Nachdem wir festgestellt haben, was unter einem Manhttan Cocktail, einem Martinez Cocktail und einem Martini Cocktail in den Zeiten bis zur Prohibition verstanden wurde, stellt sich die Frage: Was verstehen wir heute darunter?
Aufgrund ihres Umfangs erfolgt die Veröffentlichung dieser Abhandlung über den Martini Cocktail in mehrere Teilen, die sich wie folgt gestalten:
Wir hatten festgestellt, daß ein Martinez Cocktail und ein Martini Cocktail auf Grundlage historischer Rezepte als identisch betrachtet werden müssen. In dieser Serie möchten wir nicht darauf eingehen, wie sich der Martini Cocktail im Laufe der Zeit seit dem Beginn der Prohibition weiterentwickelt und verändert hat. Wohl aber, was heutige Bartender unter einem Martinez Cocktail und einem Martini Cocktail verstehen. Auch der Manhattan Cocktail soll in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden. Wir betrachten verschiedene moderne Rezepte und ordnen sie dabei in die „klassischen“ Gruppen ein.
Der Manhattan
Dry Plain Manhattan Cocktail
[2008 DeGroff]
60 ml Blended Whiskey, 30 ml italienischer Wermut, 2 d Angostura Bitters. Garnierung: Kirsche. (Manhattan)
[2010 Kosmas & Zaric]
90 ml Woodford Reserve 90-proof Bourbon Whiskey, 45 ml Dolin Rouge Vermouth, 3 d Angostura Bitters. Garnierung: 3 Kirschen. (Contemporary Manhattan)
[2011 Parsons]
60 ml Rye Whiskey oder Bourbon Whiskey, 30 ml süßer Wermut, 1 d Angostura Bitters oder andere Aromatic Bitters, 1 d Orange Bitters. Garnierung: Kirsche oder Zitronenzeste. (Manhattan)
[2011 Adam, Hasenbein, Heuser]
60 ml Bourbon Whiskey oder Rye Whiskey, 30 ml roter Wermut, 2 d Angostura Bitters. Garnierung: Zitronenzeste. (Manhattan)
[2011 Meehan]
60 ml Wild Turkey Rye Whiskey, 30 ml Martini Rosso, 2 d Angostura Bitters. Garnitur: 3 Kirschen. (Manhattan)
[2013 Stephenson]
50 ml Woodford Reserve Bourbon Whiskey, 25 ml Martini Rosso Wermut, 2 d Bob’s Abbotts Bitters. Garnierung: Kirsche oder Orangenzeste. (Manhattan)
[2013 Victoria Bar]
60 ml Rye Whiskey, 20 ml Wermut, 2-3 d Angostura Bitters. Garnierung: Kirsche. (Manhattan)
[2014 Kaplan, Fauchald, Day]
75 ml Rittenhouse 100 Rye Whiskey, 22,5 ml Süßer House-Wermut, 2 d Angostura Bitters. Garnierung: Kirsche. (Manhattan)
Dry Fancy Manhattan Cocktail
[2010 Kosmas & Zaric]
45 ml Rittenhouse 100-proof Rye Whiskey, 52,5 ml Dolin Rouge Vermouth, 15 ml Grand Marnier, 3 d Angostura Bitters. Garnierung: Zitronenzeste. (Manhattan Cocktail)
Wir stellen fest, daß ein Manhattan heute grundsätzlich ein Dry Plain Manhattan Cocktail ist.
