Drinks

Cus D’Amato

Cus D'Amato.

Der Cus d’Amato ist ein Drink, den Mario Kappes für einen besonderen Moment mit Gästen entwickelt hat, so wie dies beispielsweise auch beim Professor Langnickel oder Chocolate Wednesday geschehen ist. Wir erinnern uns noch genau an den Abend, als der Drink das Licht der Welt erblickte.

60 ml Glenfarclas Oloroso Sherry Cask Destilliert 1993, abgefüllt 2013 (alternativ: 70 ml Old Perth blended malt scotch whisky)
20 ml Strega
5ml D’Arbo Himbeersirup

Zubereitung: Gerührt.

Alternativ und von uns aktuell bevorzugt:

60 ml Glenfarclas Oloroso Sherry Cask Destilliert 1993, abgefüllt 2013 (alternativ: 70 ml Old Perth blended malt scotch whisky)
20 ml Strega
5ml Freimeister Himbeere

Cus D'Amato.
Cus D’Amato. [4]

Wir sind regelmäßig im Le Lion zu Gast, so auch am 6. September 2014. An diesem Samstagabend wurden wir von Mario Kappes an der Tür empfangen, und Bettina Kupsa führte uns am Tresen durch den Abend. Üblicherweise stehen unsere Abende im Le Lion unter einem Motto, dem die Drinks folgen sollen. Gewöhnlich sind es Spirituosen oder eine Getränkekategorie, beispielsweise Sherry, Rum, Chartreuse oder Negroni. Da wir uns zudem jeden Drink teilen, kommen wir so in den Genuß eines reichhaltigen Menüs mit 6 bis 8 verschiedenen Drinks.

An diesem Abend hatten wir uns etwas für unsere Verhältnisse Ungewöhnliches vorgenommen: Himbeere sollte das Thema des Abends sein. Da diese Frucht auch in alten Klassikern gelegentlich verwendet wird, wollten wir als Bildungstrinker natürlich genauer verstehen, wie vielfältig diese Frucht – gerne auch in modernen Drinks – eingesetzt werden kann und waren gespannt, welche Menüfolge Betty dieses Mal wieder für uns zaubern würde. Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Menüfolge bestand an diesem Abend zunächst aus dem Albemarle Fizz, gefolgt vom Cosmopolitan 1934, dem Clover Club, einem Drink ohne Namen mit Bacardi und Champagner, dem Knickerbocker, dem East India, und abschließend dem Cus D’Amato.

Während wir genüßlich unserem Menü folgten, ging Betty, so erzählte Mario später, an seine Seite und fragte ihn danach, welcher Drink für uns als Abschluß geeignet sein könnte. Da wir gerne etwas in Richtung Old Fashioned nehmen, Drinks mit Himbeere aber eher frisch, frucht- und säurebetont sind, war sie noch auf der Suche nach etwas Geeignetem. Sie fragte Mario also, ob er meine, sie könnte irgendetwas in Richtung Rum Old Fashioned mit etwas Himbeere machen. Mario gab hierauf keine Antwort.

Von dieser Konversation bekamen wir nichts mit, und so bemerkten wir auch im Gegensatz zu Marios anwesenden Kollegen nicht, wie er in der Nähe des Reservierungsbuches zehn bis fünfzehn Minuten in Gedanken versunken umherstand; da es noch früh am Abend war und noch nicht viele Gäste Einlaß begehrten, war dies auch problemlos möglich. Irgendwann war ein Geschmack in seiner Vorstellung entstanden, und er ging dann auf Betty zu und fragte, ob er mal hinter die Bar dürfte.

