Signature Drinks

Franz I. a.k.a. Françoise premier

Franz I.

Dies ist für uns ein außerordentlich wichtiges Mischgetränk, welches uns in seiner Aromatik immer wieder gleichermaßen fordert und begeistert.

60 ml Trois Rivières 8 Rhum
15 ml Lustau Los Arcos Sherry
5 ml Chartreuse gelb

Zubereitung: Gerührt.

Alternativ und von uns aktuell bevorzugt:

60 ml Trois Rivières 8 Rhum
15 ml Lustau Amontillado Escuadrilla Sherry
5 ml Chartreuse gelb

Die Entstehung

Dieses Rezept entstand am 6. Januar 2016. Zwei Tage zuvor war bei uns eine Lieferung des achtjährigen Rums von Trois Rivière eingetroffen. Diesen hatten wir zuvor, am 28. Dezember, im hamburgischen Le Lion von Jan-Phillip Fricke zusammen mit anderen Rums zur Verkostung erhalten, denn wir hatten ihn nach empfehlenswerten Rums und Rhums gefragt.

Ich probierte ihn erneut und war der Meinung, daß dazu vielleicht ein Sherry passte. Ein wenig Abrundung wurde noch benötigt, und der gelbe Chartreuse zeigte beste Ergebnisse. Gerade soviel, um wie ein Gewürz im Hintergrund zu wirken, ohne dabei zu dominant wahrgenommen zu werden.

Die Namensgebung

Die Namensgebung jedoch erwies sich als schwierig. Egal, wie kreativ wir dachten, nichts paßte; auf die verschiedenen Ideen und warum wir uns gegen sie entschieden, möchten wir nicht näher eingehen. Wir beschlossen, das folgende Wochenende erneut unsere Assoziationen spielen zu lassen, aber wiederum ergebnislos.

Chambord.
Chambord. [5]

Wie der Zufall es wollte, sahen wir auf ARTE die 2015 entstandene Dokumentation „Pracht und Prunk an der Loire: Schloss Chambord“ von Marc Jampolsky. Während wir also darüber grübelten, wie unser Mischgetränk heißen könnte, hörten wir diesen Text aus der Dokumentation: „Franz der Erste hat den Salamander als Emblem gewählt, verbunden mit dem Wahlspruch ’nutrisco et extinguo‘, also sinngemäß ‚ich nähre mich vom guten Feuer, und lösche das schlechte‘. Der Salamander ist Sinnbild für die Tugenden der guten Regierung und steht außerdem für die Eloquenz des Königs. Diese Eloquenz wird meistens durch Wasser dargestellt, aber auch durch Feuer. Das Wort ist stärker als Waffen. Der Salamander gilt als Tier der Eintracht. Manch einer hat einen Knoten im Schwanz in Form einer Acht. Das ist der Knoten der Eintracht. Er ist allgegenwärtig. Das Schloß könnte auch als Palast der Eintracht interpretiert werden.[1-1:25]

Der Salamander, das Emblem von König Franz I., mit seinem Motto: „Nutrisco et extinguo“ - Château d'Azay-le-Rideau
Der Salamander, das Emblem von König Franz I., mit seinem Motto: „Nutrisco et extinguo“ – Château d’Azay-le-Rideau. [6]

Als wir „ich nähre mich vom guten Feuer, und lösche das schlechte“ hörten, machte es „Klick“, denn WIR nähren uns gerade von etwas Gutem. Warum nicht das Getränk nach ihm benennen?

Franz I.

Wer war Franz I. überhaupt? Geboren wurde er im Jahr 1494 und wurde 1515 zum König von Frankreich gekrönt. Mit dem Bau des Schlosses Chambord begann er 1519. Er war der erste französische König der Renaissance, mit humanistischer Bildung, und gilt als ein bedeutender Renaissancefürst, der Künste und Wissenschaften großzügig förderte, so daß es während seiner Herrschaft zu einer bedeutenden Entwicklung der Künste in Frankreich kam. Über Agenten ließ er viele Werke italienischer Künstler wie Michelangelo, Tizian und Raffael aufkaufen und legte so den eigentlichen Grundstock der königlichen Gemäldesammlung, die heute im Louvre ausgestellt ist. Er vergab auch zahlreiche Aufträge und ließ Künstler nach Frankreich holen, unter anderem auch Leonardo da Vinci im Jahr 1516, der bis zu seinem Tod im Jahr 1519 in Frankreich blieb. Franz I. erließ im Jahr 1539 auch das Edikt von Villers-Cotterêts, mit der das Französische das Latein als Kanzleisprache ersetzte. [2] [3]

