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Rum und Kill-Devil – Eine neue Etymologie. Teil 7: Neue Etymologie

Titelbild - Rum und Kill-Devil, Teil 7.

In diesem letzten Teil der Serie kommen wir nun zum Vorschlag einer neuen Etymologie für die Bezeichnungen Rum und Kill-Devil und begründen, warum beide dasselbe bedeuten.

In den vorherigen Teilen haben wir dafür die Grundlage gelegt. Es erscheint uns sinnvoll, die daraus gewonnenen Erkenntnisse zuvor noch einmal kurz darzustellen.

Teil 2: Bisherige Etymologie

Fassen wir die bisher gängige Etymologie zusammen: niemand weiß heutzutage so recht, warum der auf Barbados aus Zuckerrohr destillierte Alkohol als ›Kill-Devil‹ bezeichnet wurde, den Richard Ligon im Jahr 1657 als »das Getränk der Insel« beschrieb.

Man vermutet, Kill-Devil sei eine von den unteren Gesellschaftsschichten vergebene Bezeichnung. Hans Sloane meinte im Jahr 1707, dass man sie wählte, weil dieser Kill-Devil jedes Jahr unzählige Menschen töte. Diese Aussage sollte man jedoch anzweifeln. Denn wie Christopher Marlowe bereits um 1590 schrieb, sei ein Kill-Devil nicht ein Teufel, der töte, sondern jemand, der einen Teufel tötete.

Jedenfalls etablierte sich die Bezeichnung Kill-Devil und wurde in andere Sprachen übernommen: ins Französische als guildive, ins Niederländische als kiltem oder keelduivel, und ins Dänische als kieldeevil oder geldyvel. Die französischen Etymologen wurden kreativ und es vermuteten, guildive bedeute es so viel wie »hochschäumender Teufel« oder »verrückter Teufel«, aber sicher waren sie sich nicht.

Kill-Devil wurde alternativ als ›Rum‹ bezeichnet. Da auf Barbados auch Siedler aus Devonshire siedelten, vermutete man, dass Rum eine Verkürzung des Wortes ›Rumbullion‹ sei, welches im Dialekt von Devonshire einen »großen Tumult« bezeichne und wohl auf das Hochschäumen der Hefe bei der Fermentation verweise. Allerdings wenden andere Autoren ein, dass das Wort ›Rumbullion‹ auf den Westindischen Inseln nicht bekannt sei. Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche andere Deutungen, die aber noch unwahrscheinlicher sind – weshalb wir sie hier nicht wiederholen wollen.

Wir melden unsere Zweifel an und halten all diese Deutungen für unzutreffend. Stattdessen möchten wir basierend auf westafrikanischen Traditionen einen neuen Vorschlag unterbreiten.

Teil 4: Westafrika

Die Bezeichnungen ›Rum‹ und ›Kill-Devil‹ sollen auf Barbados entstanden sein. Im Rahmen unserer neuen Etymologie müssen wir deshalb verstehen, woher die barbadischen Sklaven stammten: es ist Westafrika, vom Senegal im Norden bis hinunter nach Angola.

Für die versklavten Afrikaner war Alkohol wichtig. Sie kannten ihn schon aus Afrika, weshalb wir die Bedeutung von Alkohol in den westafrikanischen Religionen verstehen müssen.

Traditionell trank man in West- und Zentralafrika Palmwein. Dort spielten Ahnen, Geister und Gottheiten im täglichen Leben eine aktive Rolle. Alkohol ermöglichte eine alkoholinduzierte Besitzergreifung durch Geister und die Kommunikation mit der Geisterwelt. Zudem zeigte man durch Trankopfer seine Ehrerbietung gegenüber Ahnen und Geistern.