Der Martinez
Dry Fancy Martinez Cocktail
[2008 DeGroff]
30 ml italienischer Wermut, 30 ml Gin, 2 d Angostura bitters, 2 d Curaçao (Martinez)
[2009 Regan]
60 ml süßer Wermut, 30 ml Gin, 1 d Angostura Bitters, 5 ml Maraschino. (Martinez à la Imbibe)
[2010 Kosmas & Zaric]
22,5 ml Dolin Blanc Wermut, 75 ml Beefeater 24 Gin, 7,5 ml Absinth-Bitters, 15 ml Luxardo Maraschino. Garnierung: Zitronenzeste. (Martinez)
[2010 Kosmas & Zaric]
30 ml Dolin Rouge Wermut, 52,5 ml Beefeater London Dry gin, 1 d Reagan’s Orange Bitters No. 6, 7,5 ml Luxardo Maraschino. Garnierung: Zitronenzeste. (Cassic Martinez)
[2011 Adam,Hasenbein, Heuser]
60 ml roter Wermut, 30 ml Oude Genever oder Gin, 2 d Angostura Bitters, 5 ml Maraschino. Garnierung: Zitronenzeste. (Martinez)
[2011 Mehan]
45 ml Dolin süßer Wermut, 45 ml Hayman’s Old Tom Gin, 2 d Dr. Adam Elmegirag’s Boker’s Bitters, 7,5 ml Luxardo Maraschino. Garnierung: Orangenschale. (Martinez)
[2011 Parsons]
30 ml süßer Wermut (vorzugsweise Antica Formula), 30 ml Old Tom Gin (vorzugsweise Ransom Old Tom), 2 d Boker’s Bitters or Angostura Bitters, 5 ml Maraschino. Garnierung: Zitronenzeste. (Martinez)
[2013 Stephenson]
25 ml Martini Rosso Wermut, 50 ml Tanqueray Gin, 3 d Adam Elmegirab’s Boker’s Bitters, 5 ml Maraschino. Garnierung: Orangen- oder Zitronenzeste oder Kirsche. (Martinez)
[2014 Kaplan, Fauchald, Day]
30 ml Süßer House-Vermouth, 15 ml Ransom Old Tom Gin, 45 ml Hayman’s Old Tom Gin, 1 d Orange House-Bitters, 2,5 ml Luxardo Maraschino, 2,5 ml Massenez Kirsch Vieux Kirschbrand. Garnierung: Zitronenzeste. (Martinez)
Sweet Fancy Martinez Cocktail
[2012 Sandham]
30 mlsüßer Wermut, 30 ml Beefeater Gin, 2 d Angostura bitters, 2 dZuckersirup, 1 d Curaçao. Garnierung: Zitronenzeste oder Olive. (Martinez)
Wie wir sehen, versteht man heute unter einem Martinez grundsätzlich einen Dry Fancy Martinez Cocktail bzw. einen Dry Fancy Mrtini Cocktail.
Der Martini
Extra Dry Martini Cocktail
[2008 DeGroff]
4 d trockener französischer Wermut, 75 ml London Dry Gin oder Wodka. Garnierung: Olive und Zitronenzeste. (Dry Martini)
[2008 DeGroff]
2 d trockener französischer Wermut, 75 ml Gin oder Wodka. Garnierung: Olive. (Extra Dry Martini)
[2009 Regan]
15 ml trockener Wermut, 75 ml Gin. Garnierung: Olive oder Zitronenzeste. (Dry Martini)
[2009 Regan]
45 ml Noilly Prat Wermut, 45 ml Beefeater oder Tanqueray Gin, 1 d Orange Bitters. Garnierung: Orangen- oder Zitronenzeste. (Dry Martini à la Imbibe)
[2011 Adam,Hasenbein, Heuser]
30 ml trockener Wermut, 60 ml Gin, 2 d Orange Bitters. Garnierung: Zitronenzeste und/oder Olive. (Martini Cocktail)
[2011 Mehan]
30 ml Dolin Vermouth Dry, 90 ml Plymouth Gin. Garnierung: Olive oder Zitronenzeste. (Martini)
[2011 Parsons]
15 ml trockener Wermut, 45 ml Gin (vorzugsweise Plymouth), 1 d Orange Bitters. Garnierung: Zitronenzeste. (Martini)
[2012 Sandham]
15 ml trockener Wermut, 60 ml Gin. Garnierung: Olive oder Zitronenzeste. (Martini)
[2013 Stephenson]
15 ml Martini Extra Dry Wermut, 50 ml Tanqueray No. Ten Gin. Garnierung: Olive oder Zitronenzeste. (Martini)
[2013 Victoria Bar]
10-30 ml Noilly Prat, 60 ml Gin, 2 d Bitters. Garnierung Olive oder Zitronenzeste (Martini)
[2014 Kaplan, Fauchald, Day]
22,5 ml Dolin Dry Wermut, 75 ml Plymouth Gin oder Beefeater London Dry Gin oder Tanqueray London Dry Gin, 1 dash House Orange Bitters. Garnierung: Zitronenzeste. (Martini)
[2014 Morgenthaler]
15 ml trockener Wermut, 75 ml London Dry Gin. Garnierung: Zitronenzeste oder Olive. (Martini)
Dry Martini Cocktail
[2012 Sandham]
20 ml süßer Wermut, 60 ml Gin. (Sweet Martini)
Wie wir sehen, versteht man heute unter einem Martini grundsätzlich einen Extra Dry Martinez Cocktail bzw. Extra Dry Martini Cocktail.
Wir können also feststellen, daß sich die ursprüngliche Vielfalt des Martinez Cocktails respektive des Martini Cocktails doch erheblich reduziert hat; heute versteht man unter einem Martinez einen Dry Fancy Martinez Cocktail, während sich für die Extra Dry – Variante der Name Martini eingebürgert hat.