Salamander in Chambord.
Salamander in Chambord. [9]

Überall in Chambord findet man das „F“, die Verschmelzung von Franz und Frankreich, sowie das Wappentier des Königs, den Feuer speienden und von Feuer umgebenen Salamander, die Idee Franz I. des im und vom Feuer lebenden Feuersalamanders, im übertragenen Sinne so viel bedeutend wie „Leben vom guten Feuer und vernichten der schlechten Feuer“. [4]

Leonardo da Vinci schrieb über den Salamander „Der Salamander hat keine empfindlichen Glieder und kümmert sich um keine andere Nahrung als um Feuer, worin er oft seine Haut erneuert. Gilt für die Tugend.[7-56] oder auch: „Der Salamander verfeinert im Feuer seine Schale: – gilt für die Tugend. Er hat keine leidensfähigen Glieder und kümmert sich um keine andere Speise als Feuer, und häufig erneuert er in diesem seine Schale.[8-238]

Franz I., zwischen 1527 und 1530.
Franz I., zwischen 1527 und 1530. [18]

1519 bewarb sich Franz I. neben anderen Fürsten als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, da Maximilian gestorben war. Die sieben Kurfürsten entschieden sich jedoch für den Habsburger Karl V., denn sie waren mithilfe der Fugger mit einer höheren Summe gekauft worden. Daraus entwickelte sich zwischen Franz I. und Karl V. eine Feindschaft, und ein von 1516 bis 1756 andauernder Konflikt, der als habsburgisch-französischer Gegensatz bekannt ist, bei dem es zwischen dem Haus Habsburg und dem Königreich Frankreich um die Vorherrschaft in Europa ging. [2] [10]

Die Politik Franz I. zielte darauf ab, sich nicht von Österreich einkreisen zu lassen. [2] In Italien kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Um es kurz zu machen: am 24. Februar 1525 geriet Franz I. in der Schlacht bei Pavia in spanische Gefangenschaft und wurde zunächst in ein nahegelegenes Kloster der Kartäuser gebracht, in die Certosa di Pavia. Am 19. Juni 1525 traf er in Barcelona ein, ab dem 20. Juli 1525 war er in Madrid. Um freigelassen zu werden, mußte er dem Frieden von Madrid zustimmen. Seine beiden Söhne mußte er in Spanien zurücklassen, und sie wurden bis 1530 auf verschiedenen kastilischen Festungen gefangen gehalten; denn in Paris angelangt widerrief Franz I. den Frieden von Madrid, da er unter Zwang gehandelt habe, und es kam erneut zum Krieg mit Karl V. [2] [12] [14] [15]

Eleonore von Frankreich, kurz nach 1530.
Eleonore von Kastilien, kurz nach 1530. [19]

Am 4. Juli 1530 heiratete Franz I. Eleonore von Kastilien, die Lieblingsschwester von Kaiser Karl V., die auch Erzherzogin von Österreich war und Infantin von Spanien, und so Königin von Frankreich wurde. Dadurch ergab sich ein französisch-spanisches Bündnis und die Söhne Franz I. wurden freigelassen. [2] [11]

Wichtig war auch die von Franz I. begründete französische Kolonialpolitik. Er erkannte niemals den Alleinanspruch Spaniens und Portugals auf die Gebiete Neue Welt an. Deshalb entsandte er im Jahr 1534 Jacques Cartier, um Nordamerika zu erforschen und legte so den Grundstein für die spätere Kolonie Neu-Frankreich. [2]

Parallelen der Rezeptur mit der Biographie des Königs

Ist es nicht interessant, daß sich in diesem Mischgetränk, das zunächst nur zufällig nach Franz I. benannt wurde, offensichtlich Elemente seiner eigenen Biographie finden lassen? Der Rhum Agricole symbolisiert seine Initiative in der Kolonialpolitik, die letztendlich dazu führte, daß es französische Karibikinseln und damit Rhum Agricole gab.

Bei seiner Gefangennahme wurde er zunächst in einem Kloster der Kartäuser einquartiert, was durch den gelben Chartreuse versinnbildlicht wird. Die Heirat mit Eleonore von Kastilien integrierte das spanische Element in den französischen Hintergrund – im Getränk spielt spanischer Sherry eine gewichtige Rolle.

