Drinks

Professor Langnickel

Professor Langnickel. Beitragsbild. © Le Lion - Swetlana Holz.

Diesen Drink von Mario Kappes, entstanden im Le Lion, muß jeder Kirschen-Liebhaber unbedingt probiert haben. Es ist der ultimative Kirschen-Drink.

30 ml Morand Kirsch
20 ml Guignolet de Dijon von Gabriel Boudier
20 ml Lustau San Emilio Pedro Ximénez Sherry
Zitronenzeste
3 in Kirschbrandy eingelegte Maraska-Kirschen als Garnitur

Zubereitung: Gerührt, mit Zitronenzeste abspritzen und mit drei in Kirschbrandy eingelegten Maraska-Kirschen garnieren.

Alternativ und von uns aktuell bevorzugt:

30 ml Humbel Baseler Langstiel (Kirsch)
20 ml Guignolet de Dijon von Gabriel Boudier
20 ml Lustau San Emilio PX Sherry
(Zitronenzeste)
(Kirschen)

Zubereitung: 3 Eiswürfel, 20 Sekunden (60 Mal) gerührt, mit Zitronenzeste abspritzen und mit drei in Kirschbrandy eingelegten Maraska-Kirschen garnieren.

Am Sonntag, den 20. Januar 2008 betraten Professor Langnickel und seine Gemahlin das Le Lion in Hamburg. Sie saßen an Tisch 20, von der Bar gesehen der erste Tisch links. Sie wollten etwas mit Brandy oder Sherry und wünschten sich eine Empfehlung von Mario Kappes, der eine Vorliebe für spanischen Brandy und Sherry hat, und er servierte zunächst seinen Don Raphael, der aus eben diesen beiden Hauptzutaten besteht. Dieser Drink gefiel, man kam ins Gespräch. Es folgten weitere Drinks mit Sherry. Doch irgendwann gingen Mario die Rezepte aus, und schließlich kam es zu diesem Moment, in dem es dann passiert: ein neuer, großartiger Drink wird geboren. [1] [3] [4] [5]

Marios Angaben zufolge gab er den Sherry zunächst in ein Rührglas, roch daran, probierte auch etwas davon und hatte die Eingebung, damit Kirsche zu kombinieren. Eine Kirsche, die satt und süß dazu kommen muß. Er gab den Guignolet hinzu, doch das Ergebnis war noch nicht ganz überzeugend, da die Kirsche gegen den Sherry nicht an kam. Es fehlte ein Bindeglied in Form eines hochprozentigen Alkohols. Zunächst dachte er an gängige Spirituosen wie Gin, Rum, oder irgendetwas Ungelagertes. Nun stand dort aber auch eine Flasche Kirschwasser. Bis dahin war es für Mario noch keine gängige Praxis, mit Bränden zu mixen. Aber da er die Kirscharomen nach vorne bringen wollte, lag es nahe, das Kirschwasser zu wählen. [5]

In dem Moment, in dem Mario mit der Zubereitung anfing, sah Jörg Meyer über seine Schulter, sah die Flasche des Morand Kirschwassers und des Guignolets und kombinierte, daß der nächste Drink wohl ein „Dr. Sack“ werden würde. [1] [3] [4] [5] Da es gut zu dieser Geschichte paßt, wollen wir daher an dieser Stelle einen kurzen Ausflug unternehmen und über den „Dr. Sack“ berichten.

