In diesem Teil beschäftigen wir uns mit Chininwein. Wir glauben nicht, daß die heute erhältlichen Chininweine entwickelt wurden, um gegen Malaria zu helfen und immer noch nach den Originalrezepten hergestellt werden – ein Blick auf alte Quellen läßt keinen anderen Schluß zu.
Die Betrachtung des Chinins erlaubt uns auch einen Ausblick auf Chininwein. Deshalb wollen wir an dieser Stelle die Gelegenheit ergreifen, uns mit diesem zu beschäftigen. Oftmals hören wir, daß die heutigen Chininweine, nennen wir einmal Dubonnet oder Cap Corse als Beispiele, der Originalrezeptur aus dem 19. Jahrhundert entsprechen sollen. Man sagt auch, diese Weine seien nicht nur von Soldaten getrunken worden, um sich vor Malaria zu schützen. Kann das sein?
Im vorherigen Kapitel haben wir ausführlich aus jenen Quellen zitiert, in denen entweder angegeben wurde, in welchen Mengen man Chinin verabreichte oder aber in welchen Mengen es in Chininwein enthalten war. An dieser Stelle sollen sie nicht erneut zitiert, sondern lediglich zusammengefaßt werden. Dabei erfolgt auch eine Umrechnung auf die jeweils enthaltene Menge an Chininbase, damit die Werte vergleichbar werden.
Umrechnungsfaktoren
Da Chinin ein basisches Amin ist, liegt es immer in Form eines Salzes vor. Dies macht die Dosierung von Chinin sehr kompliziert, da jedes der Salze ein anderes Gewicht hat. Die folgenden Mengen der einzelnen Formen sind gleich: 100 mg Chininbase = 169 mg Chininbisulfat = 122 mg Chinindihydrochlorid = 122 mg Chininhydrochlorid = 121 mg Chininsulfat = 160 mg Chiningluconat. [18] Freundlicherweise wird in den meisten Quellen angegeben, welches Salz in der Rezeptur zu verwenden sei. Dort, wo es keine genaue Angabe gibt, sondern nur von ›Chinin‹, haben wir angenommen, daß es sich um Chininsulfat handelt. Grundlage für diese Entscheidung ist ein Text von 1882, der sich mit diesem Thema befaßt, und in dem es heißt »Ich denke daher, wenn ein Artikel mit einem Etikett verkauft wird, auf dem beschrieben wird, dass er so viel „Chinin“ enthält, sind wir berechtigt, das Wort „Chinin“ als Sulfat von Chinin zu betrachten.« [29-34]
– »I therefore think when any article is sold with a label describing it as containing so much „quinine,“ we are justified in considering the word „quinine“ to signify sulphate of quinine«. [29-34]
Desweiteren werden heute ungebräuchliche Mengeneinheiten verwendet. Wir rechnen wie folgt (gerundet) um:
Manchmal wird auch eine Weinflasche als Menge angegeben. Anstatt hier einfach anzugeben, daß diese Menge wohl rund 750 ml entsprach, möchten wir aus einer Untersuchung der englischen Bier- und Weinflaschen der Jahre 1735-1850 zitieren, denn diese verdeutlicht die Schwierigkeiten, die sich ergeben: „Zu Beginn dieser Studie ging ich davon aus, dass sich eine Reihe von „Quart“-Kapazitäten um das angebliche Quart von 757 ml gruppieren würde. Eine erste Reihe von Messungen des Fassungsvermögens, die kurz nach Beginn der Studie durchgeführt wurden, machte jedoch deutlich, dass dies nicht der Fall war. Die Flaschen, die visuell als „Quarts“ identifiziert werden konnten, hatten ein Fassungsvermögen von 675 ml bis 1250 ml. … Es scheint auch, daß die Quarts anstelle der Gallonen als Standard verwendet wurden, weil die Kapazitäten der Half-Pints, Pints, Half-Gallons und Gallons, wenn sie mit zwei oder vier multipliziert oder geteilt wurden, denen der Quarts entsprachen. Da die verschiedenen offiziellen Quarts und Chopins sehr nahe beieinander liegen und die Flaschenhersteller offenbar nicht versucht haben, Quarts in