Die Geburt galt als eine Rückkehr aus der Geisterwelt. Für einen erfolgreichen Übergang zwischen den Welten war der Einsatz von Alkohol notwendig. Auch bei Eheschließungen benötigte man Alkohol, um die Zustimmung und Hilfe der Ahnen zu erlangen. Der Tod hingegen ist das Ende des Lebens in der hiesigen Welt und eine Rückkehr in die Geisterwelt. Auch dafür benötigte man Alkohol, auch um die zukünftige Unterstützung des Verstorbenen zu garantieren.

Alkohol war nicht nur für den Kontakt mit der Geisterwelt notwendig. Ihm kam auch eine wichtige soziale Rolle zu, um bei Trinkritualen soziale Spaltungen zu beheben, Bündnisse zu schließen, oder Gemeinschaftsbande zu stärken. Wer Alkohol besaß, hatte Macht. Häuptlinge und Älteste besaßen soziale Kontrolle, denn sie besaßen Land und Arbeitskräfte, die für die Herstellung von Palmwein benötigt wurden.

Die Wichtigkeit von Alkohol zeigt sich auch darin, dass kriegsführende Gruppen die spirituelle Macht ihrer Feinde vernichten wollten, indem sie deren Palmenhaine zerstörten.

Berichte europäischer Reisender nach Afrika berichten über den dortigen Glauben. Natürlich verwenden sie Begrifflichkeiten wie Gott und Teufel aus ihrer europäischen Sichtweise. Stichpunktartig zusammengefasst berichten sie: Die Oberste Gottheit hat Himmel und Erde erschaffen, regiert die Welt und ist allzeit gut. Deshalb ist es unnötig, sie anzubeten, und sie verlangt auch keine Gebete. Alles Böse bezeichnen die Afrikaner als »Teufel«. An diese Teufel muss man sich wenden, damit sie den Menschen gegenüber barmherziger werden, und man muss sie mit Opfern besänftigen. Neben der Obersten Gottheit gibt es zahlreiche untergeordnete Gottheiten; jede hat einen besonderen Namen und eine besondere Aufgabe, und sie sind zudem die Mittler zwischen den Menschen und der Obersten Gottheit. Die niederen Gottheiten zeigen sich in Dingen der Natur, deshalb verehrt man „auch das Meer, Flüsse, Seen, Teiche, Fische, Berge, Bäume, Pflanzen, Kräuter, Felsen, Wälder, Vögel und Tiere“.

Teil 5: Das Krokodil

Im Jahr 1747 erschien der vierte Band von »Voyages and Travels«. Im Index ist ein Eintrag vorhanden, der für uns der Schlüssel für das Verständnis der etymologischen Zusammenhänge von Kill Devil und Rum ist. Dort steht geschrieben: »Bumbo, Negro Devil ii.183 c«. Im zweiten Band, auf den verwiesen wird, steht leider nichts mehr von einem Teufel, sondern es wird nur berichtet, dass es im Fluss Gambia viele Krokodile gäbe, die von den Einheimischen ›Bumbo‹ genannt würden. Sie fürchteten sich vor ihm und gingen nicht ins Wasser. Wenn sie doch einmal Vieh über einen Fluss führten, so werde es von einem »Marbut« begleitet, »welcher bethet, und auf ihn spucket, um den Crocodil zu bezaubern«.

Was wir aus dem zuvor Dargelegten ableiten können, ist dies: Dem Krokodil wohnt offensichtlich ein Geisterwesen inne, dass es zu besänftigen gilt, damit es nichts Böses tue; im Text steht, der Ochse, der durch den Fluss getrieben werde, werde von einem Priester bespuckt, um das Krokodil zu besänftigen. Alles bisher Dargelegte spricht dafür, dass der Ochse mit Palmwein bespuckt wurde, mit der heiligen Flüssigkeit, zur Besänftigung der bösen Geister. Da man den ›guten Wesen‹ keine Opfer zur Beschwichtigung darbringen musste, deuteten die Europäer vergangener Zeiten diese Opfer – auch an das Krokodil – als Teufelsanbetung. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum das Krokodil »Teufel der Neger« genannt wurde.