Schlußbetrachtung
Wie wir gesehen haben, ist von der ursprünglichen Vielfalt des Manhattan Cocktails, Martinez Cocktails und Martini Cocktails nicht mehr viel geblieben. Das ist nicht weiter schlimm; es ist jedoch wichtig, diesen historischen Hintergrund zu kennen. Heute versteht man unter einem Manhattan grundsätzlich einen Dry Plain Manhattan Cocktail, unter einem Martinez grundsätzlich einen Dry Fancy Martinez Cocktail bzw. Dry Fancy Martini Cocktail und unter einem Martini grundsätzlich einen Extra Dry Martinez Cocktail bzw. Extra Dry Martini Cocktail.
Das ist auch gut so, denn es erleichtert die Bestellung in der Bar, ohne daß groß erklärt werden muß, wie genau beispielsweise der Martini gemacht werden soll, ob sweet, dry, extra dry, plain oder fancy. Wer hingegen eine von diesem Standard abweichende Rezeptur wünscht, kann dies immer noch anbringen. Spannend ist es jedoch, die historische Vielfalt zu kennen, da sich auf dieser Grundlage zahlreiche Abwandlungen und Twists ableiten lassen.
Nehmen wir es einfach als das, was es ist, und betrachten wir den Martini als einen New Fashioned Martinez oder den Martinez als einen Old Fashioned Martini – ganz nach eigener Vorliebe.
Quellen
- Brad Thomas Parsons: Bitters. A spirited history of a classic cure-all with cocktails, recipes & formulas. ISBN 978-1-58008-359-1. Ten Speed Press, 2011.
- Dale DeGroff: The Essential Cocktail. The Art of Mixing Fancy Drinks. ISBN 978-0-307-40573-9. New York, Clarkson Potter, 2008.
- David Kaplan, Nick Fauchald & Alex Day: Death & Co. Modern Classic Cocktails. ISBN 978-1-60774-525-9.Ten Speed Press, Berkley, 2014.
- Gaz Regan: The Bartender’s Gin Compendium. ISBN 978-1-4415-4688-3. 2009.
- Helmut Adam, Jens Hasenbein & Bastian Heuser: Cocktailian 1. Das Handbuch der Bar. ISBN 978-3-941641-41-9. 2. Auflage, 2011.
- Jason Kosmas & Dushan Zaric: Speakeasy. Classic Cocktails reimaged, from New York’s Employees Only Bar. ISBN 978-1-58008-253-2, Ten Speed Press, 2010.
- Jeffrey Morgenthaler: The Bar Book. Elements of Cocktail Technique. ISBN 978-1-
4521-1384-5. Cronicle Books LLC, San Francisco, 2014. - Jim Meehan: Das Geheime Cocktail-Buch (The PDT Cocktail Book). ISBN 978-3-89955-436-6. New York 2011.
- Tom Sandham: World’s Best Cocktails. 500 Signature Drinks from the World’s Best Bars and Bartenders. ISBN 978-1-59233-527-5. Fair Winds Press, Beverley 2012.
- Tristan Stephenson: The Curious Bartender. The Artistry and Alchemy of Creating the Perfect Cocktail. ISBN 978-1-84975-437-8. Ryland Peters & Small, London, New York, 2013.
- Victoria Bar: Die Schule der Trunkenheit. Eine kurze Geschichte des gepflegten Genießens. ISBN 978-3-8493-0323-5. Merolit Verlag GmbH&Co.KG, 1. Auflage, 2013.
explicit capitulum
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Hallo Armin.
Als Fan von Martini- und Manhattan-Cocktail habe ich sehr interessiert deine Abhandlung gelesen, vielen Dank.
Vom textlichen sticht natürlich heraus „Welche Schlüsse kann man aus diesem Wirrwar ziehen?“
Mit dem Mischungsverhältnis von Gin/Whisky und Wermut und ggf. fancy Zutaten lässt sich sehr viel selber experimentieren. Ich nippe z.B. gerade an 50 ml Bourbon + 20 ml Wermut Dry + 1 Barlöffel weisser Schokolade. Basis ist mein bevorzugtes Verhältnis für einen Martini plus ein Teil „fancy“.
Die Bezeichung Bildungstrinker übernehme ich mal, sollte mich jemand fragen was so meine Hobbies sind! 😉
Liebe Grüsse & Cheers
Oliver G.
Hallo Oliver,
diese ersten Texte über den Martini Cocktail standen ja ganz am Anfang des Blogs, und berücksichtigen nur relativ wenige Quellen. Deshalb arbeite ich daran, auch für den Martini Cocktail und den Martinez Cocktail einen eigenen Beitrag zu veröffentlichen, so wie es für den Manhattan Cocktail schon geschehen ist. Vielleicht findest Du darin dann ja noch weitere inspirierende Details.
Cheerio,
Armin