den offiziellen Größen herzustellen, ist es schwierig festzustellen, welche Maßsysteme durch die „Quart“-Kapazitäten repräsentiert werden. Die meisten waren wahrscheinlich repräsentativ für das englische Wein-, Bier- oder imperiale Maßsystem. … Die Weinhändler in England entwickelten ein System, das die unterschiedlichen Flaschenkapazitäten ausglich. Dieses System basierte auf einem Dutzend Quart-Flaschen, die im Idealfall drei Gallonen Wein fassen sollten. Da die Flaschen im Allgemeinen keinen vollen Quart fassen, wurden die drei Gallonen als Ersatz genommen, und die Anzahl der Flaschen pro Dutzend wurde entsprechend angepasst, so dass das „Dutzend“ zwischen 12 und 18 Flaschen betragen konnte.“ [26-110][26-111]„Bei der Anfang der 1840er Jahre durchgeführten Untersuchung über Gewichte und Maße bezeugten mehrere Zeugen, dass trotz der Umstellung auf das imperiale System im Jahr 1824 weiterhin eine große Bandbreite an Größen verwendet wurde. Der Inspektor für Maße und Gewichte in Bristol stellte fest, dass der Weinhandel eine Flaschenskala von Nr. 12 bis hinunter zu 18 verwendete. Seine Angaben zum Fassungsvermögen sind verwirrend, da er zwischen dem imperialen System und der Queen-Anne-Weingallone hin und her zu wechseln scheint, aber er stellt fest, dass „ein Dutzend der No. 15’s 2 Gallonen imperial [757 ml pro Flasche] enthalten“ (Great Britain. Parliament. Sessional Papers 1842: 358). Apsley Pellatt bemerkte, dass „aus den Mais-Mon-Quart-Flaschen, die als eine Größe geblasen werden, Größen ausgewählt werden, die so unterschiedlich im Inhalt sind wie 13 bis 16 zu den 12 imperialen Quarts, aber solche Größen können nur ausgewählt werden, wenn sie kalt sind, indem jede Flasche mit Wasser gemessen wird“ (Great Britain. Parliament. Sessional Papers 1842: 364). Im selben Bericht berichteten Barret und Clay, dass angesehene Weinhändler drei Flaschengrößen verwendeten: kleine 4er, die 27,5 Unzen (781,36 ml) enthielten, 5er, die 27 Unzen (767,15 ml) enthielten, wenn die Menge abgenommen wurde, um Platz für den Korken zu schaffen, und 5er, die 26,5 Unzen (752,95 ml) enthielten, wenn sie randvoll gefüllt waren.“ [26-112]
– „At the beginning of this study I assumed that a range of „quart“ capacities would cluster around the reputed quart of 757 mL. However, a preliminary series of capacity measures taken soon after the study began made it clear that this was not the case. Bottles identifiable visually as „quarts“ ranged in capacity from 675 mL to 1250 mL. … It also seemsthatthequartswereused as standardsinsteadofthegallonsbecausethecapacitiesofthehalf-pints,pints, half-gallons, and gallons, when multiplied or divided by two or four,reflectedthose ofthequarts.Because oftheclosenessofthevarious officialquartsand chopins, andbecausethebottlemakersdonotappeartohavetriedtomakequartsofofficialsizes,itisdifficulttoknowwhichsystemsofmeasurearerepresentedbythe„quart“capacities.MostwereprobablyrepresentativeoftheEnglish wine,beer,orimperialmeasurement system. … Wine merchants in England devised a system that compensated for the varying bottle capacities. This system was based on a dozen quart bottles that, ideally, should have held three gallons of wine. As the bottles generally did not hold a full quart the three gallons were taken as a substitute and the number of bottles per dozen was adjusted accordingly so that the „dozen“ could be anywhere from 12 to 18 bottles.