Jörg Meyer hatte diesen Drink in der Old Fashioned Bar in Hamburg kennengelernt, wo er von Achim F. Eberhardt zubereitet wurde. Letzterer gab an, daß es im Adlon Hotel in Berlin einen Stammgast mit dem Namen „Dr. Sack“ gegeben hätte, der immer einen eiskalt gerührten Drink aus jeweils einem Drittel Kirschwasser, Kirschbrandy und Gin bestellt hätte. Irgendwann wäre diese Mischung von den Bartendern des Hotels ebenfalls „Dr. Sack“ genannt worden. Wie Jörg berichtet, ist es ein selten anzutreffender Drink. Er habe ihn nur in der Old Fashioned Bar gesehen und auf einigen alten Rezeptlisten der Deutschen Barkeeper-Union. Es ist ein schwierig zu handhabender Drink, da er nur mit dem richtigen Kirschwasser und dem richtigen Kirschlikör funktioniert. [1] [5]

In alten Büchern sind wir daher auch nicht auf den „Dr. Sack“ gestoßen, was damit zusammenhängen mag, daß der Drink nur von den Bartendern des Adlon in „Dr. Sack“ umbenannt worden ist. Man kann annehmen, daß der Drink nicht für Dr. Sack entwickelt wurde, sondern nur von ihm bestellt wurde. Diese These stützt sich auf unseren Funden in den alten Büchern. Die Mischung aus gleichen Teilen Kirschwasser, Kirschbrandy und Gin findet man 1935 in dem in Zürich erschienenen Buch „The Barkeeper’s Golden Book“ unter dem Namen „Baimaster“. Im selben Buch findet man unter dem Namen „Rose Swiss“ auch eine Mischung aus zwei Teilen Gin und je einem Teil Kirschbrandy und Kirschwasser, ein Jahr zuvor in dem in Boston erschienenen Buch „Gordon’s Cocktail and Food Recipes“ den „Francaise Rouge“ aus zwei Teilen Gin und jeweils einem Teil Kirschbrandy und Kirschwasser. Als Kuriosität sei noch der 60°-Cocktail aus dem Jahr 1947 genannt, der zusätzlich noch zwei Dash Kümmel verwendet.

Wie Jörg Meyer berichtet, fragte er aufgrund seiner Beobachtung also „Oh … ein Dr. Sack?“, doch dieser war Mario Kappes nicht bekannt und das Gespräch wurde fortgesetzt mit „Dr. Sack? Nee, kenne ich nicht…“„ Ok, was mixt Du denn da?“„Möchte Herrn Langnickel noch einen Sherry Drink kredenzen, hab eine Idee, aber bin mir nicht sicher ob es funktioniert“. Mario rührte den Drink, gab ihn ins Glas und merkte, daß es ein sehr fordernder Drink ist, der noch ein kleines Bindeglied in Form einer Zitronenzeste benötigte. [1] [5]

An dieser Stelle wollen wir nun Jörg Meyer zitieren, denn er beschreibt das Ergebnis sehr treffend:  „Mario gab die drei Zutaten, 2 cl PX Sherry, 2 cl Guignolet de Dijon/Gabriel Boudier und gut 4 cl Morand Kirschbrand ins Rührglas, rührte kräftig, seihte ins vorgekühlte Cocktailglas ab und gab eine Zitronenzeste über und in den Drink. Herr Langnickel war begeistert! Er musste sofort einen zweiten mixen und wir probierten: Unglaublich komplex! Kirschwasser, angenehm auf Trinkstärke herabgesetzt aber deutlich zu schmecken. Das Likörwunder aus Dijon entfaltete einen wunderbaren Kirschgeschmack ohne auch nur einen Hauch von Süß zu sein. Der PX kam ganz zum Schluss, wenn auch noch ein wenig zart, fast pflaumig, sorgte er für einen langen Abgang. Wir änderten beim nächsten „Langnickel“ zwei Dinge und sind Beide der Meinung, damit ein perfektes Rezept gefunden zu haben. Die Zitronenzeste wurde nur noch über dem Drink abgespritzt und nicht mehr hinein gegeben. Statt dessen gab es 3 echte in Kirschbrand und Maraschino eingelegte Maraska-Kirschen die perfekt zum Drink passten. Zum anderen reduzierten wir den Kirschbrand um 1 cl um es kam zu einer perfekten Harmonie der drei Zutaten.“ [1] [4]