Auch in Jerez de la Frontera, dort wo der Sherry herkommt, gab es damals eine Kartause – womit auch Sherry und Chartreuse miteinander in Verbindung stehen. Der Kartause in Jerez de la Frontera kommt übrigens eine besondere Bedeutung in der Zucht des Kartäuser-Pferdes zu, einer besonderen Zuchtform der „Andalusier“. [16] [17]

Zwar wurden Kartausen zunächst in abgelegenen Gegenden gegründet, später aber auch in Städten, und diese Stadtkartausen wurden zu Zentren des Humanismus. [13] Franz I. galt als humanistisch gebildeter König, und hier ergibt sich also ein weiteres verbindendes Element.

Wir sehen also, daß im Getränk das französische, das spanische, und das Kartäuser-Element entsprechend der Biographie Franz I. miteinander vereint sind.

Was macht Franz I. so besonders?

Vermutlich funktioniert dieses Mischgetränk nur richtig mit unserer achtjährigen Abfüllung. Wir haben auch andere Abfüllungen versucht, VSOP oder zwölfjährigen, mit denen sich der Charakter des Getränks jedoch verändert. Was die achtjährige Abfüllung auszeichnet, sind seine deutlichen Pilz-Aromen. Gleichzeitig zeigt er noch eine gewisse Fruchtigkeit, und die Faßaromen sind noch nicht zu stark ausgeprägt. Wir haben vor dem Hintergrund dieser Problematik lange überlegt, ob wir dann über dieses Getränk schreiben sollten, denn vermutlich wird sich die Suche nach einem Ersatz ähnlich schwierig gestalten, wie beim Cus D’Amato.

Wir haben uns aber trotzdem dafür entschieden, denn es ist für uns ein außerordentlich wichtiges Mischgetränk. Es ist außergewöhnlich. Die Aromatik ist ungewohnt, einzigartig, man muß sich erst eintrinken, um alle Dimensionen zu verstehen. Es ist komplex und schwer verständlich für den ungeübten Trinker, ähnlich wie es auch das Broyhan-Bier ist. Wenn man es noch nie gekostet hat, ist man zunächst schlichtweg überfordert, denn man versteht nicht, was man da trinkt. Als mein Papa dieses Bier das erste mal trank, wußte er damit nichts anzufangen, es überforderte ihn. Es schmeckte anders als jedes Bier, daß er jemals getrunken hatte. Er ließ sich jedoch darauf ein und fand nach dem ersten Glas Gefallen daran, denn er begann sich einzutrinken und die Komplexität zu verstehen. Selbstverständlich orderte er danach ein zweites Glas.

Ähnlich mag es auch bei Franz I. sein. Doch er ist ein Getränk ganz in dem Sinne, wie Mario Kappes seine Rezepte gerne aufbaut. Er nimmt eine Basisspirituose und vermischt sie mit weiteren Zutaten, um den Charakter dieser Basisspirituose hervorzuheben und ihr besonderes Geschmacksprofil herauszuarbeiten. So ist es auch hier. Sherry und Chartreuse heben auf wundervolle Weise den Schatz, der in diesem Rhum Agricole verborgen liegt, indem es seine Aromen deutlich akzentuiert. Franz I. stellt den Rhum in den Vordergrund, fügt ein Strahlen und eine Fruchtigkeit hinzu, und betont die ihm eigenen Aromen. Die erdige, pilzige Aromatik mögen manche als „muffig“ bezeichnen wollen; wir finden „pilzig“ zutreffender.

Das Mischgetränk ist nur für den anspruchsvollen, geübten Trinker geeignet und nicht massenkompatibel. Es ist für alle, die auf der Suche etwas Neues und Ungewöhnliches suchen, an dem sie ihren Geschmacksempfinden weiterentwickeln können. Wir möchten es als ein extremes Leuchtturm-Mischgetränk bezeichnen, fernab der „normalen“, altbekannten Geschmackserfahrungen. Was verstehen wir darunter? Stellen wir uns die Gesamtheit aller Mischgetränke als ein aufgespanntes Spinnennetz vor, auf dem jede Rezeptur anhand ihrer Aromatik ihren Platz zugewiesen bekommt. Das Netz ist an wenigen Stellen mit der Umgebung verankert. Diese Stellen werden von den Leuchttürmen besetzt. Sie sind praktisch die extremen Eck- und Ankerpunkte der Aromatik, zwischen denen die gesamte Bandbreite der übrigen Drinks aufgespannt ist.