Manding ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene Dialekte in Westafrika, und wird in Mali, der Elfenbeinküste, Gambia, Teilen von Burkina Faso, Guinea und Senegal gesprochen. Im Manding bedeutet ›Bumbo‹ Krokodil. ›Bumbo‹ muss ein sehr altes Wort sein, denn bereits Herodot, Plinius und andere antike Autoren kennen einen afrikanischen Fluss namens Bambotus, der reich an Krokodilen ist. Übertrug sich die Bezeichnung ›Bumbo‹ von den Krokodilen auf den Fluss, dessen Name zu ›Bambotus‹ latinisiert wurde?

Auch in der Karibik gibt es zahlreiche Worte aus dem Manding. Ein Bericht über die Geschichte Jamaikas aus dem Jahr 1774 geht auch auf die auf der Insel gebräuchliche Sprache ein: »Die Afrikaner sprechen ihre jeweiligen Dialekte, mit einer Mischung aus gebrochenem Englisch. Die Sprache der Kreolen ist ein schlechtes Englisch, gespickt mit dem Guinea-Dialekt, weil sie die afrikanischen Wörter übernommen haben, um sich den importierten Sklaven verständlich zu machen;« Der Bericht führt an: »Bumbo, ursprüngliche Bedeutung: Alligator, gebräuchliche Bedeutung: Pudendum muliebre [die weibliche Vulva].« Diese Doppeldeutigkeit überrascht nicht, denn in Westafrika ist das Krokodil auch ein Fruchtbarkeitssymbol.

Wie wir bereits festgestellt haben, glauben die meisten Völker Afrikas an einen Gott oder eine Göttin. Diese werden oft nicht direkt angebetet, da sie als zu heilig gelten, um sich die Wünsche und Gebete der Menschen anzuhören. Stattdessen betet man zu Nebengöttern, die die Elemente beherrschen, beispielsweise Wind Feuer oder Wasser. Diese niederen Götter werden oft mit einem Tier in Verbindung gebracht, darunter auch das Krokodil.

Beispielsweise für die Yoruba in Westafrika symbolisiert das Krokodil den Übergang zwischen verschiedenen Bereichen der Existenz symbolisieren, da es die Grenzen überschreitet. Es ist damit per analogiam wichtig für die Kommunikation der Menschen mit den Geistern.

Das Krokodil im Voodoo

Die in der Karibik verbreiteten afroamerikanischen Religionen basieren auf westafrikanischen Glaubensvorstellungen. Eine davon ist Voodoo. Diese Religion wird heute nicht nur hauptsächlich in Benin, Ghana und Togo praktiziert, sondern auch in Haiti und der Dominikanischen Republik. Auch in Louisiana gibt es Anhänger des Kultes. In die Karibik kam Voodoo durch die Verschleppung und Versklavung der westafrikanischen Bevölkerung. In der Karibik kamen Elemente anderer Religionen, vorwiegend der christlichen, hinzu.

Der Geist des Krokodils spielt im Voodoo eine Rolle. Es lebt in verschiedenen Bereichen, im Wasser und auf dem Land. Deshalb symbolisiert es den Übergang zwischen verschiedenen Bereichen der Existenz und gilt damit auch als Tier des Übergangs zwischen dieser Welt und der Geisterwelt. Es bringt die Geister der Toten über den Fluss, der beide Welten voneinander trennt und ein Medium für die Kontaktaufnahme mit der Geisterwelt.

Da dem Krokodil zudem ein Wesen innewohnt, dass nicht grundsätzlich gut ist, muss man es beschwichtigen, damit es nicht böse wird. Man opfert ihm daher auch Alkohol. In religiösen Ritualen kann der Geist des Krokodils in einen Menschen fahren, und man kann dann mit der Geisterwelt und dem Krokodilgeist kommunizieren. Vom Krokodil besessene Menschen bewegen sich dann wie ein Krokodil.