“ [26-110][26-111] „In the weights and measures enquiry conducted in the early 1840s several witnesses attested to the fact that, in spite of the passage of the imperial system in 1824, the range of sizes still in use continued to be large. The Inspector of Weights and Measures at Bristol noted that the wine trade used a scale of bottles from No. 12 down to 18. His capacity evidence is confusing as he seems to switch back and forth between the imperial system and the Queen Anne wine gallon but he states that „A dozen of the No. 15’s contain 2 gallons imperial [757 mL per bottle“] (Great Britain. Parliament. Sessional Papers 1842: 358). Apsley Pellatt commented that „from the corn mon quart bottles blown as one size are picked sizes, as various in content as 13 up to 16 to the 12 imperial quarts, but such sizes can only be selected when cold by measuring every bottle with water“ (Great Britain. Parliament. Sessional Papers 1842: 364). In the same report Barret and Clay reported that respectable wine merchants used three bottle sizes: small 4’s which held 27.5 ounces (781.36 mL), 5’s which held 27 ounces (767.15 mL) when the quantity to make room for the cork was thrown off, and 5’s which held 26.5 ounces (752.95 ml.) when filled brimful.“[26-112]
Dieses zugrunde gelegt, gehen wir sicherlich nicht ganz fehl, wenn wir für unsere Zwecke das Volumen einer Weinflasche mit 750 ml veranschlagen.
Die Rezepte
Wie hoch ist nun der Chiningehalt der gefundenen Rezepte, wie hoch war die täglich einzunehmende Menge, und für welche Zwecke? Fassen wir zur Beantwortung dieser Frage unsere Funde zusammen, die wir detailliert im zweiten Teil dieser Serie zitiert haben. Die Reihenfolge der Angaben ist: Jahr und Quelle; Chininbase im Wein in mg/l; tägliche Dosis an Chininbase in mg; Zweck.
1823 [1-52]; – ; Dosis: 54 – 536; Prophylaxe und Behandlung von Fieber.
Aus solch einer Liste können wir nur dann etwas erkennen, wenn wir verschiedene Diagramme erstellen und betrachten.
Chininbase im Wein
Beginnen wir mit der Frage danach, wieviel Chininbase in Chininwein vorhanden war.
Der Durchschnittswert des Mindestwertes aller Quellen liegt bei 3699 mg/l, für den Höchstwert sind es 4242 mg/l, oder gemittelt bei 3970 mg/l. Dies sind jedoch nicht die Werte, die wir für unsere Betrachtung heranziehen sollten. Betrachtet man die Kurve, erkennt man, daß der Wert aufgrund der letzten zwei bis drei Quellen zu hoch liegen wird. Berücksichtigt man diese nicht, so erhält man einen Durchschnittswert um 2500 mg/l. Doch unabhängig davon, welchen dieser Durchschnittswerte wir wählen, müssen wir feststellen, daß die Chininweine, wie sie heute erhältlich sind, mit einem maximalen Chininanteil von 300 mg/l deutlich weniger Chininbase enthalten als die Weine, die man im 19. Jahrhundert verwendete. Selbst der Wein mit dem geringsten Chininanteil enthielt 531 mg/l Chininbase.
Wenn nun erzählt wird, heutige Chininweine seien entwickelt worden, um als Malariaprophylaxe eingenommen zu werden, und die Rezepturen seien bis heute unverändert geblieben, so muß man davon ausgehen, daß diese Aussage vermutlich nicht stimmen wird. Entweder die Rezeptur wurde verändert, oder diese Weine waren nie als Prophylaxe gedacht. Für letzteres spricht auch, daß wir keine historische Quelle gefunden haben, die dies nahelegen; die Weine wurden vielmehr selbst mit Chinin vermischt.
Wir möchten folgendes postulieren: Man nahm Chinin als Prophylaxe oder als Stärkungsmittel ein, war schließlich an den bitteren Geschmack gewöhnt, und so wurden Chininweine mit geringem Chininanteil als Genußmittel, nicht als Medizin, hergestellt und unter einem Markennamen verkauft.
