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Föhr Manhattan

Föhr Manhattan.

Ihr seid auf der Suche nach einem idealen Party-Getränk, das nicht auf Eis gerührt werden muß, sich einfach vorbereiten läßt und zudem noch äußerst schmackhaft ist? Versucht es mit dem „Föhr Manhattan“. Ihr werdet sicherlich nicht enttäuscht sein.

1 Teil Bourbon oder Canadian Whiskey
1 Teil roter Wermut
1 Teil weißer Wermut
(Cocktailkirsche als Garnierung)

Zubereitung: Die Zutaten in eine Flasche geben und im Kühlschrank kühlen. Einschenken und mit einer Cocktailkirsche garnieren. Fertig.

Anmerkung: Wer es etwas würziger mag, kann auch einen Rye Whiskey verwenden, auch wenn das Ergebnis dann kein Manhattan mehr ist, wie man ihn auf Föhr serviert bekommt. Man könnte weiterhin vom Rezept abweichen, indem man doch mit Eis rührt, beispielsweise weil man die gekühlte Mischung nicht bereit hat. Auch das schmeckt, ist aber kein original Föhr Manhattan mehr. Wenn es ein Rye sein soll, schmeckt die Kombination aus Jack Daniels Rye, Moot Wermut und Dolin Blanc vorzüglich. Wenn es doch ein Bourbon sein soll, so mundet uns der Woodford Reserve Bourbon.

Alternativ und von uns aktuell bevorzugt:

30 ml Eagle Rare 10 Bourbon
30 ml Berto Rosso Superiore
30 ml Dolin Blanc
(Cocktailkirsche als Garnierung)

Nach dem Niedergang des Walfangs brachen auf Föhr schwere Zeiten an. Zuvor wurden die meisten holländischen und englischen Grönlandfahrer mit Inselfriesen bemannt, und Ende des 18. Jahrhunderts lebten auf Föhr rund 1000 Seefahrer, darunter 150 Schiffsführer, auf der Insel. [1] Doch dann entfiel diese Quelle des Reichtums. Übrig blieb nur die Landwirtschaft und die Lebensverhältnisse wurden ärmlicher. Infolge dessen kam es zu einer Auswanderungswelle in die USA. Zu Hunderten verließen die Föhrer ihre Insel. Viele von ihnen ließen sich in New York City nieder, und man soll dort sogar von der „Friesen-Connection“ gesprochen haben. Auf die Frage danach, wohin man auswandere, soll die Standardantwort gelautet haben, daß man nach New York auswandere, da man in Hamburg ja niemanden kenne. Von dort gab es auch Rückkehrer auf die Insel, und sie brachten aus New York den Manhattan Cocktail mit zurück. Man hatte diesen bereits in New York bei friesischen Zusammenkünften getrunken, und schon bald etablierte sich der Brauch des Manhattan-Trinkens auch auf Föhr. [2] [4] [5] Praktisch jeder Föhrer hat den Föhr Manhattan fertig gemixt bei sich im Kühlschrank stehen, und schenkt ihn zu jedem Anlaß ein, sei es zu Geburtstagen, Feiertagen oder Sonntagen. Oder aber einfach nur, weil der Nachbar vorbeigekommen ist, um Hallo zu sagen. [5]

Als Beispiel für diese Angewohnheit seien Christa und Ocke Bohn zitiert, zum Zeitpunkt des Interviews 88 Jahre alt. „Zwei Flaschen stehen bei uns immer im Kühlschrank“, berichten sie, und sagen „Der Likör schmeckt und erinnert uns an Amerika.“ Ocke Bohn, geboren 1929 in den USA, kam mit seinen Eltern 1945 zurück nach Föhr, fuhr dann 1950 zurück nach New York und blieb dort bis zum Jahr 1961. Mit seiner aus Föhr stammenden Frau betrieb er dort in Long Island einen „New York Deli“, in dem es immer frisches Essen, Salate und Sandwiche gab. Jeder ihrer Besucher bekommt bei ihnen heute einen Manhattan Cocktail serviert. „Ganz normal auf Föhr. Was sollen wir denn auch sonst anbieten? Tee etwa?“, so sagen sie. [2] [4] [5]

Eine ähnliche Geschichte erzählt Jan Robert Hinrichsen. 1865 wanderte sein Ururgroßvater Hinrich Cornelius nach New York aus und kehrte 15 Jahre später zurück, um Geld zurückzubringen. Sein Sohn folgte der Tradition und verließ Föhr 1905, um in New York als Barkeeper zu arbeiten. Jan Hinrichsens Vater wurde in der Bronx geboren, und die Familie kehrte 1959 nach Föhr zurück. „Mein Vater behielt seinen amerikanischen Akzent bis zu seinem Tod bei“, sagte Jan Hinrichsen, und  „er hatte immer Heimweh nach New York, aber im Herzen war er ein Friese. Ich erinnere mich, daß er sagte, es sei für einen Friesen leichter, sich in New York willkommen zu fühlen als in Bayern.“ Er sagte auch: „Diese Insel hat harte Jahre des Walfangs und der Landwirtschaft überstanden, und das Trinken wurde Teil unseres sozialen Gefüges. Von der Geburt bis zum Tod ist es Teil dessen, was wir sind.[4]

