In diesem Beitrag geht es um den Konflikt zwischen traditioneller, handwerklicher Mezcal-Herstellung und industrieller Produktion. Letztere läßt sich nur schwer mit dem Wesen des Mezcals in Einklang bringen.
Aufgrund ihres Umfangs erfolgt die Veröffentlichung dieser Abhandlung über Mezcal und andere Agavenspirituosen in mehrere Teilen, die sich wie folgt gestalten:
Manche unterscheiden bei Mezcal zwischen einer traditionellen („traditional“) und handwerklichen („artisanal“) Herstellung, doch manche sind der Meinung, daß diese Betrachtungsweise wenig zweckdienlich sei. [1-123] Beide Begriffe seien nämlich in ihrer Definition problematisch, demzufolge sei es auch die Diskussion, die daraus erwachse. Das Problem liege darin, Dinge auszuschließen. Dadurch werde impliziert, daß Mezcals, die der Definition nicht entsprächen, auch nicht dazugehörten. Beispielsweise wird angeführt, ein Mezcal mit einem Alkoholgehalt von unter 45 vol% sei nicht traditionell, auch wenn er ansonsten wie vor 400 Jahren hergestellt werde. Doch warum sollte man kein Wasser hinzugeben? Es ist schließlich auch nicht traditionell, Mezcal in Plastikbehältern zwischenzulagern. Diese gab es vor 50 Jahren noch nicht, trotzdem werden solche Mezcals als traditionell betrachtet. Auch einem in Eichenfässern gereiften Mezcal spricht man ab, traditionell zu sein, auch wenn er ansonsten wie vor 400 Jahren hergestellt wird. Unklar ist dabei, mit welcher Begründung man dies behauptet. Die Reifung fügt zusätzliche Aromen hinzu. Was sollte daran nicht im Sinne der Tradition sein? Warum sollte man nicht damit beginnen, Mezcal in einem Faß reifen zu lassen? Dabei ist Faßlagerung eigentlich auch traditionell, denn Tequila – als eine Untergruppe des Mezcals – wird immerhin seit dem 19. Jahrhundert in Fässern gereift. Das Problem ist, daß die ganze Diskussion über die Unterschiede zu dogmatisch geführt wird. [1-124ff][1-131][1-132][1-137]
Stattdessen sollte man, so schlägt John McEvoy vor, darüber diskutieren, was einen Qualitäts-Mezcal ausmacht und nicht über willkürliche Feinheiten, um zwischen traditionell und handwerklich hergestellten Mezcals unterscheiden zu können. Unter hochwertigen Mezcals versteht er Mezcals, [1-133]
die aus 100% Agave bestehen,
deren Alkoholgehalt entsprechend der Mezcal-Vorgaben zwischen 36 vol% und 55 vol% liegt,
deren Etikett Herkunftsstaat, Agavenart und Namen des Mezcaleros nennt, also desjenigen, der den Mezcal hergestellt hat,
die auch gereift sein dürfen, um zusätzliche Aromen zu ermöglichen,
für die die Agavenherzen in Erdöfen geröstet werden,
für die die Agavenherzen von Hand oder in einer Tahona zerquetscht werden,
bei denen die Fermentation an freier Luft und mit wilden Hefen erfolgt,
die in kupfernen oder irdenen Brennblasen destilliert werden,
die auf einer Palenque und nicht im industriellen Umfeld hergestellt werden.
Doch ist die Unterscheidung nach einer traditionellen und handwerklichen Herstellung – die neuesten gesetzlichen Vorgaben sprechen von „ancestral“ und „artesenal“ – durchaus eine übliche, und auf die Vorgaben sind wir im Abschnitt über die gesetzlichen Vorgaben bereits eingegangen.
Internationale Konzerne
Mezcal wird zwar noch nicht von großen internationalen Konzernen kontrolliert. Das zeigt sich darin, daß es im Gegensatz zu Tequila bei Mezcal über 9000 Hersteller gibt, aber nur einige hundert Marken. [2-158][3] Einer Industrialisierung steht der Einsatz von Erdöfen entgegen, doch wird das wohl kein Grund sein, nicht ins Geschäft einzusteigen. [1-114] Auf dem Bar Convent in Berlin 2016 verkosteten wir beispielsweise einen Mezcal, der als besonders mild angepriesen wurde. Man bewarb ihn damit, daß der „störende“ Rauch fehle, und daß man mit dem vorgestellten Produkt endlich die wahren Agavenaromen genießen könne. Das Produkt war nicht schlecht, aber es war trotz der Bezeichnung kein Mezcal, sondern ein Tequila – wie er aus gesetzlichen Gründen aber nicht heißen darf. Im Gespräch stellte sich heraus, daß man die Agaven keinesfalls traditionell in Erdöfen backt, sonder vergleichbar einem Tequila mit modernen Methoden, sonst könne man schließlich auch keine großen Mengen produzieren, so war die Begründung. Nun, hier sei die Kritik erlaubt, daß sich das Destillat zwar den gesetzlichen Vorgaben zufolge Mezcal nennen darf. Ein traditioneller Mezcal und das, was ein Mezcal eigentlich ist, ist er jedoch bei weitem nicht. Man hat ihm die Seele geraubt, das, was einen Mezcal auszeichnet. Es ist eher ein industriell hergestellter „Tequila“, der sich aber aufgrund seines Produktionsortes so nicht nennen darf. Man kann nur hoffen, daß sich solche Produkte nicht als Mezcal durchsetzen. Man sieht an diesem Beispiel, daß große Konzerne bereits versuchen, den Mezcal-Markt zu dominieren. Hier heißt es achtsam zu sein.