Dieser Drink funktioniert wie auch schon der „Dr. Sack“ nur mit dem richtigen Kirschwasser und dem richtigen Kirschlikör. [1]

Mario Kappes sagt zum ›Professor Langnickel‹: »Mir war aber bald klar, dass man diesen Drink im Vorfeld erklären muss. Wenn der Gast Kirsche liest und sich auf eine entspannte Fruchtbombe freut, wird es schwierig.“ Wichtig bei der Zubereitung ist der Guignolet, denn: „Jeder andere Kirschlikör funktioniert nicht, zumindest keiner, den ich ausprobiert habe. Der Guignolet de Dijon von Boudier ist am gesamten Konstrukt am wenigsten austauschbar. Das Destillat wiederum muss als Gegengewicht ein klares, eindeutiges Kirschdestillat sein, auf jeden Fall eines ohne Saft oder Süßungsanteil. Mit zu fruchtdominierten Spirituosen funktioniert der Drink nicht.« Ein Kirschdestillat wurde gewählt, denn  »Wenn man Kirschlikör und PX Sherry mit Whiskey oder Rum mischt, ist das Ergebnis ein Einheitsbrei. Dann ist der Drink nicht mehr differenziert.« Mario fügt noch hinzu: »Ich bin eigentlich kein Freund davon, überall zu zesten. Aber dieser Drink braucht es. Die Zitronenzeste hilft der gesamten Fruchtigkeit. Ohne sie kann der Drink sehr süß und anstrengend werden, wenn er sich erwärmt. Wir haben damals teilweise sogar ein zweites Mal nachgezestet.« [6]

Doch kommen wir nun noch zum Namen. Der Drink hatte ja noch keinen, aber es war schnell klar, daß er nur nach dem Gast benannt werden konnte. Dieser war Professor Langnickel aus Köln, der dort mit seiner Gemahlin Anne seit Jahren die Barfly Cocktailbar betrieb. Er ist Professor der Soziologie und beide hatten ursprünglich nichts mit der Gastronomie zu tun. Beide waren jedoch so von der Barkultur, den dazugehörigen Drinks und Geschichten fasziniert, daß sie sich dazu entschlossen, eine eigene Bar zu eröffnen. [1] [3] [4] [5]

Nachdem Jörg ursprünglich an einen „Dr. Sack“ gedacht hatte und nun – unserer Meinung nach – ein viel besserer Drink, sozusagen ein „Dr. Sack 2.0“ enstanden war, lag es nahe, aus dem „Dr.“ einen „Professor“ zu machen und den Drink nach dem Gast zu benennen, für den er entstanden war. [3]

Quellen
  1. http://bitters-blog.blogspot.de/2008/01/geschichten-der-bar-oder-wie-ein-drink.html: Geschichten der Bar – oder wie ein Drink entsteht: Professor Langnickel. Von Jörg Meyer, 25. Januar 2008.
  2. http://www.jrgmyr.com/2009/08/professor-langnickel-by-mario-kappes-by_16.html: Professor Langnickel by Mario Kappes, „Hommage“ by Jay Hepburn. Von Jörg Meyer, 16. August 2009.
  3. https://www.youtube.com/watch?v=7t4YvDbd4wU&feature=youtu.beLe Lion Part 4 – Professor Langnickel. Von Jay Hepburn, hochgeladen am 5. Mai 2009.
  4. https://medium.com/@BarLeLion/how-to-mix-a-professor-langnickel-f3e900798ceb: How to mix a Professor Langnickel. Text von Jörg Meyer.
  5. http://bildungstrinken.com/3-mario-kappes-don-raphael-professor-langnickel-cus-damato/: Mario Kappes: Don Raphael, Professor Langnickel, Cus D’Amato.
  6. https://mixology.eu/professor-langnickel-cocktail-kirschwasser-sherry/ Professor Langnickel: Die Tollheit der Kirsche. Von Stefan Adrian, 30. April 2021.