Chininbase als Prophylaxe
Wenden wir uns nun der nächsten Frage zu: Wieviel Chininbase wurde zur Prophylaxe eingenommen?
Hier ist das Diagramm weniger einheitlich. Das liegt unter anderem daran, daß oftmals nicht klar zwischen Prophylaxe und Fieberbehandlung unterschieden wurde. Beispielsweise lautet eine Angabe, man solle 54 mg bis 536 mg Chininbase als Prophylaxe und zur Behandlung von Fieber einnehmen. Der untere Wert wird hierbei sicherlich als Prophylaxe gemeint gewesen sein, der obere hingegen bei akutem Fieber. Dennoch haben wir in diesem Diagramm beide Werte übernommen, wenn nicht klar in der Rezeptur unterschieden wurde.
Betrachten wir den Durchschnitt des Mindestwertes, so ergibt sich eine Chininbase von 228 mg; der Durchschnitt des Höchstwertes ist 331 mg.
Wenn man nun diese Menge als Chininwein einnehmen wollte, so ergeben sich bei einem Chiningehalt von 3699 mg/l bei einer Dosis von 228 mg eine Weinmenge von 61,6 ml, bei einer Dosis von 331 mg sind es bis 89,5 ml. Bei einem modernen Chininwein mit (höchstens) 300 mg/l Chininbase läge man bei 760 ml bis 1103 ml. Das wiederum als tägliche Weinmenge genossen, wäre etwas viel. Ein weiteres Argument dafür, daß diese Chininweine nicht als Medizin gedacht waren oder aber eine deutliche Rezepturänderung erfolgt ist.
Chininbase bei Fieber
Wie sieht es nun bei der Behandlung von Fieber aus?
Zu diesem Diagramm sei angemerkt, daß wir bei unklaren Rezepten, wie bereits im vorherigen Beispiel genannt, als Fieberbehandlung immer den höheren Wert veranschlagt haben. Der durchschnittliche Höchstwert liegt bei 849 mg Chininbase. Diese Menge klingt realistisch, denn die heutige Empfehlung ist, mindestens 800 mg bis 1000 mg Chininbase täglich einzunehmen. [27]
Um 849 mg Chininbase einzunehmen, müßte man bei einem heute zulässigen Wein (mit 300 mg/l Chininbase) 2,83 Liter trinken. Solch ein Chininwein kann daher nicht zur Malariabehandlung dienen; das enthaltene Chinin ist zu schwach dosiert.
Schlußwort
Diese Analyse zugrunde gelegt, müssen wir also feststellen, daß die Werbeaussage, heutige Chininweine seien als Malariaprophylaxe oder zur Fieberbehandlung entwickelt worden, nicht stimmen kann. Dafür haben wir keine historischen Belege gefunden, und man scheint Chininwein immer selber hergestellt zu haben. Vielmehr war es wahrscheinlich so, daß man Geschmack an bitteren Weinen fand; um dieses Konsumentenbedürfnis zu stillen, wurden Chininweine entwickelt, als reines Genußmittel.
Auf ähnliche Betrachtungen für Tonic Water werden wir noch eingehen müssen. Wenden wir uns zuvor im nächsten Teil dieser Serie der Geschichte des chininhaltigen Tonic Waters zu.
https://archive.org/details/63610270R.nlm.nih.gov/page/n15?q=%22quinine+wine%22 Henry McMurtie: The gentleman’s medical vade-mecum and travelling companion: containing a concise statement of the most known and certain causes, symptoms and modes of curing every disorder to which he is liable, with directions for his conduct in case of accidents on the road or at sea, in plain English. Philadelphia, 1824.