Mario Kappes beim Zubereiten des Cus D'Amato.
Mario Kappes beim Zubereiten des Cus D’Amato.[8]

Auf unseren Stammplätzen direkt an der Bar sitzend war durch diese Frage natürlich unsere Aufmerksamkeit geweckt und wir verfolgten neugierig, was nun kommen sollte. Eine verdutzte Betty antwortete, daß Mario natürlich hinter die Bar dürfe, und warum er denn frage. Nun, wir beobachteten, wie Mario zielsicher 2 cl Strega mit einem Barlöffel Himbeersirup vermischte – wobei er durch Bettys Anregung in Richtung eines Old Fashioned den Himbeersirup nur in dieser geringen Menge einsetzte. Wie er auf diese Kombination gekommen war, weiß Mario nicht mehr. Es ist aber durchaus möglich, daß er zuvor unsere Diskussion mit Betty verfolgt hatte, welches Thema der Abend haben sollte. Wir hatten uns zwar für Himbeere entschieden, aber unter anderem war auch Strega ein hoch gehandelter Kandidat. Es ist also durchaus möglich, daß dieses Gespräch unbewußt in ihm die Eingebung hervorrief, beides miteinander zu kombinieren.

Mario Kappes beim Zubereiten des Cus D'Amato.
Mario Kappes beim Zubereiten des Cus D’Amato. [8]

Die beiden Zutaten funktionierten aus seiner Sicht schon, was wir auch an seinem zufriedenen Gesicht ablesen konnten. Aber einen potenten Mitspieler hatte Mario noch nicht gefunden. Es war für uns nun sehr interessant, ihm beim Denken zuzusehen. Man konnte förmlich sehen, wie es in seinem Kopf arbeitete, als er gedankenverloren hinter der Bar stand. Es kam uns wie eine halbe Ewigkeit vor. Schließlich schweifte sein Blick über das Backboard, er griff zielstrebig nach einer Flasche Glenfarclas, goß zielsicher 6 cl des Inhaltes in das Rührglas, rührte den Drink und gab ihn in ein Cocktailglas.

Wie Mario später erzählte, wollte er keinen Rum hinzugeben, da dessen Aroma ihm zu brachial erschien, ist doch Rum sehr einnehmend und zudem auch mit einer unterschwelligen Süße behaftet. Er hatte jedoch zwei Tage zuvor vom 1993 destillierten, in Oloroso-Fässern gereiften und 2013 abgefüllten Glenfarclas probiert und so war er zu dem Schluß gekommen, daß dessen Aromen genau das sind, was er für diesen Drink haben wollte. Spannend ist, das auch hier wieder der von Mario geliebte Sherry seine Rolle spielt.

Mario Kappes beim Zubereiten des Cus D'Amato.
Mario Kappes beim Zubereiten des Cus D’Amato. [8]

Wir hatten also beobachtet, wie Mario hier offensichtlich irgendetwas Experimentelles machte, hatten aber immer noch keine Ahnung, was das alles sollte. Das Cocktailglas wurde an Betty gereicht. Sie probierte. Es passierte das, was auch Jörg Meyer wenige Tage später an sich selbst beobachtete: „Eine Mischung, die einen verstummen läßt.“ [1] So auch Betty. Der Kelch wurde weiter an Magdalena Karkosz gereicht: Dieselbe Reaktion, aber die Mimik sprach Bände. Sie machte im wahrsten Sinne des Wortes große Augen.

Ob dieses sich vor unseren Augen stattfindenden Schauspiels wurden wir neugierig und erkundigten uns vorsichtig, ob wir auch einmal probieren dürften. Diese Bitte unsererseits wurde sofort und entschieden abgewiesen mit dem Hinweis, daß wir uns da doch bitteschön noch gedulden müßten, denn es handle sich bei dieser Kreation um unseren letzten Drink.

Nun denn, beim letzten Drink angekommen waren wir sehr gespannt und augenblicklich fasziniert von dieser wundervollen Kombination. Ein perfekt ausgewogener Drink, der zunächst etwas harmlos daherkommt, doch Frank bemerkte ganz richtig, er habe dann doch „ganz schön Wumms“.

