Wer sich mit Mezcal und Tequila beschäftigt, sollte auch über Pulque Bescheid wissen, dem fermentierten Agavensaft mit einer jahrtausendealten Tradition.
Aufgrund ihres Umfangs erfolgt die Veröffentlichung dieser Abhandlung über Mezcal und andere Agavenspirituosen in mehrere Teilen, die sich wie folgt gestalten:
Pulque wurde bereits vor mehr als 2000 Jahren konsumiert, jedoch nicht als Getränk für die Massen. Er galt als heilig und in der Regel war es nur Hohepriestern und Stammesfürsten erlaubt, ihn zu sich zu nehmen. Man glaubte, dadurch mit den Göttern kommunizieren zu können. Ausnahmen gab es nur für ältere Leute, die erkrankt waren und die Heilungskräfte der Pulque benötigten. Auch Schwangere und stillende Mütter durften Pulque trinken. In jenen Tagen wurde Trunkenheit als etwas Göttliches angesehen, und war daher nichts, was für jeden und zu jeder Zeit angemessen war. Ausnahmen gab es bei speziellen religiösen Zeremonien und an heiligen Tagen, an denen Pulque an alle ausgegeben wurde, ansonsten wurde öffentliches Betrunkensein bestraft. [1-23][2-xv][2-8][3][4][5][7][11] Diese heiligen Tage waren die aztekischen „Tage der Toten“, die am Ende des aztekischen Jahres lagen und fünf Tage dauerten. An diesen Tagen durfte sich das einfache Volk bis zur Bewußtlosigkeit betrinken. [11]
Pulque wurde mit den Centzon Totochtin, den Vierhundert Hasen, assoziiert, welche die vierhundert Arten des Rausches darstellten. Und so wurde Pulque auf religiösen Festen getrunken, die dem Gott Ometochtli, dessen Name „Zwei Hasen“ bedeutet, gewidmet waren. [2-6][4]
Doch nicht nur Azteken kannten ein durch Fermentation hergestelltes Getränk. Beispielsweise stellten die Apachen und die Tarahumara aus Pflanzen der Gattung Dasylirion, aus der auch Sotol hergestellt wird, ein der pulqueähnliches Getränk her. [4][10]
Herstellung von Pulque
Pulque ist das älteste der Agavengetränke. In präkolumbianischen Zeiten wurde der Herstellungsprozeß entwickelt, so wie er noch heute angewandt wird: Zunächst sucht und findet man eine reife Agave, die so groß ist, daß eine Person in ihr Inneres krabbeln kann. Der Blütenstand wird abgeschnitten, damit das Blühen verhindert wird und die Nährstoffe im Agavenherz konzentriert bleiben. [2-6][3] Nachdem ein Loch ins Agavenherz geschnitten wurde, wird der Saft traditionell mit einem langen, ausgehöhlten und getrockneten Flaschenkürbis, der als Röhre dient, entnommen. Heute kommen auch leere Plastikflaschen zum Auffangen des Saftes zum Einsatz. Nachdem pro Tag zwischen drei und acht Liter Saft gesammelt wurden, wird die klebrige Substanz, die sich im Loch gebildet hat, entfernt, damit mehr Saft produziert wird. Die Öffnung des Lochs wird mit einem Agavenblattstück abgedeckt, um Käfer und andere unerwünschte Kriechtiere vom Saft fernzuhalten. [2-7][3][4]
Auf diese Weise produziert eine Agave, bevor sie schließlich abstirbt, in der Regel innerhalb von zwei bis sechs Monaten zwischen 500 und 1000 Liter Saft, den man aguamiel, also Honigwasser, nennt. [1-80][2-7][3]
Aus dem gesammelten Agavensaft wird Pulque hergestellt, indem man ihn fermentieren läßt. Im Gegensatz zur Tequila oder Mezcal wird der Agavensaft (respektive die Agave) vor der Fermentation jedoch nicht gekocht. Je mehr Zucker im Saft enthalten ist, desto besser erfolgt die Fermentation. Abhängig von den Wetterbedingungen dauert die Fermentation in der Regel fünf bis zwanzig Tage. Das Ergebnis, der Pulque, ist eine dickflüssige, milchige Flüssigkeit mit einem säuerlichen, hefeartigen Geschmack. Der Alkoholgehalt von Pulque liegt zwischen 3 und 8 vol%, ist also einem Bier vergleichbar. Während Bier jedoch durch Hefe fermentiert wird, geschieht dies bei Pulque durch das Bakterium Zymomonas mobilis, welches auf Agaven natürlich vorhanden ist. [1-19][1-23][1-80][2-7][4][6][7][8]