https://archive.org/details/b28748517/page/260?q=%22quinine+wine%22 William Hamilton Kittoe: The pocket book of practical medicine : or, Manual for emergencies, containing a concise account of diseases incident to the human frame, with formula to meet the exigencies of the moment where medical aid is distant or not to be procured, remarks on some of the diseases of women and children, accidents, wounds, &c., poisons, bathing, climate, settlers in distant lands, sea voyages, &c., &c. London, 1844.
https://de.wikipedia.org/wiki/Wellington_Channel Anonymus: Narrative of a boat expedition up the Wellington channel in the year 1852, under the command of R. M’Cormick, R.N., F.R.C.S., in H.M.B. ‚Forlorn Hope,‘ in search of Sir John Franklin. London, 1854.
https://archive.org/details/b22346909/page/10 Joseph Jones: Quinine as a prophylactic against malarial fever: being an appendix to the third report on typhoid and malarial fevers, delivered to the Surgeon General of the late C.S.A., August, 1864. Nashville, 1867.
In diesem Teil beschäftigen wir uns mit Chininwein. Wir glauben nicht, daß die heute erhältlichen Chininweine entwickelt wurden, um gegen Malaria zu helfen und immer noch nach den Originalrezepten hergestellt werden – ein Blick auf alte Quellen läßt keinen anderen Schluß zu.
Die Betrachtung des Chinins erlaubt uns auch einen Ausblick auf Chininwein. Deshalb wollen wir an dieser Stelle die Gelegenheit ergreifen, uns mit diesem zu beschäftigen. Oftmals hören wir, daß die heutigen Chininweine, nennen wir einmal Dubonnet oder Cap Corse als Beispiele, der Originalrezeptur aus dem 19. Jahrhundert entsprechen sollen. Man sagt auch, diese Weine seien nicht nur von Soldaten getrunken worden, um sich vor Malaria zu schützen. Kann das sein?
Im vorherigen Kapitel haben wir ausführlich aus jenen Quellen zitiert, in denen entweder angegeben wurde, in welchen Mengen man Chinin verabreichte oder aber in welchen Mengen es in Chininwein enthalten war. An dieser Stelle sollen sie nicht erneut zitiert, sondern lediglich zusammengefaßt werden. Dabei erfolgt auch eine Umrechnung auf die jeweils enthaltene Menge an Chininbase, damit die Werte vergleichbar werden.
Umrechnungsfaktoren
Da Chinin ein basisches Amin ist, liegt es immer in Form eines Salzes vor. Dies macht die Dosierung von Chinin sehr kompliziert, da jedes der Salze ein anderes Gewicht hat. Die folgenden Mengen der einzelnen Formen sind gleich: 100 mg Chininbase = 169 mg Chininbisulfat = 122 mg Chinindihydrochlorid = 122 mg Chininhydrochlorid = 121 mg Chininsulfat = 160 mg Chiningluconat. [18] Freundlicherweise wird in den meisten Quellen angegeben, welches Salz in der Rezeptur zu verwenden sei. Dort, wo es keine genaue Angabe gibt, sondern nur von ›Chinin‹, haben wir angenommen, daß es sich um Chininsulfat handelt. Grundlage für diese Entscheidung ist ein Text von 1882, der sich mit diesem Thema befaßt, und in dem es heißt »Ich denke daher, wenn ein Artikel mit einem Etikett verkauft wird, auf dem beschrieben wird, dass er so viel „Chinin“ enthält, sind wir berechtigt, das Wort „Chinin“ als Sulfat von Chinin zu betrachten.« [29-34]
– »I therefore think when any article is sold with a label describing it as containing so much „quinine,“ we are justified in considering the word „quinine“ to signify sulphate of quinine«. [29-34]
Desweiteren werden heute ungebräuchliche Mengeneinheiten verwendet. Wir rechnen wie folgt (gerundet) um:
Manchmal wird auch eine Weinflasche als Menge angegeben. Anstatt hier einfach anzugeben, daß diese Menge wohl rund 750 ml entsprach, möchten wir aus einer Untersuchung der englischen Bier- und Weinflaschen der Jahre 1735-1850 zitieren, denn diese verdeutlicht die Schwierigkeiten, die sich ergeben: „Zu Beginn dieser Studie ging ich davon aus, dass sich eine Reihe von „Quart“-Kapazitäten um das angebliche Quart von 757 ml gruppieren würde. Eine erste Reihe von Messungen des Fassungsvermögens, die kurz nach Beginn der Studie durchgeführt wurden, machte jedoch deutlich, dass dies nicht der Fall war. Die Flaschen, die visuell als „Quarts“ identifiziert werden konnten, hatten ein Fassungsvermögen von 675 ml bis 1250 ml. … Es scheint auch, daß die Quarts anstelle der Gallonen als Standard verwendet wurden, weil die Kapazitäten der Half-Pints, Pints, Half-Gallons und Gallons, wenn sie mit zwei oder vier multipliziert oder geteilt wurden, denen der Quarts entsprachen. Da die verschiedenen offiziellen Quarts und Chopins sehr nahe beieinander liegen und die Flaschenhersteller offenbar nicht versucht haben, Quarts in den offiziellen Größen herzustellen, ist es schwierig festzustellen, welche Maßsysteme durch die „Quart“-Kapazitäten repräsentiert werden. Die meisten waren wahrscheinlich repräsentativ für das englische Wein-, Bier- oder imperiale Maßsystem. … Die Weinhändler in England entwickelten ein System, das die unterschiedlichen Flaschenkapazitäten ausglich. Dieses System basierte auf einem Dutzend Quart-Flaschen, die im Idealfall drei Gallonen Wein fassen sollten. Da die Flaschen im Allgemeinen keinen vollen Quart fassen, wurden die drei Gallonen als Ersatz genommen, und die Anzahl der Flaschen pro Dutzend wurde entsprechend angepasst, so dass das „Dutzend“ zwischen 12 und 18 Flaschen betragen konnte.“ [26-110] [26-111] „Bei der Anfang der 1840er Jahre durchgeführten Untersuchung über Gewichte und Maße bezeugten mehrere Zeugen, dass trotz der Umstellung auf das imperiale System im Jahr 1824 weiterhin eine große Bandbreite an Größen verwendet wurde. Der Inspektor für Maße und Gewichte in Bristol stellte fest, dass der Weinhandel eine Flaschenskala von Nr. 12 bis hinunter zu 18 verwendete. Seine Angaben zum Fassungsvermögen sind verwirrend, da er zwischen dem imperialen System und der Queen-Anne-Weingallone hin und her zu wechseln scheint, aber er stellt fest, dass „ein Dutzend der No. 15’s 2 Gallonen imperial [757 ml pro Flasche] enthalten“ (Great Britain. Parliament. Sessional Papers 1842: 358). Apsley Pellatt bemerkte, dass „aus den Mais-Mon-Quart-Flaschen, die als eine Größe geblasen werden, Größen ausgewählt werden, die so unterschiedlich im Inhalt sind wie 13 bis 16 zu den 12 imperialen Quarts, aber solche Größen können nur ausgewählt werden, wenn sie kalt sind, indem jede Flasche mit Wasser gemessen wird“ (Great Britain. Parliament. Sessional Papers 1842: 364). Im selben Bericht berichteten Barret und Clay, dass angesehene Weinhändler drei Flaschengrößen verwendeten: kleine 4er, die 27,5 Unzen (781,36 ml) enthielten, 5er, die 27 Unzen (767,15 ml) enthielten, wenn die Menge abgenommen wurde, um Platz für den Korken zu schaffen, und 5er, die 26,5 Unzen (752,95 ml) enthielten, wenn sie randvoll gefüllt waren.“ [26-112]