Sobek, der ägyptische Krokodilgott

Auch im Alten Ägypten hatte das Krokodil eine religiöse Bedeutung. Sobek, so nannte man dort den Krokodilgott, wurde in der ägyptischen Mythologie als der Herrscher über das Wasser und als Fruchtbarkeitsgott verehrt. Im Neuen Reich wurde Sobek auch öfter in Unterweltbüchern genannt. War also auch das Krokodil für die Ägypter so etwas wie ein Vermittler zwischen den Welten? So wie ›Bumbo‹ als Mittler zwischen den Welten an Land und im Wasser lebt und für Fruchtbarkeit steht? Ist dies nur zufällig, oder besteht vielleicht ein Zusammenhang zwischen dem ägyptischen Sobek und dem westafrikanischen Bumbo?

Herodot schrieb im 5. vorchristlichen Jahrhundert, dass Krokodile für einen Teil der Ägypter heilig seien. Über die Einwohner Thebens und Al-Fayyūms berichtet er: »Jeder Haushalt zieht ein gezähmtes Krokodil groß. Sie hängen ihm Schmuck aus Glassteinen und Gold an die Ohren, stecken ihm Armbänder an die Vorderfüße, geben ihm besondere Speisen und Opfergaben und die beste Behandlung, solange sie am Leben sind. Nach ihrem Tod lassen sie sie einbalsamieren und in heiligen Särgen bestatten. Die Leute in Elephantine allerdings [nahe dem heutigen Assuan] betrachten sie nicht als heilig. Sie essen sie sogar.«

Der Grund für diese Unterschiede in der Verehrung ist vermutlich dieser: Im Alten Ägypten gab es nicht nur das heute noch dort lebende Nil-Krokodil, sondern auch das inzwischen nicht mehr im Nil heimische Westafrikanische Krokodil. Das Nilkrokodil ist deutlich aggressiver als das Westafrikanische Krokodil. Wohl deshalb zeigen Genanalysen, dass anscheinend nur das deutlich zahmere Westafrikanische Krokodil mumifiziert und somit verehrt wurde.

Teil 6: Karibik

Wenden wir unseren Blick nun in die Karibik. Bevor wir erneut auf das Krokodil zu sprechen kommen, betrachten wir die Bedeutung des Alkohols für die aus Afrika verschleppten Sklaven.

Spirituelle Kontinuität

Alkohol war den ihnen bereits vertraut, und sie brachten auch ihre kulturellen und religiösen Praktiken mit in die Karibik.

Zudem waren es wohl die versklavten Afrikaner, die in der Karibik die ersten Experimente zur Fermentierung von Zuckerrohrsaft durchführten. Erste Hinweise auf ein derartiges Getränk stammen aus den 1510er Jahren. Die Sklaven waren höchstwahrscheinlich nicht nur Hauptabnehmer, sondern auch Erzeuger dieser fermentierten Getränke. Dadurch konnten sie ihre afrikanische Alkoholtradition in der Karibik fortführen. Sie verwendeten aber nicht nur Zuckerrohr. Die Produktion von Palmwein war ebenfalls eine Option, so wie man schon in Afrika Palmwein hergestellt hatte.

Als dann jedoch in der Karibik mit der Produktion von Zucker und Zuckerrohrdestillaten begonnen wurde, wurde der traditionelle Palmwein durch aus Zuckerrohr hergestellten Alkohol ersetzt, insbesondere durch Rum, um eine Verbindung zu Afrika und zur Geisterwelt aufrechtzuerhalten.

Religiöse Traditionen in der Karibik

Wie schon in Afrika spielte Alkohol im täglichen Leben der Afrikaner in der Karibik eine wichtige Rolle. Die leichte Verfügbarkeit von Alkohol ermöglichte es, traditionelle afrikanische Trinkrituale beizubehalten. Die karibischen Sklavengesellschaften folgten dem gemeinsamen west- und westzentralafrikanischen Glauben. Wie schon in Afrika wurde mithilfe von Trankopfern und Opfergaben Kontakt zu den Ahnen und der Geisterwelt aufgenommen.