Manchmal wird Pulque auch, einer bis ins 16. Jahrhundert zurückreichenden Gepflogenheit folgend, mit Früchten wie beispielsweise Ananas, Guave, Sellerie oder Rote Beete infusioniert. [2-7]
Man kann verschiedene Angaben darüber finden, aus welchen Agavenarten Pulque hergestellt wird, sie sind jedoch sehr ungenau, man spricht von vier bis mehr als zehn Agavenarten. Die Blaue Weber-Agave, aus der Tequila hergestellt wird, gehört wohl nicht dazu. Aus der Sisal-Agave hingegen wird auch Pulque gemacht. Zwar wird Pulque in ganz Mexiko hergestellt, das Zentrum liegt jedoch nördlich von Mexiko-Stadt, dort wo die Staaten Hidalgo, Tlaxcala und Estado aufeinander treffen. [1-81][2-5][4][9]
Ursprung der Bezeichnung Pulque
Aus der Herstellungsweise von Pulque leitet sich auch die Bezeichnung „Pulque“ ab. Es ist wahrscheinlich eine von den Spaniern stammende Bezeichnung, abgewandelt aus dem Nahuatl, in dem „octli poliuhqui“, was grob übersetzt so viel bedeutet wie „das, was verdarb“, oder mit anderen Worten „das, was fermentierte“. [2-9][4][11]
Pulque in postkolumbianischer Zeit
Zwar mochten die Spanier Pulque nicht als Getränk und bevorzugten stattdessen Wein und Brandy, doch sahen sie darin eine Möglichkeit, um Steuern erheben zu können. Steuern wurden seit der Mitte des 17. Jahrhunderts erhoben, jedoch war die Überwachung, ob auch immer Steuern bezahlt wurden, schwierig. [2-9]
Die Pulqueproduktion wurde von den Spaniern kommerzialisiert. Der Großteil der Produktion wurde von Jesuiten geleitet, die bereits seit 200 Jahren im Lande waren. Sie errichteten große Anwesen, auf denen Agaven angebaut wurden. Die Menge des hergestellten Pulques war groß, Hauptabnehmer waren Indios und Mestizen, die sich keine europäischen Spirituosen leisten konnten. In der Mitte des 18. Jahrhunderts kamen beispielsweise jährlich offiziell mehr als 50 Millionen Pfund Pulque nach Mexiko-Stadt. Man darf jedoch davon ausgehen, daß darüber hinaus auch eine große Menge Pulque in die Stadt geschmuggelt wurde. Dennoch waren die Steuern aus dem Pulqueverkauf eine der wichtigsten Einnahmequellen der Regierung. [2-9]
Pulque war sehr populär, geriet aufgrund einer Anti-Alkohol-Kampagne Anfang des 20. Jahrhunderts jedoch in Verruf, galt als Getränk der Unterschicht, und wurde danach durch Bier verdrängt. Zwar galt Alkohol gemeinhin als etwas Schlechtes, aber insbesondere Pulque wurde geschmäht. Die mexikanische Oberschicht bevorzugte destillierte Spirituosen, da sie meinte, diese seien moderner und hygienischer. Inzwischen hat Pulque jedoch seinen schlechten Ruf verloren und wird insbesondere von jungen, unabhängigen und gebildeten Mexikanern voller Stolz und als Zeichen für Mexikos präkolumbianische Kultur und Geschichte getrunken. Man feiert die Vergangenheit und zeigt so seinen Protest gegen die älteren Generationen, die das Fremde und Importierte schätzt. Heute hat Pulque einen Anteil von 10% an den in Mexiko getrunkenen Alkoholika. [1-23][2-9][2-11][4]
Quellen
John McEvoy: Holy Smoke! It’s Mezcal. ISBN 978-0-9903281-0-0. Mezcal PhD Publishing, 2014. Angegeben wird zusätzlich im Quellenvermerk die Seite im Buch, beispielsweise bedeutet [1-15]: Seite 15.
Chantal Martineau: How the Gringos Stole Tequila. The Modern Age of Mexico’s Most Traditional Spirit. ISBN 978-1-61374-905-0. Chicago, Chicago Review Press, 2015. Angegeben wird zusätzlich im Quellenvermerk die Seite im Buch, beispielsweise bedeutet [2-15]: Seite 15.