Man möge uns die harsche Kritik an dieser Stelle verzeihen. Es geht nicht darum, daß Tequila ein schlechtes Produkt ist. Es geht darum, daß Mezcal das bleiben soll, was er war. Handwerklich hergestellter Tequila ist ebenfalls eine hervorragende Spirituose, die wir sehr mögen. Doch sollten beide Kategorien, Mezcal und Tequila, ihre Eigenständigkeit bewahren. Darum geht es.
Die Herausforderung für die Konzerne liegt darin, die Tradition des Mezcals zu respektieren und auch bei der Herstellung größerer Volumen zu berücksichtigen. Ansonsten leidet die Qualität des Mezcals, denn Mezcal kann nicht wie Tequila hergestellt werden. [1-117] Auf jeden Fall sollte man darauf achten, einen traditionell hergestellten Mezcal zu trinken und sich für die Bewahrung der Traditionen einsetzen. Vor diesem Hintergrund und dieser Problematik haben sich Personen zusammengefunden, die die Entwicklung des Tequilas kritisch beobachtet haben. [1-115][2-158] Dank dieser Gruppen hat sich auch die Wahrnehmung des Tequilas zum Positiven hin entwickelt. Sie setzen sich für eine Nachhaltigkeit der Plantagen ein und sie haben auch ein Augenmerk auf den lokalen Auswirkungen der Industrie in Tequila. So kamen beispielsweise einflußreiche Bartender der USA und mexikanische Professoren zusammen und gründeten 2010 das „Tequila Interchange Project“, kurz TIP, eine gemeinnützige Interessengruppe für Tequila. Ihr Ziel ist es, eine Art Überwachungsorganisation zu bilden, die über die Industrie wacht. Die Gruppe ist involviert in zahlreiche Studien, beispielsweise über Feldarbeiter, über die genetische Robustheit der Blauen Weber-Agave oder über die Auswirkungen der Industrialisierung auf das Tequila-Handwerk [2-159] Doch warum erwähnen wir diese Gruppe, die sich um Tequila kümmert hier, beim Mezcal? Die Erklärung ist einfach: Sie spielte 2011 eine wichtige Rolle. Es lag damals ein Gesetzentwurf vor, der den Interessen der kleinen, handwerklich arbeitenden Tequila- und Mezcal-Hersteller geschadet hätte. Hinter dem Entwurf standen Repräsentanten der AOC für Tequila, Mezcal und Bacanora. Er sollte auf den ersten Blick die Vorgaben verschärfen, um so für mehr Klarheit bei der Etikettierung von Tequila und Mezcal zu sorgen. Doch er war gemacht worden, um den Vertrieb und die Wettbewerbsfähigkeit der großen Tequila- und Mezcalunternehmen zu verbessern. Er forderte eine Einschränkung dessen, was Mezcal genannt werden darf. Innerhalb der AOC werden nur 8 Staaten offiziell anerkannt, obwohl Mezcal in 26 der mexikanischen Bundesstaaten seit Jahrhunderten hergestellt wird. Damit arbeiten tausende Mezcaleros außerhalb der Vorgaben der AOC. Sie durften zwar ihre Produkte nicht als Mezcal exportieren. Mit dem Gesetzentwurf jedoch sollten ihre Rechte weiter eingeschränkt werden. Ihnen sollte verboten werden, „100% Agave“ auf ihr Etikett zu schreiben, um sie so zu zwingen, nur „verdünnte“ Spirituosen zu verkaufen, damit sie nicht mit den offiziell sanktionierten Mezcals konkurrieren. Außerdem sollte ihnen verboten werden, nicht genehmigte Agaven zu verwenden, obwohl diese schon immer verwendet werden. [2-160] Das TIP ging gegen diesen Gesetzentwurf an und suchte Mitstreiter. Sie hatten nur eine Woche Zeit, um den Widerstand zu organisieren, doch sie waren erfolgreich. Der Antrag wurde 2012 glücklicherweise durch die mexikanische Regierung abgelehnt. [2-161]
Quellen
John McEvoy: Holy Smoke! It’s Mezcal. ISBN 978-0-9903281-0-0. Mezcal PhD Publishing, 2014. Angegeben wird zusätzlich im Quellenvermerk die Seite im Buch, beispielsweise bedeutet [1-15]: Seite 15.