Wie schon in Afrika war bei karibischen Sklaven Alkohol bei Geburt, Heirat und Tod von zentraler Bedeutung. Insbesondere eine alkoholreiche Spirituose wie Rum war ein mächtiges Mittel für die Kontaktaufnahme mit der Geisterwelt.

Rum wurde zu einem verbindenden Element der afro-atlantischen Welt. Er half den Afrikanern in Afrika, eine symbolische Verbindung zu ihren Brüdern in Übersee herzustellen, und half er auch den Sklaven in der Karibik, eine Verbindung zu ihrer afrikanischen Heimat aufzubauen.

Yoruba und afroamerikanische Religionen

Die Yoruba sind ein westafrikanisches Volk, das vor allem im Südwesten Nigerias lebt, aber auch in den Nachbarstaaten Benin, Ghana und Togo.

Die Religion der Yoruba ist auch Grundlage für viele afroamerikanische Religionen, darunter Voodoo und Santería. Die Grenzen sowohl untereinander als auch zum Christentum sind fließend. Die Götter der Yoruba werden in der Religion der Yoruba, aber auch in den afroamerikanischen Religionen, als Orishas bezeichnet. Es gibt hunderte verschiedene Orishas. Ihre Nähe und Vertrautheit mit den Menschen zeigt sich darin, dass sie sich durch Trancezustände in den Eingeweihten offenbaren. Oshun ist eine Orisha, benannt nach dem gleichnamigen Fluss in Nigeria. Sie symbolisiert die Fruchtbarkeit. Über den Orishas steht Olorun. Dieser ist zu mächtig, und es ist gefährlich, direkt mit ihm Kontakt aufzunehmen. Deshalb dienen die Orishas als Vermittler zwischen den Lebenden und Olorun. Eshu ist ein Olorun, dem eine besondere Rolle zukommt. Er gilt als Türhüter und Götterbote und muss deshalb bei allen Ritualen als Erster begrüßt werden. Er muss auch als Erster seine Opfergaben erhalten.

Neben den Orishas gibt es auch noch die N’kisi. N’kisi sind Geister oder Objekte, die von einem Geist bewohnt wird. Die N’kisi sind eng mit der Kommunikation mit den Ahnen verbunden. Einer der N’kisi ist Bombo Njila, auch (männlicher) Exú (Eshu) oder Bombojira genannt. Er ist der Türöffner. Vangira, auch Pombagira oder Pomba Gira genannt, ist der weibliche Exú.

Das erinnert uns daran, dass in Westafrika das Krokodil eine ähnliche Rolle spielt wir Bombo Njila: als ein Türöffner, der die Welten miteinander verbindet und die Kommunikation mit den Ahnen ermöglicht, oder sogar für den Übergang zwischen den Welten sorgt und die Geister der Toten hinüber bringt. Das Krokodil wird Bumbo genannt – ist daher die Bezeichnung ›Bombo Njila‹ nur zufälliger Natur oder deutet sie auf eine nähere Verwandtschaft hin?

Obeah in der Karibik

Die Verbindung mit westafrikanischen Traditionen zeigte sich in den religiösen Praktiken der Sklaven in der Karibik, nicht nur bei britischen, sondern auch bei französischen. In der britischen Karibik war Obeah weit verbreitet. Obeah vereint Heilung, Spiritualität und Ahnenkult. Die Rituale erfordern den heiligen Gebrauch von Alkohol. Mit seiner Hilfe konnte man Einzelpersonen und die Gemeinschaft vor Schaden schützen und böswillige Geister besänftigen. Trankopfer waren ein wichtiger Bestandteil.