– „At the beginning of this study I assumed that a range of „quart“ capacities would cluster around the reputed quart of 757 mL. However, a preliminary series of capacity measures taken soon after the study began made it clear that this was not the case. Bottles identifiable visually as „quarts“ ranged in capacity from 675 mL to 1250 mL. … It also seems that the quarts were used as standards instead of the gallons because the capacities of the half-pints, pints, half-gallons, and gallons, when multiplied or divided by two or four, reflected those of the quarts. Because of the closeness of the various official quarts and chopins, and because the bottle makers do not appear to have tried to make quarts of official sizes, it is difficult to know which systems of measure are represented by the „quart“ capacities. Most were probably representative of the English wine, beer, or imperial measurement system. … Wine merchants in England devised a system that compensated for the varying bottle capacities. This system was based on a dozen quart bottles that, ideally, should have held three gallons of wine. As the bottles generally did not hold a full quart the three gallons were taken as a substitute and the number of bottles per dozen was adjusted accordingly so that the „dozen“ could be anywhere from 12 to 18 bottles.“ [26-110] [26-111] „In the weights and measures enquiry conducted in the early 1840s several witnesses attested to the fact that, in spite of the passage of the imperial system in 1824, the range of sizes still in use continued to be large. The Inspector of Weights and Measures at Bristol noted that the wine trade used a scale of bottles from No. 12 down to 18. His capacity evidence is confusing as he seems to switch back and forth between the imperial system and the Queen Anne wine gallon but he states that „A dozen of the No. 15’s contain 2 gallons imperial [757 mL per bottle“] (Great Britain. Parliament. Sessional Papers 1842: 358). Apsley Pellatt commented that „from the corn mon quart bottles blown as one size are picked sizes, as various in content as 13 up to 16 to the 12 imperial quarts, but such sizes can only be selected when cold by measuring every bottle with water“ (Great Britain. Parliament. Sessional Papers 1842: 364). In the same report Barret and Clay reported that respectable wine merchants used three bottle sizes: small 4’s which held 27.5 ounces (781.36 mL), 5’s which held 27 ounces (767.15 mL) when the quantity to make room for the cork was thrown off, and 5’s which held 26.5 ounces (752.95 ml.) when filled brimful.“ [26-112]
Dieses zugrunde gelegt, gehen wir sicherlich nicht ganz fehl, wenn wir für unsere Zwecke das Volumen einer Weinflasche mit 750 ml veranschlagen.
Die Rezepte
Wie hoch ist nun der Chiningehalt der gefundenen Rezepte, wie hoch war die täglich einzunehmende Menge, und für welche Zwecke? Fassen wir zur Beantwortung dieser Frage unsere Funde zusammen, die wir detailliert im zweiten Teil dieser Serie zitiert haben. Die Reihenfolge der Angaben ist: Jahr und Quelle; Chininbase im Wein in mg/l; tägliche Dosis an Chininbase in mg; Zweck.
Aus solch einer Liste können wir nur dann etwas erkennen, wenn wir verschiedene Diagramme erstellen und betrachten.
Chininbase im Wein
Beginnen wir mit der Frage danach, wieviel Chininbase in Chininwein vorhanden war.
Der Durchschnittswert des Mindestwertes aller Quellen liegt bei 3699 mg/l, für den Höchstwert sind es 4242 mg/l, oder gemittelt bei 3970 mg/l. Dies sind jedoch nicht die Werte, die wir für unsere Betrachtung heranziehen sollten. Betrachtet man die Kurve, erkennt man, daß der Wert aufgrund der letzten zwei bis drei Quellen zu hoch liegen wird. Berücksichtigt man diese nicht, so erhält man einen Durchschnittswert um 2500 mg/l. Doch unabhängig davon, welchen dieser Durchschnittswerte wir wählen, müssen wir feststellen, daß die Chininweine, wie sie heute erhältlich sind, mit einem maximalen Chininanteil von 300 mg/l deutlich weniger Chininbase enthalten als die Weine, die man im 19. Jahrhundert verwendete. Selbst der Wein mit dem geringsten Chininanteil enthielt 531 mg/l Chininbase.