Chantal Martineau: How the Gringos Stole Tequila. The Modern Age of Mexico’s Most Traditional Spirit. ISBN 978-1-61374-905-0. Chicago, Chicago Review Press, 2015. Angegeben wird zusätzlich im Quellenvermerk die Seite im Buch, beispielsweise bedeutet [2-15]: Seite 15.
In diesem Beitrag geht es um den Konflikt zwischen traditioneller, handwerklicher Mezcal-Herstellung und industrieller Produktion. Letztere läßt sich nur schwer mit dem Wesen des Mezcals in Einklang bringen.
Aufgrund ihres Umfangs erfolgt die Veröffentlichung dieser Abhandlung über Mezcal und andere Agavenspirituosen in mehrere Teilen, die sich wie folgt gestalten:
Traditionelle Herstellung
Manche unterscheiden bei Mezcal zwischen einer traditionellen („traditional“) und handwerklichen („artisanal“) Herstellung, doch manche sind der Meinung, daß diese Betrachtungsweise wenig zweckdienlich sei. [1-123] Beide Begriffe seien nämlich in ihrer Definition problematisch, demzufolge sei es auch die Diskussion, die daraus erwachse. Das Problem liege darin, Dinge auszuschließen. Dadurch werde impliziert, daß Mezcals, die der Definition nicht entsprächen, auch nicht dazugehörten. Beispielsweise wird angeführt, ein Mezcal mit einem Alkoholgehalt von unter 45 vol% sei nicht traditionell, auch wenn er ansonsten wie vor 400 Jahren hergestellt werde. Doch warum sollte man kein Wasser hinzugeben? Es ist schließlich auch nicht traditionell, Mezcal in Plastikbehältern zwischenzulagern. Diese gab es vor 50 Jahren noch nicht, trotzdem werden solche Mezcals als traditionell betrachtet. Auch einem in Eichenfässern gereiften Mezcal spricht man ab, traditionell zu sein, auch wenn er ansonsten wie vor 400 Jahren hergestellt wird. Unklar ist dabei, mit welcher Begründung man dies behauptet. Die Reifung fügt zusätzliche Aromen hinzu. Was sollte daran nicht im Sinne der Tradition sein? Warum sollte man nicht damit beginnen, Mezcal in einem Faß reifen zu lassen? Dabei ist Faßlagerung eigentlich auch traditionell, denn Tequila – als eine Untergruppe des Mezcals – wird immerhin seit dem 19. Jahrhundert in Fässern gereift. Das Problem ist, daß die ganze Diskussion über die Unterschiede zu dogmatisch geführt wird. [1-124ff] [1-131] [1-132] [1-137]
Stattdessen sollte man, so schlägt John McEvoy vor, darüber diskutieren, was einen Qualitäts-Mezcal ausmacht und nicht über willkürliche Feinheiten, um zwischen traditionell und handwerklich hergestellten Mezcals unterscheiden zu können. Unter hochwertigen Mezcals versteht er Mezcals, [1-133]
Doch ist die Unterscheidung nach einer traditionellen und handwerklichen Herstellung – die neuesten gesetzlichen Vorgaben sprechen von „ancestral“ und „artesenal“ – durchaus eine übliche, und auf die Vorgaben sind wir im Abschnitt über die gesetzlichen Vorgaben bereits eingegangen.
Internationale Konzerne
Mezcal wird zwar noch nicht von großen internationalen Konzernen kontrolliert. Das zeigt sich darin, daß es im Gegensatz zu Tequila bei Mezcal über 9000 Hersteller gibt, aber nur einige hundert Marken. [2-158] [3] Einer Industrialisierung steht der Einsatz von Erdöfen entgegen, doch wird das wohl kein Grund sein, nicht ins Geschäft einzusteigen. [1-114] Auf dem Bar Convent in Berlin 2016 verkosteten wir beispielsweise einen Mezcal, der als besonders mild angepriesen wurde. Man bewarb ihn damit, daß der „störende“ Rauch fehle, und daß man mit dem vorgestellten Produkt endlich die wahren Agavenaromen genießen könne. Das Produkt war nicht schlecht, aber es war trotz der Bezeichnung kein Mezcal, sondern ein Tequila – wie er aus gesetzlichen Gründen aber nicht heißen darf. Im Gespräch stellte sich heraus, daß man die Agaven keinesfalls traditionell in Erdöfen backt, sonder vergleichbar einem Tequila mit modernen Methoden, sonst könne man schließlich auch keine großen Mengen produzieren, so war die Begründung. Nun, hier sei die Kritik erlaubt, daß sich das Destillat zwar den gesetzlichen Vorgaben zufolge Mezcal nennen darf. Ein traditioneller Mezcal und das, was ein Mezcal eigentlich ist, ist er jedoch bei weitem nicht. Man hat ihm die Seele geraubt, das, was einen Mezcal auszeichnet. Es ist eher ein industriell hergestellter „Tequila“, der sich aber aufgrund seines Produktionsortes so nicht nennen darf. Man kann nur hoffen, daß sich solche Produkte nicht als Mezcal durchsetzen. Man sieht an diesem Beispiel, daß große Konzerne bereits versuchen, den Mezcal-Markt zu dominieren. Hier heißt es achtsam zu sein.