Mike Tyson.
Mike Tyson. [3]

An diesem Abend hatten wir leider noch keine Inspiration für den Namen des Drinks. Hier kam Mario jedoch der Zufall zu Hilfe. Die ersten zwei bis drei Tage war der Drink noch namenlos. Der erste Gast, der nach uns das Vergnügen hatte, ihn zu genießen stellte fest, der Drink sei „short and punchy“. Kurz danach, an einem Dienstag, war Mario rechtzeitig zuhause und sah sich eine Dokumentation über Mike Tyson an, in dessen ersten Teil es sehr stark um dessen Trainer, Constantine „Cus“ D’Amato ging. Letzterer hatte den dreizehnjährigen Mike Tyson entdeckt und von der Straße geholt, ihn bei sich einziehen lassen und ihn über Jahre trainiert, so daß er dann als Zwanzigjähriger der jüngste Schwergewichtsweltmeister aller Zeiten geworden ist. Cus D’Amato, der einen eigenen Boxstil erfunden und verbreitet hat und auch für Boxlegenden wie Muhammad Ali beratend tätig war, konnte diesen Triumph leider nicht mehr miterleben, da er elf Monate zuvor, am 4. November 1985, verstarb. Wer einmal einen Boxkampf von Mike Tyson gesehen hat, weiß, daß er nicht groß ist und einen unglaublich harten Schlag hat. Das ist ja quasi der Untertitel zu Marios Drink – „short and punchy“. Mario hatte dann noch etwas mehr über Cus D’Amato gelesen und die Kreise schlossen sich. 1993 wurde in New York die 14. Straße in „Cus D’Amato Way“ umbenannt. Da der verwendete Glenfarclas im Jahr 1993 destilliert wurde stand für Mario fest, wie sein neuer Drink heißen sollte: Cus D’Amato. Und ein Name ganz nach Marios Geschmack: „Der Name muss kurz sein, im Gedächtnis bleiben und neugierig machen. Und nicht zuletzt, eine Geschichte erzählen, mit der man mit dem Gast auch ein Gespräch beginnen kann, ohne den ganzen Abend über Schnaps zu reden.“ [6]

Wir waren uns bis vor kurzem gar nicht darüber bewußt, was für ein seltener Moment uns gegönnt war. Wie Mario Kappes bei seiner Abschiedsveranstaltung im Februar dieses Jahres im Le Lion im Zusammenhang mit dem Professor Langnickel erklärte, kreierte er nur sehr selten ad-hoc einen Drink für einen Gast. Vielen Dank, Mario, daß Du für uns eine Ausnahme gemacht hast und der Welt diesen Drink geschenkt hast. Der Cus D’Amato ist – wie Mario richtig festgestellt hat – die Quintessenz dessen, was er in den letzten 21 Jahren gelernt hat, ein perfekter Drink ohne Zeste, ohne Bindeglied. Auf dieser Abschiedsveranstaltung wurde übrigens als letzter Drink der Cus D’Amato gereicht und die letzte Flasche des 1993 destillierten Glenfarclas Oloroso des Le Lion geleert.

Leider funktioniert der 1996 destillierte Glenfarclas Oloroso nicht im Cus D’Amato so wie der 1993er. Wer also noch eine Flasche des Letztgenannten besitzt oder eine Flasche davon noch irgendwo finden kann, bevorzugt die 2013er Abfüllung, sollte diese unbedingt für den Cus D’Amato verwenden. Es lohnt sich. Jetzt wiederholt sich leider das, was Jörg Meyer schon im September 2014 sagte: „Ein schwarzer Tag für die trinkende Menschheit. Mario Kappes hat mir gerade einen Cus D’Amato serviert, … und jetzt stellen wir fest, es gibt den Whisky nicht mehr! Wir waren im Lager: aus. Wir waren beim Händler: weg.“ [2] Und er stellt treffend fest: „Das ist ein Weltdrink. … Und der geht nur mit diesem Whiskey“ [2]

Es dürfte mittlerweile schwierig sein, den 1993 destillierten und 2013 abgefüllten „Glenfarclas Oloroso Sherry Cask“ zu finden, doch es gibt Abhilfe. Man hat im Le Lion einen Ersatz gefunden und verwendet nun den zwölfjährigen Glendronach. Auch mit dem Compass Box Spice Tree hat man ihn dort zubereitet. Beide sind ein guter Ersatz, das Ergebnis entspricht jedoch nicht dem originalen Aromenprofil.