Voodoo in der Karibik

Auch in der französischen Karibik ermöglichte Alkohol die Kommunikation mit der Geisterwelt. Dort praktizierte man nicht Obeah, sondern Voodoo. Voodoo entstand in Westafrika; wir sind bereits darauf eingegangen. Voodoo und der zugehörige Ahnenkult gelangte mit den verschleppten Afrikanern in die Karibik und spielt dort auch heute noch eine große Rolle, insbesondere auf Haiti. Bei Voodoo-Zeremonien werden aus Rum hergestellte Getränke konsumiert und als Trankopfer dargebracht. Bei Voodoo-Zeremonien wird getanzt, und es kommt zu Besitzergreifungen durch Geister.

Santería in der Karibik

In ähnlicher Weise spielt Alkohol eine zentrale Rolle in den kubanischen Santería. Dort werden den Geistern Opfergaben dargebracht.

In der Santería verschmolz Oshun mit der Jungfrau Maria, denn in Amerika verbanden sich die Orishas in den meisten Religionen synkretistisch mit katholischen Heiligen.

Oshun – wir haben sie schon im Zusammenhang mit den westafrikanischen Yoruba erwähnt – beschützt Schwangere und repräsentiert nicht nur die menschliche Spiritualität und Sinnlichkeit, die Sanftheit, die Raffinesse, die Liebe und alles, was mit Frauen zu tun hat, sondern auch die religiöse Strenge und symbolisiert die unerbittliche Bestrafung. Oshun ist die einzige, die vor Olofin erscheinen kann, um für Menschen zu bitten. Symbolisiert wird sie durch Flüsse, und sie ist auch die Göttin des gleichnamigen Flusses in Nigeria. Ihr Bote ist das Krokodil, und ihre Anhänger bitten um ihre Gunst, indem sie Opfergaben an Flüssen niederlegen.

Candomblé in der Karibik

Candomblé ist eine afroamerikanische Religion, die hauptsächlich in Brasilien praktiziert wird. Auch diese hat ihre Wurzeln bei den Yoruba, weshalb man Orishas, N’kisi oder Vodum kennt. Da Olorun nicht direkt ansprechbar ist, nimmt man mit jenen Kontakt auf. Sie können dabei Besitz von einer Person ergreifen, die sich dann anders als die anderen Teilnehmer des Rituals bewegt: die besessene Person tanzt wie das Wesen, das von ihm Besitz ergriffen hat.

Im Candomblé wurden nur 16 Orishas beibehalten anstelle von hunderten. Darunter ist auch Exu (in Afrika Eshu genannt). Er ist Bote der Orisha. Ihm sind als Speiseopfer Palmöl und Spirituosen zugeordnet, schwarze Böcke und Hähne, und seine Attribute sind Phallus und Dreizack. Wir haben ihn schon im Zusammenhang mit den westafrikanischen Yoruba beschrieben.

Eine neue Etymologie

Afrikanische Glaubensvorstellungen sind die religiösen Wurzeln der in die Karibik verschleppten Afrikaner. Trotz unterschiedlicher Ausprägungen gibt es Gemeinsamkeiten. Das Krokodil spielt darin immer eine Rolle. Die oberste Gottheit ist nicht direkt ansprechbar. Man wendet sich stattdessen an niedere Götter und an deren Boten.

Bei den Yoruba – dort liegen die Wurzeln des Voodoo – sind die Orishas niedere Götter. Darunter ist auch Oshun, benannt nach dem gleichnamigen Fluss in Nigeria. Sie symbolisiert Fruchtbarkeit und vermittelt zwischen den Menschen und dem obersten Gott. Eshu gilt als Türhüter und Götterbote und muss deshalb bei allen Ritualen als Erster begrüßt werden. N’kisi sind Geister oder Objekte, die von einem Geist bewohnt werden. Die N’kisi sind eng mit der Kommunikation mit den Ahnen verbunden. Einer der N’kisi ist Bombo Njila, auch (männlicher) Exú (Eshu) oder Bombojira genannt. Er ist der Türöffner. Vangira, auch Pombagira oder Pomba Gira genannt, ist der weibliche Exu.