Thomas Majhen: Die Barfibel. Kapitel: Mezcal. ISBN 978-3-8442-5233-0. Berlin, 2012.
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Aguamiel00.jpg: A drawing from the Codice Borbónico (1530s Spanish calendar and outline of life in the New World) shows Mayahuel, goddess of the maguey, with a mature agave and a pot of fermented pulque.
Wer sich mit Mezcal und Tequila beschäftigt, sollte auch über Pulque Bescheid wissen, dem fermentierten Agavensaft mit einer jahrtausendealten Tradition.
Aufgrund ihres Umfangs erfolgt die Veröffentlichung dieser Abhandlung über Mezcal und andere Agavenspirituosen in mehrere Teilen, die sich wie folgt gestalten:
Pulque
Pulque in präkolumbianischer Zeit
Pulque wurde bereits vor mehr als 2000 Jahren konsumiert, jedoch nicht als Getränk für die Massen. Er galt als heilig und in der Regel war es nur Hohepriestern und Stammesfürsten erlaubt, ihn zu sich zu nehmen. Man glaubte, dadurch mit den Göttern kommunizieren zu können. Ausnahmen gab es nur für ältere Leute, die erkrankt waren und die Heilungskräfte der Pulque benötigten. Auch Schwangere und stillende Mütter durften Pulque trinken. In jenen Tagen wurde Trunkenheit als etwas Göttliches angesehen, und war daher nichts, was für jeden und zu jeder Zeit angemessen war. Ausnahmen gab es bei speziellen religiösen Zeremonien und an heiligen Tagen, an denen Pulque an alle ausgegeben wurde, ansonsten wurde öffentliches Betrunkensein bestraft. [1-23] [2-xv] [2-8] [3] [4] [5] [7] [11] Diese heiligen Tage waren die aztekischen „Tage der Toten“, die am Ende des aztekischen Jahres lagen und fünf Tage dauerten. An diesen Tagen durfte sich das einfache Volk bis zur Bewußtlosigkeit betrinken. [11]
Pulque wurde mit den Centzon Totochtin, den Vierhundert Hasen, assoziiert, welche die vierhundert Arten des Rausches darstellten. Und so wurde Pulque auf religiösen Festen getrunken, die dem Gott Ometochtli, dessen Name „Zwei Hasen“ bedeutet, gewidmet waren. [2-6] [4]
Doch nicht nur Azteken kannten ein durch Fermentation hergestelltes Getränk. Beispielsweise stellten die Apachen und die Tarahumara aus Pflanzen der Gattung Dasylirion, aus der auch Sotol hergestellt wird, ein der pulqueähnliches Getränk her. [4] [10]
Herstellung von Pulque
Pulque ist das älteste der Agavengetränke. In präkolumbianischen Zeiten wurde der Herstellungsprozeß entwickelt, so wie er noch heute angewandt wird: Zunächst sucht und findet man eine reife Agave, die so groß ist, daß eine Person in ihr Inneres krabbeln kann. Der Blütenstand wird abgeschnitten, damit das Blühen verhindert wird und die Nährstoffe im Agavenherz konzentriert bleiben. [2-6] [3] Nachdem ein Loch ins Agavenherz geschnitten wurde, wird der Saft traditionell mit einem langen, ausgehöhlten und getrockneten Flaschenkürbis, der als Röhre dient, entnommen. Heute kommen auch leere Plastikflaschen zum Auffangen des Saftes zum Einsatz. Nachdem pro Tag zwischen drei und acht Liter Saft gesammelt wurden, wird die klebrige Substanz, die sich im Loch gebildet hat, entfernt, damit mehr Saft produziert wird. Die Öffnung des Lochs wird mit einem Agavenblattstück abgedeckt, um Käfer und andere unerwünschte Kriechtiere vom Saft fernzuhalten. [2-7] [3] [4]
Auf diese Weise produziert eine Agave, bevor sie schließlich abstirbt, in der Regel innerhalb von zwei bis sechs Monaten zwischen 500 und 1000 Liter Saft, den man aguamiel, also Honigwasser, nennt. [1-80] [2-7] [3]