Man möge uns die harsche Kritik an dieser Stelle verzeihen. Es geht nicht darum, daß Tequila ein schlechtes Produkt ist. Es geht darum, daß Mezcal das bleiben soll, was er war. Handwerklich hergestellter Tequila ist ebenfalls eine hervorragende Spirituose, die wir sehr mögen. Doch sollten beide Kategorien, Mezcal und Tequila, ihre Eigenständigkeit bewahren. Darum geht es.
Die Herausforderung für die Konzerne liegt darin, die Tradition des Mezcals zu respektieren und auch bei der Herstellung größerer Volumen zu berücksichtigen. Ansonsten leidet die Qualität des Mezcals, denn Mezcal kann nicht wie Tequila hergestellt werden. [1-117] Auf jeden Fall sollte man darauf achten, einen traditionell hergestellten Mezcal zu trinken und sich für die Bewahrung der Traditionen einsetzen. Vor diesem Hintergrund und dieser Problematik haben sich Personen zusammengefunden, die die Entwicklung des Tequilas kritisch beobachtet haben. [1-115] [2-158] Dank dieser Gruppen hat sich auch die Wahrnehmung des Tequilas zum Positiven hin entwickelt. Sie setzen sich für eine Nachhaltigkeit der Plantagen ein und sie haben auch ein Augenmerk auf den lokalen Auswirkungen der Industrie in Tequila. So kamen beispielsweise einflußreiche Bartender der USA und mexikanische Professoren zusammen und gründeten 2010 das „Tequila Interchange Project“, kurz TIP, eine gemeinnützige Interessengruppe für Tequila. Ihr Ziel ist es, eine Art Überwachungsorganisation zu bilden, die über die Industrie wacht. Die Gruppe ist involviert in zahlreiche Studien, beispielsweise über Feldarbeiter, über die genetische Robustheit der Blauen Weber-Agave oder über die Auswirkungen der Industrialisierung auf das Tequila-Handwerk [2-159] Doch warum erwähnen wir diese Gruppe, die sich um Tequila kümmert hier, beim Mezcal? Die Erklärung ist einfach: Sie spielte 2011 eine wichtige Rolle. Es lag damals ein Gesetzentwurf vor, der den Interessen der kleinen, handwerklich arbeitenden Tequila- und Mezcal-Hersteller geschadet hätte. Hinter dem Entwurf standen Repräsentanten der AOC für Tequila, Mezcal und Bacanora. Er sollte auf den ersten Blick die Vorgaben verschärfen, um so für mehr Klarheit bei der Etikettierung von Tequila und Mezcal zu sorgen. Doch er war gemacht worden, um den Vertrieb und die Wettbewerbsfähigkeit der großen Tequila- und Mezcalunternehmen zu verbessern. Er forderte eine Einschränkung dessen, was Mezcal genannt werden darf. Innerhalb der AOC werden nur 8 Staaten offiziell anerkannt, obwohl Mezcal in 26 der mexikanischen Bundesstaaten seit Jahrhunderten hergestellt wird. Damit arbeiten tausende Mezcaleros außerhalb der Vorgaben der AOC. Sie durften zwar ihre Produkte nicht als Mezcal exportieren. Mit dem Gesetzentwurf jedoch sollten ihre Rechte weiter eingeschränkt werden. Ihnen sollte verboten werden, „100% Agave“ auf ihr Etikett zu schreiben, um sie so zu zwingen, nur „verdünnte“ Spirituosen zu verkaufen, damit sie nicht mit den offiziell sanktionierten Mezcals konkurrieren. Außerdem sollte ihnen verboten werden, nicht genehmigte Agaven zu verwenden, obwohl diese schon immer verwendet werden. [2-160] Das TIP ging gegen diesen Gesetzentwurf an und suchte Mitstreiter. Sie hatten nur eine Woche Zeit, um den Widerstand zu organisieren, doch sie waren erfolgreich. Der Antrag wurde 2012 glücklicherweise durch die mexikanische Regierung abgelehnt. [2-161]
Quellen
explicit capitulum
*