Das Krokodil ist ein Wesen des Übergangs zwischen Wasser und Land, zwischen Geisterwelt und diesseitiger Welt. Es bringt die Geister der Toten über den Fluss, der beide Welten voneinander trennt und ist ein Medium für die Kontaktaufnahme mit der Geisterwelt. In religiösen Ritualen kann der Geist des Krokodils in einen Menschen fahren, und man kann dann mit der Geisterwelt und dem Krokodilgeist kommunizieren. Vom Krokodil besessene Menschen bewegen sich dann wie ein Krokodil.

Das Krokodil spielt also eine ähnliche Rolle spielt wie Bombo Njila: als ein Türöffner, der die Welten miteinander verbindet und die Kommunikation mit den Ahnen ermöglicht, oder sogar für den Übergang zwischen den Welten sorgt und die Geister der Toten hinüber bringt. Das Krokodil wird ›Bumbo‹ genannt. Wir glauben, dass die Bezeichnung ›Bombo Njila‹ oder ›Pombagira‹ nicht zufälliger Natur ist und eine enge Verwandtschaft besteht.

In der karibischen Santería verschmolz Oshun mit der Jungfrau Maria. Sie wird durch Flüsse symbolisiert. Ihr Bote ist das Krokodil, und ihre Anhänger bitten um ihre Gunst, indem sie Opfergaben an Flüssen niederlegen. Diese Dualität von Fruchtbarkeit und Bestrafung, von Gut und Böse, zeigt sich auch in der Doppeldeutigkeit des Wortes ›Bumbo‹ – Vulva und Krokodil. Denn auch wenn das Krokodil für die Kommunikation mit der Geisterwelt wichtig ist, ist es doch nicht grundsätzlich gut. Es kann auch den Tod bringen, weshalb man es durch Trankopfer besänftigen muss.

Auch im brasilianischen Candomblé findet man Ähnliches: Man spricht den obersten Gott nicht direkt an, sondern nimmt mit Orishas oder N’kisis Kontakt auf. Sie können dabei Besitz von einer Person ergreifen, die sich dann anders als die anderen Teilnehmer des Rituals bewegt: die besessene Person tanzt wie das Wesen, das von ihm Besitz ergriffen hat. Zu den Orisha gehört Exu (in Afrika Eshu genannt). Er ist Bote der Orishas. Ihm sind als Speiseopfer Palmöl und Spirituosen zugeordnet, schwarze Böcke und Hähne, und seine Attribute sind Phallus und Dreizack. Auch hier zeigt sich wieder eine Verbindung zum Krokodil ›Bumbo‹ und dem Eshu ›Bombo Njila‹. Zudem ist auffällig, das unter den Exu zugeordneten Atributen Spirituosen, Phallus und Dreizack sind. Deuten sie nicht auf Trankopfer, Fruchtbarkeitssymbol, und Wasser (Flüsse) hin?

Alkohol wird benötigt, um mit der Geisterwelt kommunizieren zu können und wirkt als Türöffner zur Geisterwelt. Er ermöglicht eine Besitzergreifung, beispielsweise durch den Krokodilgeist. Er ist als Trankopfer notwendig, um böse Geister zu besänftigen. Für all dies und noch viel mehr ist Alkohol von zentraler Bedeutung.

Ein Blick auf die Bezeichnungen verrät ebenfalls die Bedeutungsnähe: ›Bombo Njila‹, ›Bombojira‹ oder ›Pombajira‹ bezeichnen ›Türöffner‹. Das Krokodil heißt ›Bumbo‹. Aber auch die Vulva wird als ›Bumbo‹ bezeichnet, als Hinweis auf die Fruchtbarkeit, die ebenfalls vom Krokodil symbolisiert wird. Auch das Krokodil kann man als ›Türöffner‹ betrachten, und da es nicht grundsätzlich gut ist, muss man auch ihm Trankopfer darbringen.

