Im Juni 2016 waren wir in Tübingen und haben die dortige Barwelt besucht. Wir haben mit Markus Müller aus dem Bartista und Florian Drucks-Jacobsen aus dem Liquid zwei talentierte Bartender kennengelernt, die uns wundervolle Gastgeber waren.
Im Juni 2016 hatten wir uns Tübingen als Reiseziel ausgesucht. Primär stand dabei nicht die Bar-Welt im Vordergrund, doch wurden wir positiv überrascht, denn mit dem Bartista und dem Liquid haben wir zwei Bars gefunden, in denen wir Abende verbringen durften, die uns noch lange in Erinnerung bleiben werden. Wir möchten daher an dieser Stelle über unsere abendlichen Ausflüge berichten.
Vielleicht wird der ein oder andere auch eine Reise nach Tübingen unternehmen. Für die Tagesgestaltung bieten sich neben Tübingen mit seiner mittelalterlichen Altstadt auch die Burg Hohenzollern, das Kloster Bebenhausen, eine Wanderung durch den Schönbuch oder das Schloß Lichtenstein an. Alle Ziele sind auch mit öffentlichem Nahverkehr erreichbar.
Nicht versäumen sollte man das Museum der Universität Tübingen. Dort kann man die ältesten Kunstwerke der Menschheit sehen, mehrere rund vierzigtausend Jahre alte Elfenbeinfiguren, darunter unter anderem auch das Wildpferd aus der Vogelherdhöhle.
Doch kommen wir nun zu dem, worum es in diesem Bericht hauptsächlich geht: Unser Tagebuch der Barbesuche. Zuvor wollen wir aber auch noch einen Essenstipp geben: Im Wirtshaus Lichtenstein läßt sich vorzüglich schlemmen, und wenn das Wetter es zuläßt, kann man leicht erhöht an einer Ecke des zentralen Marktplatzes im Freien sitzen und den Ausblick auf die historische Kulisse genießen.
29. Juni 2016
Vor ein paar Wochen haben wir im Mixology-Magazin gelesen, daß es in Tübingen eine durchaus besuchbare Bar namens Bartista geben solle. Die Neugierde und der Durst treiben uns in das im Stadtzentrum gelegene Etablissement. Die Bar ist an diesem Abend so gut wie leer, bis auf ein, zwei andere Gäste sind wir die einzigen, was wahrscheinlich dem heutigen Mittwoch geschuldet ist. Wir sind überrascht, eine wirklich gute Spirituosenauswahl in den Regalen der Bar erblicken zu dürfen. Wir setzen uns an die Stelle des Bartresens, an der der Bartender die Drinks mixt. Der Bartender Markus Müller überreicht uns die Getränkekarte, aus der ich mir den „Bee’s Knees Best“ bestelle, den ich natürlich unserer alten Tradition gemäß mit Armin teile. Der „Bee’s Knees Best“ nimmt uns mit seiner Kombination aus Gin, Zitrone, Honig, Rosmarin und Lavendelbitter (Armin liebt Lavendel!) gefangen. Danach trinken wir noch weitere Drinks: einen „Pacific Sour“, einen „Santa Maria“ und einen „Martinez Cocktail“. Wir sind begeistert, die Drinks, die Markus uns zubereitet, sind dem Gaumen eines Bildungstrinkers angemessen und überzeugen uns. Schließlich verabschieden wir uns, um auf dem Weg zum Hotel enthusiasmiert darüber zu schwärmen, was wir da für eine tolle Bar entdeckt haben.
30. Juni
Im Anschluß an das vorzügliche Abendessen gehen wir wieder ins Bartista, wo heute das EM-Fußballspiel Polen gegen Portugal auf dem Bildschirm flimmert. Wir sind erfreut, Markus erneut anzutreffen. Wir genehmigen uns wieder einige Drinks, darunter den köstlichen „Island-Martini“, der eine Abwandlung des River Martinis ist – auf den wir noch zurückkommen werden. Es folgt ein schön erfrischender „Charlie Chaplin“. Anschließend empfiehlt Markus Armin einen mit Pisco zubereiteten Drink. Armin hatte zuvor erwähnt, daß er mit Pisco so seine Schwierigkeiten hätte und dieser nicht zu seinen bevorzugten Spirituosen gehöre. Dies wollte Markus so nicht im Raum stehen lassen, und so folgten wir seinem Ratschlag, doch etwas mit Pisco zu probieren. Eine gute Empfehlung. Armin muß eingestehen, daß Pisco seine Reize haben kann und genießt den Drink. Es zeigt sich also auch hier wieder, wie wichtig gute Beratung durch Bartender, aber auch Offenheit und Aufgeschlossenheit seitens des Gastes gegenüber neuen Dingen ist, um so den eigenen Horizont erweitern zu können. Es folgt als Abschluß ein Twist auf einen Sazerac (mit Cognac, Feigenlikör und abgeflämmtem Rosmarin), der ebenfalls zu überzeugen weiß.
