B, you have an after-dinner cordial reminiscent of
Drambuie.
1957 Lawrence Blochman: Here’s How. Seite 99. C & S.
Something in the manner of a B & B, only the ingredi-
ents are Chartreuse (yellow) and Scotch.
explicit capitulum
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