Auch ein Dalmore Cigar Malt soll im Cus d’Amato funktionieren und wird in Mannheim in der Bar Sieferle & Kø so angeboten. Damit ein Whiskey funktioniert, ist Mario Kappes zufolge der Anteil von Oloroso-Fässern bei dessen Reifung entscheidend. [7]

Auf dem BCB 2022 haben wir eine Alternative für den 1993er Glenfarclas gefunden, mit der sich ein köstlicher Cus D’Amato zubereiten läßt. Es ist der Old Perth, ein Blend mit feinsten in Sherryfässern gereiften Malt Whiskies. Allerdings ist mit ihm der Strega nicht perfekt eingebunden, wenn man 60 ml verwendet – mit 70 ml hingegen wird es perfekt und ein gelungener Ersatz zum originalen Glenfarclas.

Quellen
  1. http://www.jrgmyr.com/2014/09/cus-damato-cocktail-von-mario-kappes.html: Cus D’Amato Cocktail von Mario Kappes. Von Jörg Meyer, 11. September 2014.
  2. https://www.youtube.com/watch?list=UUBOAWnmYmv8jMTvC4jdbahA&v=YBN8V4y5n5o: Cus D’Amato Cocktail von Mario Kappes. Von Jörg Meyer, 11. September 2014.
  3. https://en.wikipedia.org/wiki/File:Mike_Tyson_Portrait_lighting_corrected.jpg: File:Mike Tyson Portrait lighting corrected.jpg
  4. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Cus_D’Amato,_Boxing_Icon.jpg: File:Cus D’Amato, Boxing Icon.jpg
  5. https://bildungstrinken.com/3-mario-kappes-don-raphael-professor-langnickel-cus-damato/: Mario Kappes: Don Raphael, Professor Langnickel, Cus D’Amato.
  6. http://mixology.eu/drinks/cus-damato-cocktail/: Der Drink mit dem besonderen Punch, Cus D’Amato. Vom 12. November 2014.
  7. Roland Graf: Anatomie des Amaro. Mixology 2/2021, Seite 34-42.
  8. https://www.facebook.com/photo/?fbid=10153043000394726&set=pcb.10153043000719726  , https://www.facebook.com/photo?fbid=10153043000464726&set=pcb.10153043000719726 und https://www.facebook.com/photo?fbid=10153043000549726&set=pcb.10153043000719726 von https://www.facebook.com/mario.kappes/posts/pfbid02GGzYe78ubMyhub3FB92HpP5SiSp7SEFskHi2uo8cT2bxGy7B3evovjQRPc1oPh2Tl Mario Kappes beim zubereiten eines Cus D’Amato.
Cus D'Amato.
Cus D’Amato.

Rezepte

2014 Jörg Meyer: http://www.jrgmyr.com/2014/09/cus-damato-cocktail-von-mario-kappes.html. Cus D’Amato Cocktail. Rührglas, extra kaltes Eis: 60 ml Glenfarclas Oloroso Sherry Cask, 20 ml Liquore Strega, 5ml D’Arbo Himbeersirup. Stir, strain in Cocktailschale, enjoy.

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Hallo, ich bin Armin, und in meiner Freizeit als Blogger, freier Journalist und Bildungstrinker möchte ich die Barkultur fördern. Mein Schwerpunkt liegt auf der Recherche zur Geschichte der Mischgetränke. Falls ich einmal eine Dir bekannte Quelle nicht berücksichtigt habe, und Du der Meinung bist, diese müsse berücksichtigt werden, freue ich mich schon darauf, diese von Dir zu erfahren, um etwas Neues zu lernen.

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