Wir glauben, dass es eine Übertragung der Bezeichnungen gab, so wie es auch beim Cocktail geschah. Zunächst bezeichnete man damit den abgeschnittenen Schweif eines nicht reinrassigen Pferdes; dann den Ingwer, den man diesen Pferden in den Anus schob, damit sie diesen Schweif höher trügen; dann die Getränke, in die man Ingwer gab; dann die ursprüngliche Getränkekategorie der ›Cocktails‹, die keinen Ingwer mehr enthielten; und schließlich Mischgetränke aller Art und noch viel mehr.

Wäre es nicht denkbar, dass die heilige Flüssigkeit Alkohol nicht auch ›Bumbo‹ genannt wurde?

Den in der Karibik ansässigen Europäern hätten die Sklaven in ihrem gebrochenen Englisch dann erklärt, dass man diese Flüssigkeit namens ›Bumbo‹ benötige, um ›Bumbo‹, das Krokodil, zu besänftigen und so das Böse, das ihm innewohnt gewissermaßen zu töten, und mit seiner Hilfe Kontakt mit den Ahnen aufzunehmen. Damit wäre diese Flüssigkeit ein Kill-Devil, dasjenige, dass den Teufel tötet.

Man hörte ›Bumbo‹, der einem als ›Kill-Devil‹ erklärt wurde, versuchte sich einen Reim darauf zu machen, und die Siedler aus Devon – falls dieser Teil der bisherigen Etymologie denn wahr sein sollte – fühlten sich dann vielleicht an ›Rumbullion‹ erinnert, und so wurde aus ›Bumbo‹ schließlich ›Rum‹ als Kurzform von Rumbullion?

Für die Gleichsetzung von Alkohol und Bumbo spricht auch die Analyse, die wir für die ›Getränkekategorie‹ Bumbo und Rumbo durchgeführt haben. Manchmal wird zwar gesagt, Bumbo werde mit Brandy und Rumbo mit Rum zubereitet, doch dafür gibt es keinerlei Belege. Vielmehr dürfen wir davon ausgehen, dass sich die Unterschiede im Namen aus lokalen Abweichungen und Sprachgebräuchen ergeben haben. Die Mischgetränke dieser Bezeichnung sind in keinster Weise wohldefiniert. Es ist irgendetwas Alkoholisches. Und das ist es ja, worauf es ankommt: Irgendeine Art von alkoholischem Getränk, mit dem man die hier beschriebenen religiösen Zeremonien durchführen kann. Das bestätigt auch Charles Leslie, ein barbadischer Schriftsteller, der 1739 über die Geschichte Jamaikas schrieb, dass Kill-Devil nicht mit Rum, sondern mit Rum-Punch gleichzusetzen sei. Eine Gleichsetzung von Rum und Kill-Devil ist ursprünglich also wohl noch nicht gegeben.

In Kürze zusammengefasst: Die Bezeichnung ›Bumbo‹ ging vom Krokodil auch auf die in religiösen Zeremonien verwendeten alkoholischen Getränke über. Man verwendete sie unter anderem auch dazu, um böse Geister zu besänftigen, sie gewissermaßen zu töten, wie die Sklaven in gebrochenem Englisch erklärt haben mögen. Somit war der Alkohol ein ›Kill-Devil‹. Da Rum in der Karibik schließlich der am einfachsten zu erhaltende Alkohol war, ging diese zunächst allgemein gehaltene Bezeichnung ›Bumbo‹ auf den ›Rum‹ über, eine Bezeichnung die aus Abwandlung des Wortes ›Bumbo‹ entstand, und als Kill-Devil verstand man nur noch ›Rum‹.

 

 

 

 

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Hallo, ich bin Armin, und in meiner Freizeit als Blogger, freier Journalist und Bildungstrinker möchte ich die Barkultur fördern. Mein Schwerpunkt liegt auf der Recherche zur Geschichte der Mischgetränke. Falls ich einmal eine Dir bekannte Quelle nicht berücksichtigt habe, und Du der Meinung bist, diese müsse berücksichtigt werden, freue ich mich schon darauf, diese von Dir zu erfahren, um etwas Neues zu lernen.

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