Der Manhattan Cocktail wird auf Föhr traditionell nicht nur zu jeder Feierlichkeit, und sei sie auch noch so klein, getrunken. Inzwischen hat sich daraus auch ein erfolgreiches Geschäftsmodell entwickelt. Vor rund zwanzig Jahren, so wird berichtet, füllte Jann-Oluf Arfsten „nur zum Spaß“ 500 Flaschen Manhattan Cocktail ab, als Mischung aus kanadischem Whiskey, rotem Martini und weißem Martini. Heute verkauft er rund 6000 Flaschen pro Jahr und sagt: „Auf der Insel mischt sich jeder seinen eigenen Manhattan.“ Er sei lediglich der Einzige, der diesen in eine schöne Flasche mit einem schönen Markenzeichen abfülle. [2]

Jörg Meyer berichtete in einer E-Mail, daß der aus Föhr stammende Arne Lübcke, Barchef der Boilerman Bar am Eppendorfer Weg in Hamburg, ebenso wie Sabine Soblik ihm schon vor Jahren davon berichtet hätten, daß man auf Föhr schon seit Jahrzehnten Manhattan Cocktails trinke, und daß dieser DER Drink für jedes Inselfest sei. Der klassische Föhr-Manhattan, so Arne Lübcke, wird aus gleichen Teilen Whiskey, rotem Wermut und weißem Wermut zubereitet. Jörg Meyer schreibt: „Arne sagt, ein klassischer FÖHR MANHATTAN ist einfach: Gleiche Teile Whiskey, Roter Vermouth und weißer Vermouth. Mixgefäß gerne von 10 Liter bis Badewanne. Auf der Insel war Rye unbekannt, Canadian Club irgendwann ‚zu teuer‘ und seither wird lustig Bourbon vermischt. Und knallrote Chemie-Kirschen.[3]

Ich habe Arne kontaktiert, weil ich noch ein paar Fragen hatte und nichts falsches berichten wollte, und er bestätigt: „Ich bin praktisch damit aufgewachsen. Es sind immer gleiche Teile. Als Whiskey wird meistens Bourbon oder Canadian benutzt. Beim Wermut werden keine Unterschiede gemacht, Hauptsache ‚Bianco und Rosso‘. Dann kommt alles in den Messbecher und ab in die Flaschen und in den Kühlschrank. Und dazu gibt es immer eine Cocktailkirsche. So bekommst du ihn in jedem Haushalt gerne auch schon am Nachmittag zum Kaffee&Kuchen-Essen, ohne Eis und ohne Rühren direkt ins Glas.[6] Auf meine Frage, ob auch ein Rye Whiskey eine akzeptable Zutat wäre, antwortete er, er fände dies zwar gut, aber „auf der Insel würdest du ihn so aber nicht bekommen“. [6]

Was macht den Föhr Manhattan zu einer eigenständigen Spielart des Manhattan Cocktails? Er zeichnet sich dadurch aus, daß er „roten Wermut“ und „weißen Wermut“ mit Bourbon oder Canadian Whiskey zu jeweils gleichen Teilen kombiniert. Zwar ist man auf die Idee, im Manhattan verschiedenen Wermut miteinander zu kombinieren, spätestens im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gekommen. Louis Muckensturm gibt einen Hinweis darauf im Jahr 1906, interessanterweise ebenfalls für einen in Flaschen abgefüllten Manhattan Cocktail. Seine Rezeptur weicht jedoch vom Föhr Manhattan ab: [7-53]

Man nehme acht Unzen französischen Wermut,
vier Unzen italienischen Wermut,
zwölf Unzen Roggenwhiskey,
ein Likörglas Curaçao,
ein halbes Likörglas Orangenbitter und
vier volle Spritzer Angostura-Bitter.

Take eight ounces of French Vermouth,
Four ounces of Italian Vermouth,
Twelve ounces of Rye whiskey,
One liqueur-glass of Curacao,
Half a liqueur-glass of orange bitters, and
Four full dashes of Angostura bitters.

Auch danach gibt es immer wieder ähnliche Rezepte. Ihnen ist jedoch gemein, daß sie immer mehr Whiskey verwenden, nicht jedoch alle drei Komponenten zu gleichen Teilen, und zudem noch andere Komponenten wie Likör oder Bitter Anwendung finden. Keines der von uns gefundenen Rezepte, die wir in unserem Beitrag zum Manhattan Cocktail als Anhang beigefügt haben, entspricht jedoch einem Föhr Manhattan.

Quellen
  1. https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%B6hr Föhr.
  2. https://web.archive.org/web/20210415044418/https://www.lets-sea.com/sieben-sachen/manhattan.html Manhattan.
  3. E-Mail von Jörg Meyer vom 5.12.2019.
  4. http://www.bbc.com/travel/story/20200225-fhr-the-german-island-obsessed-with-manhattan Föhr: The German island obsessed with Manhattan. Mike MacEacheran, 26. Februar 2020.
  5. https://www.mare.de/einmal-new-york-und-zuruck-content-4588 Marc Bielefeld: Einmal New York und zurück. Mare, No. 143, Dezember 2020/Januar 2021.
  6. Mitteilung von Arne Lübcke vom 3. Januar 2022.
  7. Louis Muckensturm: Louis‘ Mixed Drinks With Hints for the Care & Serving of Wines. Boston & New York, H. M. Caldwell Co., 1906
Föhr Manhattan.
Föhr Manhattan.

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Hallo, ich bin Armin, und in meiner Freizeit als Blogger, freier Journalist und Bildungstrinker möchte ich die Barkultur fördern. Mein Schwerpunkt liegt auf der Recherche zur Geschichte der Mischgetränke. Falls ich einmal eine Dir bekannte Quelle nicht berücksichtigt habe, und Du der Meinung bist, diese müsse berücksichtigt werden, freue ich mich schon darauf, diese von Dir zu erfahren, um etwas Neues zu lernen.

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