Aus dem gesammelten Agavensaft wird Pulque hergestellt, indem man ihn fermentieren läßt. Im Gegensatz zur Tequila oder Mezcal wird der Agavensaft (respektive die Agave) vor der Fermentation jedoch nicht gekocht. Je mehr Zucker im Saft enthalten ist, desto besser erfolgt die Fermentation. Abhängig von den Wetterbedingungen dauert die Fermentation in der Regel fünf bis zwanzig Tage. Das Ergebnis, der Pulque, ist eine dickflüssige, milchige Flüssigkeit mit einem säuerlichen, hefeartigen Geschmack. Der Alkoholgehalt von Pulque liegt zwischen 3 und 8 vol%, ist also einem Bier vergleichbar. Während Bier jedoch durch Hefe fermentiert wird, geschieht dies bei Pulque durch das Bakterium Zymomonas mobilis, welches auf Agaven natürlich vorhanden ist. [1-19] [1-23] [1-80] [2-7] [4] [6] [7] [8]
Manchmal wird Pulque auch, einer bis ins 16. Jahrhundert zurückreichenden Gepflogenheit folgend, mit Früchten wie beispielsweise Ananas, Guave, Sellerie oder Rote Beete infusioniert. [2-7]
Man kann verschiedene Angaben darüber finden, aus welchen Agavenarten Pulque hergestellt wird, sie sind jedoch sehr ungenau, man spricht von vier bis mehr als zehn Agavenarten. Die Blaue Weber-Agave, aus der Tequila hergestellt wird, gehört wohl nicht dazu. Aus der Sisal-Agave hingegen wird auch Pulque gemacht. Zwar wird Pulque in ganz Mexiko hergestellt, das Zentrum liegt jedoch nördlich von Mexiko-Stadt, dort wo die Staaten Hidalgo, Tlaxcala und Estado aufeinander treffen. [1-81] [2-5] [4] [9]
Ursprung der Bezeichnung Pulque
Aus der Herstellungsweise von Pulque leitet sich auch die Bezeichnung „Pulque“ ab. Es ist wahrscheinlich eine von den Spaniern stammende Bezeichnung, abgewandelt aus dem Nahuatl, in dem „octli poliuhqui“, was grob übersetzt so viel bedeutet wie „das, was verdarb“, oder mit anderen Worten „das, was fermentierte“. [2-9] [4] [11]
Pulque in postkolumbianischer Zeit
Zwar mochten die Spanier Pulque nicht als Getränk und bevorzugten stattdessen Wein und Brandy, doch sahen sie darin eine Möglichkeit, um Steuern erheben zu können. Steuern wurden seit der Mitte des 17. Jahrhunderts erhoben, jedoch war die Überwachung, ob auch immer Steuern bezahlt wurden, schwierig. [2-9]
Die Pulqueproduktion wurde von den Spaniern kommerzialisiert. Der Großteil der Produktion wurde von Jesuiten geleitet, die bereits seit 200 Jahren im Lande waren. Sie errichteten große Anwesen, auf denen Agaven angebaut wurden. Die Menge des hergestellten Pulques war groß, Hauptabnehmer waren Indios und Mestizen, die sich keine europäischen Spirituosen leisten konnten. In der Mitte des 18. Jahrhunderts kamen beispielsweise jährlich offiziell mehr als 50 Millionen Pfund Pulque nach Mexiko-Stadt. Man darf jedoch davon ausgehen, daß darüber hinaus auch eine große Menge Pulque in die Stadt geschmuggelt wurde. Dennoch waren die Steuern aus dem Pulqueverkauf eine der wichtigsten Einnahmequellen der Regierung. [2-9]
Pulque war sehr populär, geriet aufgrund einer Anti-Alkohol-Kampagne Anfang des 20. Jahrhunderts jedoch in Verruf, galt als Getränk der Unterschicht, und wurde danach durch Bier verdrängt. Zwar galt Alkohol gemeinhin als etwas Schlechtes, aber insbesondere Pulque wurde geschmäht. Die mexikanische Oberschicht bevorzugte destillierte Spirituosen, da sie meinte, diese seien moderner und hygienischer. Inzwischen hat Pulque jedoch seinen schlechten Ruf verloren und wird insbesondere von jungen, unabhängigen und gebildeten Mexikanern voller Stolz und als Zeichen für Mexikos präkolumbianische Kultur und Geschichte getrunken. Man feiert die Vergangenheit und zeigt so seinen Protest gegen die älteren Generationen, die das Fremde und Importierte schätzt. Heute hat Pulque einen Anteil von 10% an den in Mexiko getrunkenen Alkoholika. [1-23] [2-9] [2-11] [4]
Quellen
explicit capitulum
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