Wenn nun erzählt wird, heutige Chininweine seien entwickelt worden, um als Malariaprophylaxe eingenommen zu werden, und die Rezepturen seien bis heute unverändert geblieben, so muß man davon ausgehen, daß diese Aussage vermutlich nicht stimmen wird. Entweder die Rezeptur wurde verändert, oder diese Weine waren nie als Prophylaxe gedacht. Für letzteres spricht auch, daß wir keine historische Quelle gefunden haben, die dies nahelegen; die Weine wurden vielmehr selbst mit Chinin vermischt.
Wir möchten folgendes postulieren: Man nahm Chinin als Prophylaxe oder als Stärkungsmittel ein, war schließlich an den bitteren Geschmack gewöhnt, und so wurden Chininweine mit geringem Chininanteil als Genußmittel, nicht als Medizin, hergestellt und unter einem Markennamen verkauft.
Chininbase als Prophylaxe
Wenden wir uns nun der nächsten Frage zu: Wieviel Chininbase wurde zur Prophylaxe eingenommen?
Hier ist das Diagramm weniger einheitlich. Das liegt unter anderem daran, daß oftmals nicht klar zwischen Prophylaxe und Fieberbehandlung unterschieden wurde. Beispielsweise lautet eine Angabe, man solle 54 mg bis 536 mg Chininbase als Prophylaxe und zur Behandlung von Fieber einnehmen. Der untere Wert wird hierbei sicherlich als Prophylaxe gemeint gewesen sein, der obere hingegen bei akutem Fieber. Dennoch haben wir in diesem Diagramm beide Werte übernommen, wenn nicht klar in der Rezeptur unterschieden wurde.
Betrachten wir den Durchschnitt des Mindestwertes, so ergibt sich eine Chininbase von 228 mg; der Durchschnitt des Höchstwertes ist 331 mg.
Wenn man nun diese Menge als Chininwein einnehmen wollte, so ergeben sich bei einem Chiningehalt von 3699 mg/l bei einer Dosis von 228 mg eine Weinmenge von 61,6 ml, bei einer Dosis von 331 mg sind es bis 89,5 ml. Bei einem modernen Chininwein mit (höchstens) 300 mg/l Chininbase läge man bei 760 ml bis 1103 ml. Das wiederum als tägliche Weinmenge genossen, wäre etwas viel. Ein weiteres Argument dafür, daß diese Chininweine nicht als Medizin gedacht waren oder aber eine deutliche Rezepturänderung erfolgt ist.
Chininbase bei Fieber
Wie sieht es nun bei der Behandlung von Fieber aus?
Zu diesem Diagramm sei angemerkt, daß wir bei unklaren Rezepten, wie bereits im vorherigen Beispiel genannt, als Fieberbehandlung immer den höheren Wert veranschlagt haben. Der durchschnittliche Höchstwert liegt bei 849 mg Chininbase. Diese Menge klingt realistisch, denn die heutige Empfehlung ist, mindestens 800 mg bis 1000 mg Chininbase täglich einzunehmen. [27]
Um 849 mg Chininbase einzunehmen, müßte man bei einem heute zulässigen Wein (mit 300 mg/l Chininbase) 2,83 Liter trinken. Solch ein Chininwein kann daher nicht zur Malariabehandlung dienen; das enthaltene Chinin ist zu schwach dosiert.
Schlußwort
Diese Analyse zugrunde gelegt, müssen wir also feststellen, daß die Werbeaussage, heutige Chininweine seien als Malariaprophylaxe oder zur Fieberbehandlung entwickelt worden, nicht stimmen kann. Dafür haben wir keine historischen Belege gefunden, und man scheint Chininwein immer selber hergestellt zu haben. Vielmehr war es wahrscheinlich so, daß man Geschmack an bitteren Weinen fand; um dieses Konsumentenbedürfnis zu stillen, wurden Chininweine entwickelt, als reines Genußmittel.
Auf ähnliche Betrachtungen für Tonic Water werden wir noch eingehen müssen. Wenden wir uns zuvor im nächsten Teil dieser Serie der Geschichte des chininhaltigen Tonic Waters zu.
Quellen
explicit capitulum
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