1. Juli
Nach dem Essen gehen wir heute nicht ins Bartista, sondern wohnen einer Lesung von einer Autorin und zwei Autoren in der Liquid-Bar bei. Die Autorin ist Markus‘ Freundin und da er also heute nicht im Bartista arbeitet, dachten wir uns, könnten wir auch zur Lesung gehen, zumal Markus sagte, daß es dort ebenfalls einen engagierten Bartender gäbe und wir dort unbedingt einmal vorbeischauen sollten. Wir lauschen den Lesungen, die vor der Bar am späten Nachmittag stattfinden. Armin kauft sogar zwei Bücher und läßt sie sich signieren. Begleitet wird die kurzweilige und unterhaltsame Lesung durch einen „Florian“ – eine Mischung aus Bourbon, Chartreuse, Angosturabitters, abgerundet mit etwas Zucker, Orangen- und Zitronenzeste – und einen „Maple Sour“, wie der Name schon vermuten läßt eine Mischung aus Bourbon, Ruby Port, Angosturabitters und Ahornsirup. Beide Drinks können sich sehen lassen.
Nach der Lesung setzen wir uns an den Bartresen im Inneren des Liquid und lassen uns von Florian Drucks-Jacobsen, dem Bartender, noch einige schöne und sehr schmackhafte Drinks kreieren. Zunächst bekommen wir Florians Eigenkreation, Urban V. gereicht. Wir sind begeistert. Wer hätte gedacht, daß man in Tübingen eine so hohe Qualität an Drinks erhalten kann? Es folgen noch ein „Buck & Breck“ und als Dessert ein „Brandy Flip“.
2. Juli
Nach dem Essen gehen wir ins Bartista, wo heute allerdings der Bär steppt, denn heute wird hier das EM-Fußballspiel zwischen Deutschland und Italien übertragen. Da der Barinhaber Gaetano Randone Italiener ist, finden sich Anhänger beider Nationen hier heute ein und dementsprechend ist die Stimmung. Sie könnte besser nicht sein. Da nach 90 Minuten keine Entscheidung gefallen ist, unser Tagesprogramm anstrengend war und es mittlerweile kurz vor 23 Uhr ist, machen wir bereits vor Ende des Spiels die Sause und gehen zum Hotel. Während Armin bereits schläft, schaue ich das extrem spannende Elfmeterschießen, muß mir dabei auf die Zunge beißen, um nicht laut aufzuschreien und bin auf 180 als feststeht, daß die deutsche Mannschaft gewonnen hat.
Die Drinks an diesem Abend waren wieder ohne Fehl und Tadel. Ein genialer „Kirsch-Julep“, ein „New York Sour“, ein „Black Manhattan“ und als Abschluß der von uns so geliebte „Rapscallion“.
3. Juli
Heute sind wir erneut im Liquid, denn wir wollen die Bar näher kennenlernen. Wir hatten Florian von unseren spannenden Abenden mit Bettina Kupsa im Le Lion berichtet. Diese bestanden darin, daß der Abend ein Thema bekam und Betty daraus ein Menü mit sechs bis acht aufeinander folgenden Drinks bereitete. Florian ist von dieser Idee sehr angetan und begeistert und möchte auch für uns solch einen Abend gestalten. Wir einigen uns auf das Thema „Minze“. Es sind wieder hervorragende Mixturen dabei. Chapeau! Wir genießenden den „Toronto“ (Armins Überraschung des Abends), gefolgt von „Chartreuse Swizzle“, „Old Cuban“, „Giorgia Mint Julep“, „Grasshopper“ und „Stinger“. Nebenbei kann ich auf der Großbildleinwand das Spiel Frankreich gegen die Überraschungsmannschaft Island sehen. Schade, daß Frankreich gewinnt, die Isländer haben echt toll gespielt.
4. Juli
Nach dem Essen gehen wir ins Liquid, wo heute eine Liveband Jazzmusik spielt. Heute ist nämlich der „MO MO MU“, der erste MOntag im MOnat, und an diesem gibt es immer Live-MUsik. Es spielen versierte Musiker, die schon zahlreiche Wettbewerbe gewonnen haben. Für den Jazz-Liebhaber ein Ohrenschmaus. Wir finden es zwar grundsätzlich besser, wenn es in Bars ruhiger ist und man gepflegte Gespräche führen kann, aber andererseits ist es schön zu sehen, wie sich sowohl das Liquid als auch das Bartista engagiert und die Räumlichkeiten für künstlerische Veranstaltungen zu Verfügung stellt. Es ist ja auch so, daß für eine rein „klassische“ Bar Tübingen dann doch zu klein ist. Auf jeden Fall bieten beide Bars so eine spannende Mischung, bei der für Jeden etwas dabei ist. Es müssen Konzepte gefunden werden, so daß sich insbesondere in einer kleinen Stadt wie Tübingen eine Bar finanzieren läßt. Im Bartista gibt es daher beispielsweise auch den „Cocktail to go“. Manch einer mag darüber die Nase rümpfen, doch uns gefiel im Zusammenhang betrachtet und aus den genannten Gründen dieser Ansatz. Es ist schön zu sehen, daß sich unweit der Bar, auf den Stufen der Stiftskirche, so eine geradezu südländische Platzkultur einstellt. Es herrscht eine Atmosphäre, die dazu einlädt, sich dazu zu gesellen, um die lauen Nächte zu genießen. Junge Leute treffen sich des Abends und müssen so durch dieses Angebot nicht auf gute Drinks verzichten.