Rezepte zum Professor Langnickel

2008 Jörg Meyer: Geschichten der Bar – oder wie ein Drink entsteht: Professor Langnickel. [1] Professor Langnickel. 3 cl Morand Kirsch Vieux; 2 cl Guignolet de Dijon von Gabriel Boudier; 2 cl Pedro Ximénez Monteagudo Sherry. Rühren, in die vorgekühlte Cocktail Schale strainen. Zitronenzeste über dem Drink zerdrücken. 3 Original in Kirschbrandy eingelegte Maraska Kirschen als Garnitur.

2009 Jörg Meyer: Professor Langnickel by Mario Kappes, „Hommage“ by Jay Hepburn. [2] Professor Langnickel. 3 cl Morand Kirsch Vieux; 2 cl Guignolet de Dijon von Gabriel Boudier; 2 cl Pedro Ximénez Sherry; Rühren, in die vorgekühlte Cocktail Schale strainen. Zitronenzeste über dem Drink zerdrücken. 3 Original in Kirschbrandy eingelegte Maraska Kirschen als Garnitur.

2009 Mario Kappes: Le Lion Part 4 – Professor Langnickel. Von Jay Hepburn. [3] Professor Langnickel. 4 cl Morrand Kirsch; Lustau Pedro Ximénez; 2 cl Guignolet de Dijon von Gabriel Boudier; lemon twist; cherries.

Historische Rezepte zum „Dr. Sack“

1934 Harry Jerrold Gordon: Gordon’s Cocktail and Food Recipes. Seite 85. Francaise Rouge.

2 Dry Gin
1 Cherry Brandy
1 Kirsch
Ice. – Stir well. Strain into Cocktail Glass

1935 George Pillaert: Le Bar Américan. Seite 29. Rose Cocktail.

1/3 Gordon’s Gin
1/3 Cherry Rocher
1/3 Kirsch
Garnir une cerise               Tumbler

1935 O. Blunier: The Barkeeper’s Golden Book. Seite 78. Baimaster.

1/3 Cherry Brandy
1/3 Dry Gin
1/3 Kirsch

1935 O. Blunier: The Barkeeper’s Golden Book. Seite 131. Rose Swiss.

1/4 Cherry Brandy
1/4 Dry Gin
1/2 Kirsch

1947 Pedro Chicote: Cocktails mundiales. Seite 239. 60° Cocktail.

Prepárese en cocktelera:
Unos pedacitos de hielo.
Dos golpes de kummel.
1/4 de kirsch.
1/4 de Cherry Rocher.
1/2 de gin Peter’s.
Agítese y sírvase en copa de cocktail.

1956 Patrick Gavin Duffy: The Official Mixer’s Manual. Seite 50. Lady Finger.

1/2 Dry Gin
1/4 Kirsch
1/4 Cherry Brandy
Stir well with ice and strain into
glass.

1957 Henri Barman: Cocktails et autres boissons mélangées. Seite 56. Lady Finger.

Timbale à mélange, glace
1/2 Dry Gin
1/4 Kirsch
1/4 Cherry Brandy
Bien remuer en timbale et
passer dans verre à cocktail.
Mélangeur électr. : voir note.

1977 Stan Jones: Jones‘ Complete Barguide. Seite 325. Lady Finger.

Cocktail Glass Stir
1-1/2 oz gin
1/2 oz Kirsch
1/2 oz cherry flavored

explicit capitulum
*

über

Hallo, ich bin Armin, und in meiner Freizeit als Blogger, freier Journalist und Bildungstrinker möchte ich die Barkultur fördern. Mein Schwerpunkt liegt auf der Recherche zur Geschichte der Mischgetränke. Falls ich einmal eine Dir bekannte Quelle nicht berücksichtigt habe, und Du der Meinung bist, diese müsse berücksichtigt werden, freue ich mich schon darauf, diese von Dir zu erfahren, um etwas Neues zu lernen.