Quellen
  1. https://www.youtube.com/watch?v=yXec4sBH4l4 ARTE-Dokumentation „Pracht und Prunk an der Loire: Schloss Chambord“, Regie: Marc Jampolsky, Frankreich 2015.
  2. https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_I._(Frankreich) Franz I. (Frankreich).
  3. https://de.wikipedia.org/wiki/Leonardo_da_Vinci Leonardo da Vinci.
  4. https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Chambord Schloss Chambord.
  5. https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:France_Loir-et-Cher_Chambord_Chateau_03.jpg Chateau Chambord.
  6. https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Nutrisco_et_extinguo_Salamandre_de_Fran%C3%A7ois_I_Azay.jpg La salamandre, emblème du roi François Ier, avec sa devise : « Nutrisco et extinguo » (« Je nourris et j’éteins ») – Château d’Azay-le-Rideau.
  7. https://books.google.de/books?id=j9GeCgAAQBAJ&pg=PA56&lpg=PA56&dq=salamander+leonardo+da+vinci&source=bl&ots=ORtBgLli7s&sig=MjJojPUpibZ44biY9n1s8LOnvZM&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjN583CirLRAhUF_ywKHYg2AlUQ6AEIaTAO#v=onepage&q=salamander%20leonardo%20da%20vinci&f=false Merlino Menzel: Leonardo da Vinci – Mona Lisa – die Weltmutter: Das geheime Vermächtnis, Band 1.2. Auflage. ISBN 9783738645996. Oktober 2015.
  8. https://books.google.de/books?id=50eWBAAAQBAJ&pg=PA238&lpg=PA238&dq=salamander+leonardo+da+vinci&source=bl&ots=xJUMDchAmJ&sig=02GB8ZWbYLe9eEezeIAxcr8Wj4U&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwinw_urj7LRAhWI1ywKHQvcAww4ChDoAQhVMAY#v=onepage&q=salamander%20leonardo%20da%20vinci&f=false Marie Herzfeld: Leonardo da Vinci. Denker, Forscher und Poet. ISBN 978-3-95801-004-8. Hamburg, 2014.
  9. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Caisson_d%27une_voute_du_ch%C3%A2teau_de_Chambord.JPG on distingue la salamandre et le F de François 1er.
  10. https://de.wikipedia.org/wiki/Habsburgisch-franz%C3%B6sischer_Gegensatz Habsburgisch-französischer Gegensatz.
  11. https://de.wikipedia.org/wiki/Eleonore_von_Kastilien_(1498%E2%80%931558) Eleonore von kastilien (1498-1558).
  12. https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Pavia_(1525) Schlacht bei Pavia (1525).
  13. https://de.wikipedia.org/wiki/Kart%C3%A4user Kartäuser.
  14. https://books.google.de/books?id=GHQvN05EAloC&pg=PA10&lpg=PA10&dq=%22franz+I%22+kart%C3%A4user&source=bl&ots=QWs4ulJvys&sig=O-6yOfVQ4lyULf1HZM9c5g7fsvc&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjNsYTZ0rTRAhXDXhQKHc_PBRYQ6AEIITAC#v=onepage&q=%22franz%20I%22%20kart%C3%A4user&f=false L. A. Millin: Reise durch die Lombardey. Mit Bemerkungen und Zusätzen von C. L. Ring. Zweiter Band. Karlsruhe, 1825.
  15. https://de.wikipedia.org/wiki/Certosa_di_Pavia Certosa di Pavia.
  16. https://en.wikipedia.org/wiki/Jerez_de_la_Frontera_Charterhouse Jerez de la Frontera Charterhouse.
  17. https://de.wikipedia.org/wiki/Kart%C3%A4user-Pferd Kartäuser-Pferd.
  18. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fran%C3%A7ois_Ier_Louvre.jpg François I, king of France, between 1527 and 1530.
  19. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Joos_van_Cleve_003.jpg Königin Eleonore von Frankreich (1498-1558), kurz nach 1530 (?).
Franz I.
Franz I.

 

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Hallo, ich bin Armin, und in meiner Freizeit als Blogger, freier Journalist und Bildungstrinker möchte ich die Barkultur fördern. Mein Schwerpunkt liegt auf der Recherche zur Geschichte der Mischgetränke. Falls ich einmal eine Dir bekannte Quelle nicht berücksichtigt habe, und Du der Meinung bist, diese müsse berücksichtigt werden, freue ich mich schon darauf, diese von Dir zu erfahren, um etwas Neues zu lernen.

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