Dieses ist unser letzter Abend mit Florian, morgen hat er frei und deshalb gehen wir dann wieder ins Bartista. Thema des Abends sind fortifizierte Weine. Florian gibt noch mal sein Bestes, die Drinks kommen bei uns sehr gut an. Es beginnt mit einem äußerst gelungenen „Martinez Cocktail“ mit Old Simon Jenever. Ein Favorit! Danach erhalten wir einen ebenso gelungenen „Martini Cocktail“ mit Tanqueray Bloomsbury Gin und Dolin Blanc. Es folgt ein Bamboo Cocktail vom Feinsten, ein gelungener „Flor de Jerez“ aus dem New Yorker „Death & Co.“, ein Drink mit Armagnac und als Dessert ein „Waldorf Astoria Eggnogg“.
5. Juli
Im Bartista ist heute Swing-Abend, was erhöhte Kundenpräsenz und Lautstärke bedeutet. Die Betreuung durch Markus war an diesem Abend wieder angenehm. Zunächst verlangte es uns nach dem Verwandten des „Island Martinis“, Markus‘ „River Martini“, der aus Martin Miller Gin, St. Germain, Eiswein, Salztinktur, Zitronenverbene und Lavendelbitter mit einer Zitronenzeste zubereitet wird. Mit diesem Drink hatte Markus bei der Martin Miller Competition im Mai 2015 im Finale auf Island den 1. Platz gewonnen. Zurecht. Falls ihr in Tübingen seid, solltet ihr danach fragen.
Als nächster Drink folgt einer mit Ananassaft, Rum, Limette und etwas Zucker. Dieser Drink ist etwas besonderes. Wir hatten auf einem der vorherigen Abende mit Markus über die unterschiedlichen Qualitäten von Ananassaft gesprochen, und Markus meinte, daß derjenige von Melro’s Best von empfehlenswerter Qualität doch leider nicht mehr erhältlich sei. Das fanden wir bedauerlich, hatten wir doch schon von diesem gelesen und hätten ihn deshalb gerne probiert. Heute nun überrascht Markus uns nun mit der Nachricht, er hätte nachgeforscht und uns seine letzte Dose organisiert, mehr gäbe es nicht mehr, und damit wolle er uns heute etwas zubereiten. Wir sind begeistert, wie sehr er sich um uns kümmert. Es folgt passenderweise ein Drink mit Kokoswasser und Rum, anschließend als Dessert ein „Night Cap“ mit Gin, Crème de Cacao, Cognac und Limette. Köstlich.
Die Gäste haben ihren Spaß, und wir auch mit unseren Drinks, doch wir bleiben heute nicht allzu lange und setzen uns zwecks Absackereinnahme noch in den auf dem Heimweg liegenden Biergarten des „Neckarmüller“, um den lauen Abend im Freien und am Neckarufer ausklingen zu lassen.
Fazit
Wir hätten nicht erwartet, in Tübingen zwei so aufmerksame Bartender wie Markus Müller und Florian Drucks-Jacobsen kennenzulernen. Sie waren uns vorbildliche Gastgeber. Wir freuen uns schon darauf, sie hoffentlich bald wieder besuchen zu können. Es zeigt sich, daß nicht nur in den großen Metropolen Bars vorhanden sind, bei denen sich ein Besuch lohnt. Auch in Tübingen im Bartista und im Liquid kann man wundervoll zubereitete klassische Cocktails genießen, und es ist spannend zu sehen, wie Barkonzepte in kleineren Städten aussehen können, um so auch einen Fokus auf klassische Drinks zu ermöglichen. Weiter so!
Quellen
- https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Pferd_vom_Vogelherd.tif
- Das Foto wurden freundlicherweise vom „Bartista“ zur Verfügung gestellt.
- Die Fotos wurden freundlicherweise vom „Liquid“ zur Verfügung gestellt.
explicit capitulum
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Was für ein klasse Artikel! Bitte mehr Artikel wie diesen!
Macht direkt Lust, ins Auto zusteigen und ab nach Tübingen zufahren 🙂
Cheers
Grüße die Barwelt in Tübingen von uns!